Vertragsärztin oder Vertragsarzt gesucht – Ein Leitfaden für die (Neu-)Zulassung im reaktivierten Planungsbereich

Der Facharztmangel ist in aller Munde. Auch in der vertragsärztlichen Versorgung wird im Rahmen der Bedarfsplanung regelmäßig überprüft, ob und wenn ja in welchem Umfang weitere Vertragsärzte* benötigt werden, um eine ausreichende und flächendeckende Versorgung von Patienten sicherzustellen. Für Niederlassungswillige ist das die Chance, verhältnismäßig kostengünstig eine Praxis aufzubauen. Bereits Niedergelassene erhalten so die Gelegenheit, ihre Praxis zu erweitern. Ein Leitfaden.

Der Landesausschuss überprüft auf der Grundlage des von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) aufgestellten Bedarfsplans halbjährlich den Stand der Versorgung in jeder Arztgruppe und dem dazugehörigen Planungsbereich. Kommt er zu dem Ergebnis, dass eine Überversorgung nicht mehr besteht, so erlässt er einen sogenannten Aufhebungsbeschluss. Der Aufhebungsbeschluss wird mit der Auflage versehen, dass Zulassungsbeschränkungen im Planungsbereich in einem Umfang aufgehoben werden, bis für die jeweilige Arztgruppe Überversorgung (wieder) eingetreten ist. Der Aufhebungsbeschluss (inkl. der freien Zulassungen/Anstellungen) wird sodann zum nächstmöglichen Zeitpunkt in den für amtliche Bekanntmachungen der KV vorgesehenen Blättern veröffentlicht. Diese sind zumeist auch online auf der Homepage der jeweiligen KV abrufbar. 


Praxishinweis

Niederlassungswillige sollten deshalb regelmäßig auf der Homepage ihrer KV prüfen, ob der Landesausschuss entsprechende Aufhebungsbeschlüsse gefasst hat. Im Bezirk der KV Westfalen-Lippe werden die Beschlüsse beispielsweise jeweils im Mai und im November eines jeden Jahres gefasst.


Innerhalb der veröffentlichten Bewerbungsfrist – in der Regel sechs bis acht Wochen – müssen potenzielle Bewerber ihre Zulassungsanträge abgeben und die hierfür erforderlichen Unterlagen gemäß § 18 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) beibringen. Unvollständige Anträge sind im folgenden Auswahlverfahren nicht zu berücksichtigen. Hierzu gibt es keine Ausnahmen, insbesondere der Vertragsarztsitz muss konkret benannt werden. Besteht daher der Wunsch der Neuniederlassung und ist absehbar, dass der Planungsbereich in der eigenen Arztgruppe partiell entsperrt wird, lohnt es, sich bereits vorab generell Gedanken über die Umsetzung zu machen. Sechs bis acht Wochen sind bekanntermaßen ein sehr kurz bemessener Zeitraum, um das Vorhaben Praxisneugründung auf ein tragfähiges Fundament zu stellen.

Auswahlverfahren

Nach Ablauf der Bewerbungsfrist erfolgt das Auswahlverfahren auf der Grundlage des § 26 Abs. 4 Nr. 3 der Bedarfsplanungs-Richtlinie. Darin heißt es:

Kriterien im Auswahl­verfahren
„Unter mehreren Bewerbern entscheidet der Zulassungsausschuss nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung folgender Kriterien:
  • berufliche Eignung,
  • Dauer der bisherigen ärztlichen Tätigkeit,
  • Approbationsalter,
  • Dauer der Eintragung in die Warteliste gemäß § 103 Absatz 5 Satz 1 SGB V,
  • bestmögliche Versorgung der Versicherten im Hinblick auf die räumliche Wahl des Vertragsarztsitzes,
  • Entscheidung nach Versorgungsgesichtspunkten (s. z. B. Fachgebietsschwerpunkt, Feststellungen nach § 35),
  • Belange von Menschen mit Behinderung beim Zugang zur Versorgung.“
 

 

Die Auswahlkriterien unterliegen grundsätzlich keiner Rangfolge. Sie sind vom Zulassungsausschuss im Einzelfall abzuwägen und zu gewichten. Jüngst hat das LSG München allerdings entschieden, dass die Bewerbung eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ), bei dem die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte nicht bei Ärzten liegt, die in dem MVZ als Vertragsärzte tätig sind, gegenüber den übrigen Bewerbern nachrangig zu berücksichtigen ist. Steht in einem Auswahlverfahren ein solches MVZ einem Arzt gegenüber, so wird der Nachrang im Rahmen dieser Auswahlentscheidung als weiteres, gewichtiges Kriterium gewertet und die Auswahlentscheidung höchstwahrscheinlich zugunsten des Arztes ausgehen; es sei denn, andere Kriterien, beispielsweise die Wahl des Vertragsarztsitzes, werden höher gewichtet als der Nachrang.

Hinsichtlich der Kriterien der beruflichen Eignung/Dauer der ärztlichen Tätigkeit ist anerkannt, dass fünf Jahre fachärztliche Tätigkeit genügen, um ausreichend ärztliches Erfahrungswissen gewonnen zu haben. Stehen sich im Auswahlverfahren zwei Bewerber gegenüber, die beide mehr als fünf Jahre fachärztlich tätig sind, werden sie als gleichrangig hinsichtlich des Kriteriums der Dauer der ärztlichen Tätigkeit betrachtet. Es werden dann andere Kriterien ausschlaggebend für die Auswahlentscheidung sein.

Es empfiehlt sich zudem, sich frühzeitig in die Warteliste eintragen zu lassen, obschon dies nur ein formelles, nicht qualifikationsaussagendes Kriterium ist, das im Rahmen der Auswahlentscheidung letztendlich nur eine untergeordnete Rolle spielen dürfte.


Praxishinweis

Niederlassungswillige sollten bei der Bewerbung ein Hauptaugenmerk auf die drei letzten Spiegelstriche werfen, die Versorgungsgesichtspunkte betreffen. Wird insbesondere der Vertragsarztsitz mit Bedacht gewählt, kann sich der Niederlassungswillige positiv von den anderen Antragstellern abheben und im Auswahlverfahren punkten.


Was bedeutet das konkret? Ist die Neuniederlassung beabsichtigt, so empfiehlt sich frühzeitig, am besten vor der gesetzten Bewerbungsfrist, die tatsächliche Versorgungssituation in dem Planungsbereich der eigenen Arztgruppe zu analysieren. Wie sind die bereits niedergelassenen Vertragsärzte qualifiziert und unterscheide ich mich von diesen durch Schwerpunkte und Zusatzbezeichnungen? Wo sind die Vertragsärzte konkret niedergelassen und in welchen Teilen des Planungsbereiches besteht eventuell eine lokale Unterversorgung? Diese Erkenntnisse sind dann vom Niederlassungswilligen auszuwerten und für sich konkret im Antrags- und Auswahlverfahren zu nutzen.


Praxishinweis

Die Chancen, das Auswahlverfahren für sich zu entscheiden, steigen immens, wenn die Zulassung an einem weniger gut versorgten Ort des Planungsbereichs beantragt wird.


Die größte Herausforderung besteht für Niederlassungswillige darin, die geeigneten Praxisräume zu finden und sich diese während des Auswahlverfahrens zu sichern. Regelmäßig endet das Auswahlverfahren nicht mit dem Beschluss des Zulassungsausschusses, sondern wird vor dem Berufungsausschuss einer Kontrolle unterzogen, wenn einer der Verfahrensbeteiligten Widerspruch gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses einlegt. Besondere Vorsicht ist deshalb im Rahmen der Gestaltung des Mietvertrags geboten. Die bestandskräftige Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung sollte zwingend als aufschiebende Bedingung in den Mietvertrag integriert werden, um böse, insbesondere finanzielle Überraschungen und Folgen am Ende auszuschließen. Es empfiehlt sich deshalb frühzeitig, einen Rechtsanwalt mit ins Boot zu holen, der das eigene Vorhaben juristisch begleitet.
 

Bewerbung mit einem angestellten Arzt

Auch bereits niedergelassene Ärzte können sich zur Erweiterung ihrer Praxis mit einem angestellten Arzt bewerben. Die Anträge auf Genehmigung der Anstellung eines Arztes sind gleichrangig im Auswahlverfahren zu berücksichtigen. Maßgeblich ist bei der Auswahlentscheidung die Qualifikation des anzustellenden Arztes.

Der Vertragsarzt, der einen Arzt in seiner Praxis neu anstellen möchte, muss diesen bereits bei der Antragstellung zwingend namentlich nennen. Kann er dies nicht, so ist der Antrag nicht berücksichtigungs­fähig. Steht der anzustellende Arzt im laufenden Auswahlverfahren nicht mehr zu Verfügung, erledigt sich das Auswahlverfahren. Der anstellende Vertragsarzt kann keinen anzustellenden Arzt nachnominieren, unabhängig vom Grund für den Ausfall.

Fazit
Mit einer langfristigen und strategischen Planung kann der Niederlassungswillige das Auswahlverfahren zu seinen Gunsten beeinflussen. Die Antragstellung und die erforderlichen Vorbereitungen sollten daher wohlüberlegt und gut geplant erfolgen, um die eigenen Chancen zu erhöhen. Insbesondere die Wahl des (projektierten) Praxissitzes im Fall der eigenen Niederlassung oder die vorausschauende Auswahl des Arztes, der zur Erweiterung der bestehenden Praxis angestellt werden soll, stellen Möglichkeiten dar, sich von anderen Antragstellern abzuheben.

 

* Zur besseren Lesbarkeit kann in Texten das ­generische Maskulinum verwendet werden. ­Nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige aller Geschlechter.

Dina Gebhardt
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Medizinrecht
Kanzlei am Ärztehaus
Dorpatweg 10
48159 Münster
d.gebhardt@kanzlei-am-aerztehaus.de
www.kanzlei-am-aerztehaus.de

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