Fragen und Antworten in Rechtsbelangen

Ist eine Praxisvertretung angestellt beschäftigt und unterliegt damit auch der Sozialversicherungspflicht? • Was kann ich tun, wenn die KV mir vorwirft, meine Dokumentation der GOP 03230 EBM (Erörterung) sei nicht aussagekräftig?

Sozialversicherungspflicht

Frau Dr. N. aus Tübingen:

Ich bin Frauenärztin und lasse mich im Urlaub immer von einer Kollegin aus dem ortsansässigen Krankenhaus vertreten. Die Kollegin stellt mir dann eine Rechnung auf Stundenbasis. Meine Kollegin hat mir erzählt, dass sie ihren Vertretungsarzt auf Hinweis ihres Steuerberaters immer wie einen Angestellten beschäftigt. Kann ich es in meiner Praxis so lassen wie bisher?

Herr Rothfuß:

„Sie sprechen eine sehr strittige Frage an, die in der jüngeren Zeit von den Sozialgerichten im Zusammenhang mit Sozialversicherungsprüfungen der Deutschen Rentenversicherung (DRV) uneinheitlich beantwortet worden ist: Ist ein Praxisvertreter selbstständig tätig oder ist er abhängig beschäftigt und damit sozialversicherungspflichtig? Das BSG hat sich in einer ganz aktuellen Entscheidung (vom 19.10.2021, B 12 R 1/21 R) dazu positioniert und vertritt die Auffassung, dass auch ein Praxisvertreter in der Regel abhängig beschäftigt ist und damit auch der Sozialversicherungspflicht unterfällt. Ein Praxisvertreter sei aufgrund eines arbeitsteiligen Zusammenwirkens mit dem Praxispersonal unter Nutzung der Praxisinfrastruktur in die Arbeitsabläufe der Praxis eingegliedert. Das gelte auch bei einer anlassbezogenen Vertretung wie Urlaub oder Krankheit des Praxisinhabers. Nur wenn der Praxisvertreter die Position des Praxisinhabers so einnehme, dass er selbst die Arbeitgeberfunktion übernimmt, könnte dies gegen eine Eingliederung sprechen. Wenn Sie also den rechtssichersten Weg gehen wollen, werden Sie Ihre Praxisvertreterin zukünftig in den Vertretungszeiten anstellen müssen; andernfalls riskieren Sie bei einer nachträglichen Prüfung Nachzahlungen und im schlechtesten Fall auch strafrechtliche Konsequenzen.“

Leistungsdokumentation

Herr Dr. A. aus Erfurt:

Die KV wirft mir vor, falsch abgerechnet zu haben. Aus ihrer Sicht sei meine Dokumentation nicht aussagekräftig; aus der Dokumentation ergebe sich nicht die Erfüllung der obligaten Leistungsinhalte der GOP 03230 EBM (Erörterung). Ich hätte in jedem Fall dokumentieren müssen, was Gesprächsinhalt war, den Anlass für das Gespräch sowie auch die Gesprächsdauer. Dazu muss ich auch sagen, dass meine Abrechnung gerade an den ersten Tagen im Quartal auffällig geworden ist, weil ich dort das Tageszeitprofil deutlich überschritten habe. Ich trage halt regelmäßig beim ersten Arzt-Patienten-Kontakt die GOP 03230 EBM ein. Was kann ich tun?

Herr Rothfuß:

„Sie dürfen die GOP 03230 EBM grundsätzlich nur dann ansetzen, wenn Sie deren obligaten Leistungsinhalt auch vollständig erfüllt haben. Dazu gehört auch die Mindestdauer von zehn Minuten. Gerade beim ersten Arzt-Patienten-Kontakt im Quartal ist der systematische Ansatz der GOP 03230 EBM gefährlich. Wenn das dann auch noch verbunden ist mit einer Überschreitung des Tageszeitprofils, indiziert dies erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Abrechnung. Zwar müssen Sie nicht die obligaten Leistungsinhalte in der Form dokumentieren, wie es Ihre KV sieht; denn insoweit besteht „nur“ die allgemeine Dokumentationspflicht, nicht aber eine spezielle Dokumentationspflicht, deren Nichterfüllung per se eine Abrechnung ausschlösse. Je größer die Zweifel an der Richtigkeit der Abrechnung sind, umso mehr sind Sie allerdings gefordert, diese Zweifel auszuräumen. So jedenfalls sieht das das SG Marburg in einer aktuellen Entscheidung (Gerichtsbescheid vom 06.04.2021, S 12 KA 199/19). Mit einer eher dünnen Dokumentation ist dies von vorneherein sehr schwierig. Ich kann Ihnen daher nur für die Zukunft den Rat geben, Ihre Leistungsdokumentation zu optimieren. Wenn Ihre KV aus Ihrer Dokumentation heraus nachvollziehen kann, warum Sie welche Leistung abgerechnet haben, räumt das Zweifel an der Richtigkeit der Abrechnung aus und Sie müssen nicht nachträglich Nachweise dafür beibringen. Solche Fälle zeigen immer wieder, dass eine gute Patienten­dokumentation auch in Auseinandersetzungen mit der KV viel Ärger vermeidet; sie ist daher nicht nur aus forensischen Gründen geboten.“

Sven Rothfuß
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht
Kanzlei am Ärztehaus
Oberländer Ufer 174, 50968 Köln
(0221) 34066960
www.kanzlei-am-aerztehaus.de

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