Lost in Translation? Die Herausforderung der Aufklärung fremdsprachiger Patienten

Die Behandlung fremdsprachiger Patienten* gehört zum Alltag eines jeden Arztes. Nicht selten stellt eine Sprachbarriere den Arzt insbesondere mit Blick auf das Erfordernis der verständlichen Aufklärung nach § 630e Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vor eine Herausforderung. Welche Anforderungen gelten an die Aufklärung von fremdsprachigen Patienten? Ein Überblick.

Die Verständliche Aufklärung§ 630e Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB 

Der Paragraf fordert, dass die Aufklärung für den konkreten Patienten sprachlich und inhaltlich verständlich sein muss. Die Anforderungen an die Aufklärung müssen sich am Empfängerhorizont des individuellen Patienten orientieren, was einen übermäßigen Gebrauch der medizinischen Terminologie ausschließt. Es kommt darauf an, dem Patienten einen zutreffenden allgemeinen Eindruck von der Schwere des Eingriffs und der Art der Belastungen zu vermitteln, die sich für seine Gesundheit und Lebensführung aus dem Eingriff ergeben können. 

Achtung: Die Beweislast für die Verständlichkeit der Aufklärung trägt der Behandelnde (§ 630h Abs. 2 BGB). 

Bei fremdsprachigen Patienten hat der Arzt sich aufgrund des Erfordernisses der Verständlichkeit nach § 630e Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB sorgfältig zu vergewissern, ob der Patient die deutschen Erklärungen versteht. 

Verfügt der Patient über ausreichende Deutschkenntnisse, sodass er dem Aufklärungsgespräch grundsätzlich folgen kann und erhält er Gelegenheit, Unklarheiten und Missverständnisse durch Rückfragen auszuräumen, ist den gesetzlichen Anforderungen Genüge getan. 

Was tun, wenn der Patient kein deutsch spricht?

Bei einem der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtigen Patienten, muss der Arzt zum Aufklärungsgespräch eine sprachkundige Person hinzuziehen. Das bedeutet allerdings nicht, dass an dem Aufklärungsgespräch zwingend ein professioneller Dolmetscher mitwirken muss. Vielmehr ist es ausreichend, wenn auf sonstige Weise sichergestellt wird, dass der Patient die Informationen verstanden hat, etwa weil Mitarbeiter der Praxis (z. B. eine Medizinische Fachangestellte oder eine Reinigungskraft), ein Familienangehöriger oder auch ein Mitpatient zugegen war, der oder die sowohl die Sprache des Patienten als auch diejenige des Arztes spricht und das Aufklärungsgespräch übersetzen konnte.

Cave! Für das Hinzuziehen eines Übersetzers ist die Zustimmung des Patienten erforderlich. Sollte der Patient diese Zustimmung nicht erteilen, empfiehlt es sich, die beabsichtigte Behandlung nicht vorzunehmen, sofern es sich nicht um eine Notfallbehandlung handelt.

Übersetzung durch Angehörige

Soll die Übersetzung beispielsweise durch einen Familienangehörigen des Patienten erfolgen, kann der aufklärende Arzt sich nicht darauf verlassen, dass der Angehörige das Aufklärungsgespräch inhaltlich korrekt und vollständig übersetzt. Nach der Rechtsprechung hat der Arzt 

 

  1. sich einen ungefähren Eindruck von den sprachlichen Fähigkeiten des Übersetzers zu verschaffen, 
  2. durch eigene Beobachtung festzustellen, dass dem Patienten der Inhalt des Gesprächs übersetzt wird, wobei die Vollständigkeit der Übersetzung z. B. aus der Länge des Übersetzungsvorgangs geschlussfolgert werden kann, 
  3. sich durch Rückfragen an den Patienten einen Eindruck davon zu verschaffen, ob dieser die Aufklärung tatsächlich verstanden hat, 
  4. bei verbleibenden Zweifeln an der ordnungsgemäßen Übersetzung einen professionellen Dolmetscher hinzuzuziehen.

Merke: Die Kosten für einen professionellen Dolmetscher hat der Patient zu tragen, da es an krankenversicherungsrechtlichen Regelungen zur Kostenübernahme fehlt. 
 

Folgen einer unverständlichen Aufklärung

War die Aufklärung für den sprachunkundigen Patienten sprachlich bzw. inhaltlich nicht verständlich, ist die Einwilligung in die Durchführung einer medizinischen Maßnahme unwirksam (§ 630d Abs. 2 BGB). Führt der Arzt die Behandlung dennoch durch, verletzt er nicht nur das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, sondern auch seine Pflichten im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB. Auch wenn nachträgliche Befunde eine Indikation für den Eingriff ergeben, rechtfertigt dieser Umstand den Eingriff nicht und es bleibt bei der Vertragsverletzung. Allein daraus folgt nach der Rechtsprechung aber noch keine Haftung des Behandelnden auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld. Ein Anspruch wird dem Patienten nur zugesprochen, wenn er infolge der Behandlung einen Schaden an Körper oder Gesundheit erlitten hat.

Alternativ kommen infolge der Rechtswidrigkeit der Behandlung auch deliktsrechtliche Ansprüche nach §§ 823 Abs. 1, 831, 31, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 229 Strafgesetzbuch (StGB) in Betracht.

Zudem kann eine unzureichende Aufklärung des Patienten schlimmstenfalls eine Strafbarkeit des Arztes wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Köperverletzung oder fahrlässiger Tötung begründen. Durch die fehlerhafte Aufklärung wird die Einwilligung des Patienten unwirksam und damit ist der ärztliche – auch der medizinisch gebotene und fachgerecht ausgeführte – Eingriff rechtswidrig.

PraxistippsDa die Rechtsprechung bislang nicht näher konkretisiert hat

  • wie sich der aufklärende Arzt einen Eindruck von den sprachlichen Fähigkeiten des Übersetzers machen soll,
  • wie der Arzt bereits aus der Länge des Übersetzungsvorgangs auf die Vollständigkeit der Übersetzung schließen können soll,
  • und wie sich der Arzt durch Rückfragen davon überzeugen soll, dass der Patient den Inhalt des Gesprächs verstanden hat,

empfiehlt es sich,

  • die Hinzuziehung eines Übersetzers – einschließlich seines Namens und seines Verhältnisses zum Patienten – schriftlich festzuhalten und ggf. gegenzeichnen zu lassen;
  • zu dokumentieren, auf welche Art und Weise der Behandelnde sich von den ausreichenden Sprachkenntnissen des Übersetzers überzeugt hat;
  • in der Praxis Listen mit sprachkundigen Übersetzern aus dem Personal zu erstellen;
  • vorgefertigte Aufklärungsbögen in verschiedenen Sprachen bereitzustellen und unterstützend heranzuziehen;
  • ggf. ärztliche Ausführungen durch Zeichnungen und Skizzen zu illustrieren. 

 


*Zur besseren Lesbarkeit kann in Texten das ­generische Maskulinum verwendet werden. ­Nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige aller Geschlechter.

Victoria Hahn
Rechtsanwältin
Lehrbeauftragte der Hochschule Osnabrück
Kanzlei am Ärztehaus
Dorpatweg 10
Germania Campus
48159 Münster
0251 270 76 88-0
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