Jobsharing – Fluch oder Segen?

Das Jobsharing existiert in vielen Bereichen und ist insbesondere in der modernen Arbeitswelt beliebt. Teilen sich zwei oder mehrere Personen einen Arbeitsplatz, ermöglicht dies flexible Arbeitszeitmodelle. Eine besondere Bedeutung hat das Jobsharing im Bereich der niedergelassenen Ärzteschaft.

In § 101 Abs. 1 Nr. 4 und 5 SGB V ist das Jobsharing als Möglichkeit vorgesehen, trotz Überversorgung einen gleichberechtigten BAG-Partner (BAG, Berufsausübungsgemeinschaft) aufzunehmen (Job­sharing-BAG) oder einen Arzt anzustellen (Jobsharing-Anstellung). Damit soll den Bedürfnissen der niedergelassenen Ärzte nach individueller und flexibler Festlegung des Arbeitseinsatzes Rechnung getragen werden sowie zusätz­liche Möglichkeiten zur Erweiterung einer bestehenden Praxis in Form des Einsatzes eines gleichberechtigten BAG-Partners oder eines angestellten Arztes geschaffen werden. Welche Voraussetzungen für das Jobsharing gelten sehen Sie im Infokasten.

Voraussetzungen für das Jobsharing

Der Beginn einer Jobsharing-BAG oder Jobsharing-Anstellung ist wegen § 40 der Bedarfsplanungs-Richtlinie (BP-RL) nur zu Quartalsbeginn möglich. Voraussetzung des Jobsharings ist insbesondere, dass

  • der Jobsharing-Partner oder Jobsharing-Angestellte und der bereits zugelassene Vertragsarzt derselben Arztgruppe angehören, sogenannte „Fachidentität“
  • sich der niedergelassene Arzt, der einen Arzt im Jobsharing anstellt oder einen Jobsharing-Partner aufnimmt, für die Dauer der Beschäftigung zu einer Leistungsbegrenzung verpflichtet
 

 

Jobsharing-Obergrenze

Angesichts der Leistungsbegrenzung wird das Jobsharing von Praxen bzw. niedergelassenen Ärzten in der Beratungspraxis oftmals partout abgelehnt, in jedem Fall aber kritisch beäugt. Der Grund dafür ist die Sorge vor erheblichen wirtschaftlichen Einbußen. Denn um eine Leistungsausweitung beim Jobsharing zu verhindern, muss der beantragende Arzt bzw. die beantragende Praxis eine Leistungsmengenbegrenzung akzeptieren, welche der Zulassungsausschuss auf der Grundlage der ihm durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) übermittelten Angaben bestimmt. Festgelegt wird eine quartalsweise Leistungsmengen-/Punktzahlobergrenze, die sich in der Regel am Leistungsumfang der vergangenen vier Quartale orientiert; hinzu kommt ein Aufschlag von drei Prozent des Fachgruppendurchschnitts. 

War der Antragssteller noch keine vier Quartale tätig oder weist er einen im Vergleich zur Fachgruppe unterdurchschnittlichen Praxisumfang auf, wird die Obergrenze nach Maßgabe des Fachgruppendurchschnitts festgesetzt. Diese Obergrenze gilt dann für sämtliche gegenüber der KV abzurechnenden Leistungen, auch für Leistungen, die (beispielsweise aufgrund der Bestimmungen des TSVG) extrabudgetär vergütet werden. Auch ist bei BAGen das gesamte Abrechnungsvolumen der Praxis von der Obergrenze betroffen, nicht nur das Volumen desjenigen Gesellschafters, dem ein Jobsharer tatsächlich zugeordnet ist.

Über-/Unterschreitung der Obergrenze

Wird die festgelegte Obergrenze durch die Leistungsanforderung überschritten, werden die Leistungen insoweit gekürzt.  Ebenso ist aber zu berücksichtigen, dass eine eventuelle Unterschreitung der Punktzahlobergrenze der Praxis im Folgequartal gutgeschrieben wird, was dazu führen kann, dass Praxen ein hohes Punktzahl­volumen aufbauen und vor sich „herschieben“.

Probeabrechnung schafft Klarheit

Nicht selten ist es so, dass die bei Beantragung festgelegte Punktzahlobergrenze zunächst gar nicht erreicht wird. In diesem Fall ist das Jobsharing – häufig für viele Quartale – nicht mit einer Wachstumsbeschränkung bzw. mit wirtschaftlichen Einbußen verbunden. Viele KVen bieten hier sogenannte Modellberechnungen für die Punktzahlobergrenze an. Eine solche Probe­abrechnung führt oftmals dazu, dass die Möglichkeiten des Jobsharings durchaus für Praxen in Betracht kommen.
 

Jobsharing-BAG

Soll ein Arzt als Jobsharing-Partner aufgenommen werden, so ist dies in Form der Neugründung einer BAG oder des Beitritts zu einer bestehenden BAG möglich. Voraussetzung ist die Fachgebietsidentität des bereits zugelassenen Vertragsarztes und des neu hinzukommenden BAG-Partners. Darüber hinaus bedarf es der zuvor beschriebenen Verpflichtung zur Leistungsbeschränkung gegenüber dem Zulassungsausschuss. Der Jobsharing-Partner erhält in diesem Fall eine eingeschränkte Zulassung, die unbefristet, aber an den Bestand der Zulassung des bereits zugelassenen Arztes gebunden ist (sog. vinkulierte Zulassung). Dazu ist erforderlich, dass der Jobsharer einem Arzt der BAG konkret zugeordnet wird. Endet sodann die Zulassung desjenigen Arztes, dem der Jobsharing-Partner zugeordnet ist, endet grundsätzlich auch die Jobsharing-Zulassung, es sei denn ein Praxisnachfolger übernimmt die Zulassung des regulär zugelassenen Arztes.

Vorteile

Ein wesentlicher Vorteil der Jobsharing-BAG ist das Erstarken der Zulassung des Jobsharing-BAG-Partners nach zehn Jahren gemeinsamer Tätigkeit oder bei nachträglicher Entsperrung des Planungsbereichs in eine reguläre Zulassung im Umfang der Versorgungstätigkeit (§ 101 Abs. 3 S. 2 HS 2 SGB V). Werden bei Entsperrung des Planungsbereichs weniger Sitze frei als Jobsharing-BAG-Partner vorhanden sind, erstarken die Jobsharing-Zulassungen in der Reihenfolge der längsten Tätigkeit in eine reguläre Zulassung. Zudem wird der Jobsharing-Partner bereits nach fünf Jahren gemeinsamer ärztlicher Tätigkeit im Rahmen des Nachbesetzungsverfahrens bevorzugt. 

Die Jobsharing-BAG eignet sich somit insbesondere, um trotz gesperrten Planungsbereichs einen Wunschnachfolger im Rahmen der Praxisnachfolge zu etablieren, indem dieser für eine Übergangszeit von mindestens fünf Jahren im Jobsharing eingesetzt wird.

Vorsicht bei Gestaltung des Gesellschaftsvertrags

Bei der Antragstellung ist dem Zulassungsausschuss ein Vertrag über die gemeinsame Berufsausübung vorzulegen, der die Voraussetzungen der Genehmigungsfähigkeit nach § 33 Abs. 3 S. 1 Ärzte-Zulassungsverordnung (Ärzte-ZV) erfüllt. Der Job­sharing-Partner wird gleichberechtigter Partner der BAG, bei der Gestaltung des Gesellschaftsvertrags ist jedoch besondere Sorgfalt geboten. Insbesondere im Hinblick auf die Vermögens- sowie die Gewinnbeteiligung sollten klare Regelungen getroffen werden. Diese sollten der Ausgangssituation Rechnung tragen, insbesondere wenn ein Jobsharing-BAG-Partner einer langjährig bestehenden, etablierten BAG beitritt. Übernehmen hingegen zwei Ärzte eine bisherige Einzelpraxis, wobei die Praxis mit einer Vollzulassung und einer Jobsharing-Zulassung fortgeführt werden soll, muss sichergestellt werden, dass der Jobsharing-BAG-Partner bei Scheitern der Zusammenarbeit gleichwohl eine hälftige Zulassung übernehmen kann. Eine sorgfältige anwaltliche Begleitung ist in diesem Zusammenhang geboten.

Jobsharing-Anstellung 

Für eine Anstellung im Jobsharing bedarf es ebenfalls der Fachgebietsidentität zwischen Vertragsarzt und angestelltem Arzt und der Verpflichtung zur Leistungs­beschränkung. Zu beachten ist bei der Ausgestaltung im Rahmen der Anstellung aber, dass § 101 Abs. 3 S. 2 HS 2 SGB V gerade nicht greift, es also nach zehnjähriger Anstellung im Rahmen des Jobsharings nicht zum Erstarken der Jobsharing-Anstellung in eine bedarfsplanerische Arztstelle kommt. Werden aber Zulassungsbeschränkungen aufgehoben und haben daher die im Planungsbereich nach § 101 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 zugelassenen Ärzte eine Vollzulassung erhalten, ohne dass sich weiterhin eine Überversorgung feststellen lässt, enden dann auch die Beschränkungen der Leistungsbegrenzung der angestellten Ärzte – ebenfalls in der Reihenfolge der längsten Dauer der Jobsharing-Anstellung. Hinzukommt, dass auch die Anstellung im Jobsharing zu einer Privilegierung im Sinne des § 103 Abs. 4 Nr. 6 SGB V, also bei der Auswahl mehrerer Bewerber im Rahmen einer Nachbesetzungsentscheidung des Zulassungsausschusses führen kann, sofern das Anstellungsverhältnis mindestens drei Jahre lang angedauert hat. 

Die Anstellung im Jobsharing ist nicht nur in einer Einzelpraxis, sondern auch in BAGen und Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) möglich. Wenngleich die Grundsätze der persönlichen Leistungserbringung nach § 14 a Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä), die bei der Anstellung von Ärzten grundsätzlich zu beachten sind, auf MVZ nicht angewendet werden, da ein MVZ einen eigenen Zulassungsstatus hat und es sich somit um eine Art institutionelle Leistungserbringung handelt, ist gleichwohl eine gewisse Vorsicht geboten: bei einer nur überschaubaren Anzahl von Versorgungsaufträgen in einem MVZ kommt es vor, dass die Zulassungsausschüsse sogenannte besondere Versorgungskonzepte anfordern, wenn eine größere Anzahl von Jobsharing-Angestellten im MVZ tätig sind bzw. tätig werden sollen.

Auf einen Blick

Jobsharing-BAG

Jobsharing-Anstellung

 
  • Aufnahme eines BAG-Partners bei Praxisneugründung oder Beitritt in Bestandspraxis möglich
  • Fachgebietsidentität zwischen
    Vertragsarzt und BAG-Partner
  • Verpflichtung zur Leistungs­beschränkung
  • vinkulierte Zulassung des BAG-Partners ist an die des Arztes mit regulärer Zulassung gebunden
  • nach zehn Jahren gemeinsamer Praxistätigkeit erstarkt die vinkulierte Zulassung des BAG-Partners in eine reguläre Zulassung
  • nach mindestens fünf Jahren gemeinsamer Praxis­tätigkeit kann der BAG-Partner bei einem eventuellen Nachbesetzungsverfahren vom Zulassungsausschuss bevorzugt werden
  • im Gesellschaftsvertrag klare Regelungen zur Vermögens- und Gewinnbeteiligung treffen
 
 
  • Anstellung in Einzelpraxis, BAG oder MVZ möglich (Vorsicht bei größerer Anzahl von Jobsharing-Angestellten im MVZ)
  • Fachgebietsidentität zwischen
    Vertragsarzt und angestelltem Arzt
  • Verpflichtung zur Leistungs­beschränkung
  • kein Erstarken der Jobsharing-­Anstellung in eine bedarfsplane­rische Arztstelle nach zehn Jahren
  • werden Zulassungsbeschränkungen in einem Planungsbereich aufgehoben, erhalten zuerst die im Jobsharing zugelassenen Ärzte Vollzulassungen, sofern dann weiterhin keine Überversorgung festgestellt wird, erstarken auch Jobsharing-­Anstellungen
  • nach mindestens drei Jahren gemeinsamer Praxis­tätigkeit kann der angestellte Arzt bei einem eventuellen Nachbesetzungsverfahren vom Zulassungsausschuss bevorzugt werden
 

 

Fazit

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass je nach individueller Situation der Praxis das Jobsharing in einer der möglichen Konstellationen eine sinnvolle Gestaltungsmöglichkeit darstellen kann. Einer Entscheidung für oder gegen das Jobsharing sollte in jedem Fall eine sorgfältige Prüfung der Optionen vorausgehen. 

Veronika Poulheim
Rechtsanwältin, Fach­anwältin für Medizinrecht
Kanzlei am Ärztehaus
Oberländer Ufer 174
50968 Köln
0221 3406696-0
v.poulheim@kanzlei-­am-aerztehaus.de
www.kanzlei-am-aerztehaus.de

Anika Mattern
Rechtsanwältin
Kanzlei am Ärztehaus
Dorpatweg 10
48159 Münster
0251 2707688-0
a.mattern@kanzlei-am-­aerztehaus.de
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