Fragen und Antworten in Rechtsbelangen

„Ich betreue Patienten in unterschiedlichen Disease-Management-Programmen (DMP). Nun hat mich ein Regress erreicht, da ich Gebührenordnungspositionen abgerechnet haben soll, die eine Teilnahme der Patienten an einem DMP voraussetzen, obwohl diese tatsächlich gar nicht an dem Programm teilnehmen. Allerdings haben die Patienten mir versichert, dass sie bereits eingeschrieben seien. Muss ich die Regressforderung trotzdem erfüllen?“ Diese und weitere Fragen beantwortet Rechtsanwalt Sven Rothfuß.

Richtigkeit der Abrechnung

Herr Dr. P. aus Nienburg/Weser

Ich bin niedergelassener Hausarzt und betreue viele Patienten in unterschiedlichen Disease-Management-Programmen (DMP). Nun hat mich ein Regress erreicht, da ich Gebührenordnungs­positionen (GOP) abgerechnet haben soll, die eine Teilnahme der Patienten an einem DMP voraussetzen, obwohl die Patienten tatsächlich gar nicht an dem Programm teilnehmen. Allerdings haben die Patienten mir glaubhaft versichert, dass sie bereits in das Programm eingeschrieben seien. Obwohl die Krankenkassen dies eigentlich müssten, kommen sie ihrer Pflicht, den Status auf den Krankenversicherungskarten zu vermerken, oft nicht nach. Wie hätte ich also wissen sollen, dass die Patienten tatsächlich nicht an einem DMP teilnehmen? Muss ich die Regressforderung trotzdem erfüllen?

Herr Rothfuß:

„Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundes­sozialgerichts (vgl. z. B. das Urteil vom 28.08.2013, Az. B 6 KA 43/12 R) kommt es für eine nachträgliche Korrektur der Abrechnung nur darauf an, ob diese inhaltlich unrichtig war. Ob die fehlerhafte Abrechnung dem Arzt vorzuwerfen ist oder ihn ein Verschulden trifft, ist dagegen nicht maßgeblich.

Diesem Grundsatz folgend hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen mit Urteil vom 26.04.2023 (Az. L 3 KA 55/19) entschieden, dass es auch bei der Abrechnung von DMP-GOP lediglich auf die inhaltliche Richtigkeit der Abrechnung ankomme; der Ansatz entsprechender GOP erfordere eine Teilnahme des Patienten an einem DMP. Das LSG ging weiter davon aus, dass einem Arzt regelmäßig bekannt sein müsse, welche seiner Patienten an einem DMP teilnähmen, da er an der Einschreibung beteiligt sei und die Krankenkasse auch ihm gegenüber die Teilnahme des Patienten anschließend bestätige. Andere Konstellationen – etwa Überweisungsfälle – seien als Ausnahme anzusehen. In solchen Fällen könne es dem Arzt zugemutet werden, die Behandlung des Patienten von der Vorlage einer Teilnahmebestätigung seitens der Krankenkasse abhängig zu machen.

Es kommt für den Regress demnach nur auf die objektive Unrichtigkeit der Abrechnung an. Sie können der Regressforderung nicht erfolgreich allein mit dem Argument begegnen, Sie seien aufgrund der Angabe eines Patienten davon ausgegangen, dass er an einem DMP teilnehme.“

Arbeitszeitbetrug

Frau Dr. Ü. aus Rheine

Ich bin in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) niedergelassen und wir beschäftigen seit vielen Jahren eine Reinigungskraft, die mittlerweile 62 Jahre alt und zu 100 % schwerbehindert ist. Bisher verlief die Zusammenarbeit mit ihr immer problemlos. Allerdings habe ich sie nun beobachtet, wie sie sich während der Arbeitszeit mit einer Person im Café gegenüber zum Kaffeetrinken getroffen hat, ohne sich im Zeiterfassungssystem abzumelden. Den anderen Mitarbeitern hatte sie zuvor gesagt, dass sie in den Keller des MVZ gehen werde. Auf den Vorfall angesprochen, bestritt die Mitarbeiterin, im Café gewesen zu sein. Als ich ihr erklärte, dass sie beobachtet worden sei, meinte sie immer noch, dass ich mich wohl geirrt haben müsse. Erst als ich sie mit einem Foto von ihr beim Kaffeetrinken konfrontierte, gab sie schließlich zu, das Café besucht und sich nicht ausgeloggt zu haben. Das Verhalten der Mitarbeiterin und insbesondere, dass sie mich angelogen hat, hat für uns zu einem völligen Vertrauensverlust geführt; wir können uns einfach keine weitere Zusammenarbeit mit ihr mehr vorstellen. Können wir sie für dieses Verhalten fristlos kündigen oder müssten wir sie vorher abmahnen?

Herr Rothfuß:

„Nach einem Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamm vom 27.01.2023 (Az. 13 Sa 1007/22), dem ein ganz ähnlicher Sachverhalt zugrunde lag, war eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung zulässig. Das Verhalten stelle einen Arbeitszeitbetrug dar. Durch die bewusste Täuschung und den Versuch, ihr Verhalten im Nachgang zu verschleiern, habe die Mitarbeiterin das Vertrauen ihres Arbeitgebers vollständig zerstört. Dieser Vertrauensbruch wiege schwerer als das mehrjährige bisher störungsfreie Arbeitsverhältnis, das Alter oder die Behinderung der Mitarbeiterin. Eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung könne in einem solchen Fall als verhältnismäßig angesehen werden. Bitte beachten Sie, dass der Kündigung eines schwer­behinderten Menschen nach § 168 SGB IX das Integrationsamt vor Ausspruch der Kündigung zustimmen muss. Im vom LAG Hamm entschiedenen Fall lag die Zustimmung vor.“

Sven Rothfuß
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht

Kanzlei am Ärztehaus
Oberländer Ufer 174, 50968 Köln

(0221) 34066960
www.kanzlei-am-aerztehaus.de

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