Steuerliche Überlegungen vor Praxisabgabe

Um zum Zeitpunkt der Praxisabgabe gut vorbereitet zu sein, sollte sich der Praxisinhaber bereits mindestens zwei Jahre vorher mit dem Thema: „Ende der Praxistätigkeit“ auseinandersetzen. Aber was gibt es in diesem Zusammenhang alles zu beachten?

Zunächst gilt es sich mit der zukünftigen Einkommenssituation zu befassen. Also damit, was nach dem Praxisverkauf an finanziellen Mitteln weiterhin zur Verfügung steht. Hier ist insbesondere die Klärung der späteren Renten- bzw. Versorgungsbezüge sowie weiterer Einkünfte bedeutsam. Es ist insoweit darauf zu achten, dass ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, um die monatlichen Kosten der privaten Lebensführung sowie der Kranken- und Pflegeversicherung und der weiteren fixen Ausgaben (z. B. weitere Versicherungen) decken zu können. 

Gemeinsam mit dem steuerlichen Berater sollte berechnet werden, welche laufenden Einnahmen (z. B. Vermietungs-, Renten­einkünfte) zukünftig zur Verfügung stehen. Diesem Betrag ist die Summe der voraussichtlich monatlich anfallenden Ausgaben gegenüberzustellen. Das Ergebnis zeigt im Einzelfall deutlich auf, ob die notwendige Liquidität vorhanden ist, um den individuellen Lebensstandard auch nach dem Ende der Praxistätigkeit beibehalten zu können. Hierbei muss auch beachtet werden, ob noch Darlehen bestehen, die eventuell auch nach dem Praxisverkauf zu bedienen sind. Dies könnte dann der Fall sein, wenn noch eine Zinsfestschreibung besteht und die Darlehen somit nicht zeitnah und kostenfrei aus dem Praxisverkaufserlös abgelöst werden können.

Zeitliche Planung des Abgabezeitpunkts 

Aus steuerlicher Sicht ist es von großer Bedeutung zu welchem Zeitpunkt die Praxis­tätigkeit beendet wird. Vorweggesagt, grundsätzlich ist das Jahresende (31.12.) der denkbar ungünstigste Zeitpunkt.

Warum?

Bei Medizinern wird üblicherweise der Gewinn aus der Praxistätigkeit nach der sog. Einnahme-Überschuss-Rechnung ermittelt. Hierbei werden die tatsächlich erzielten Einnahmen den anfallenden Praxis­ausgaben im Zahlungszeitpunkt gegenübergestellt. 

Bei einer Praxisveräußerung ist jedoch steuerrechtlich ein Wechsel des Gewinn­ermittlungsverfahren (sog. Bilanzierung) vorgeschrieben. Dies bedeutet, dass zum gewählten Endzeitpunkt sämtliche ausstehenden Praxiseinnahmen und natürlich auch die eventuell noch später anfallenden Praxisausgaben im gewählten Abgabezeitpunkt steuerlich als Forderungen und Verbindlichkeiten zu erfassen sind. Dies trifft insbesondere die noch ausstehenden KV-Restzahlungen, die ja zeitlich versetzt ausgezahlt werden. Bei einer Praxisabgabe zum Jahresende sind diese ausstehenden Zahlungen (Forderungen) noch im Jahr der Beendigung zu versteuern. Diese Zurechnung kann im Einzelfall von großem Nachteil bei der Gesamtsteuerbelastung sein.


Zur Vermeidung dieser Problematik wird als Endzeitpunkt der 02.01. des Folgejahres empfohlen. Dadurch werden die nachlaufenden Einnahmen und Ausgaben sowie der Veräußerungsgewinn erst im Folgejahr – nach Beendigung der aktiven Tätigkeit – besteuert und so eine niedrigere Steuerbelastung generiert.


Klärung von Vertragsverhältnissen

In vielen Fällen bestehen Vertragsverhältnisse (Dauerschuldverhältnisse) mit Geschäftspartnern. Hierzu zählen z. B. Leasingverträge für medizinische Geräte, Praxisfahrzeuge oder auch Handy-Verträge. Derartige Verträge werden nicht immer von einem möglichen Nachfolger übernommen. Hier ist es notwendig im Vorfeld mit dem Anbieter die weitere Vorgehensweise und die Möglichkeit der Ablösung zu klären.

Praxismietvertrag nicht vergessen

Nicht zu vergessen ist auch die Notwendigkeit einen bestehenden Mietvertrag für die Praxisräume näher zu beleuchten. Nicht in allen Fällen ist eine sog. „Nachfolge-­Regelung“ im Vertrag enthalten. Hier muss mit dem Vermieter Kontakt aufgenommen werden, um die Möglichkeit zu schaffen, dass auch der potenzielle Nachfolger den Mietvertrag fortsetzen kann.


Wichtig: Soweit ein Nachfolger die bisherigen Praxisräume nicht weiter nutzen möchte, ist – zur Vermeidung von finanziellen Nachteilen – auf die Kündigungsfristen im Mietvertrag zu achten. 


auf einen BlickEinkommenssituation 

  • Renten- bzw. Versorgungsbezüge und weitere Einkünfte klären 
  • laufende Einnahmen berechnen und Summe der voraussichtlich monatlich anfallenden Ausgaben gegenüberstellen
  • wenn möglich, Darlehen zeitnah aus dem Praxisverkaufserlös ablösen

Abgabezeitpunkt geschickt wählen

  • den 02.01. des Folgejahres als Abgabezeitpunkt wählen, um eine niedrigere Steuerbelastung zu erreichen

Vertragsverhältnisse übertragen

  • im Vorfeld die Möglichkeit der Ablösung aus Vertragsverhältnissen erörtern
  • Kontakt mit Vermieter für die Praxisräume aufnehmen, um eine Nachfolge-Regelung im Praxismietvertrag zu schaffen

Weiterarbeit in Anstellung beim Praxiserwerber

  • steuerlich unbedenkliche Option der Weiterarbeit nach Praxisabgabe
  • persönliche Fragestellungen für sich klären

Praxiswert ermitteln und Kaufpreis festlegen

  • anhand des Anlageverzeichnisses der Praxis klären, welche im Praxisvermögen befindlichen Wirtschaftsgüter:
    • mitveräußert werden sollen
    • ins Privatvermögen übernommen werden sollen
  • Kommen Maßnahmen zur Wertsteigerung infrage? Neuanschaffungen können z. B. noch abgeschrieben werden

Praxis-Wertgutachten

  • eine mögliche Option, um einen realistischen und optimalen Kaufpreis zu erzielen

Weiterarbeit trotz Abgabe

Häufig möchte der abgebende Arzt auch noch eine gewisse Zeit im Angestelltenverhältnis weiterarbeiten. Diese Konstellation „Anstellung beim Praxiserwerber“ hat gewisse Vor- aber auch Nachteile, die nachfolgend beleuchtet werden.

Vorteilhaft ist, dass der die Praxis abgebende Arzt nicht „von jetzt auf gleich“ seine aktive Tätigkeit einstellen muss, sondern noch ein wenig in seiner gewohnten Umgebung weiterarbeiten kann. Steuerlich ist diese Gestaltung unproblematisch und es besteht grundsätzlich keine Gefahr steuerliche Begünstigungen (wie Freibetrag und ermäßigter Steuersatz) im Rahmen des Praxisverkaufs zu verlieren. 

Persönliche Entscheidungen

Aber genau hier liegt auch das zwischenmenschliche Problem, mit welchem sich jeder Arzt gedanklich auseinandersetzen sollte. Nämlich mit der Problematik: 
Möchte ich in meiner ehemals eigenen Praxis angestellt und nicht mehr der „Chef“ sein? 
Bin ich bereit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses Anweisungen des neuen „jungen Kollegen“ zu befolgen?  
Diese Entscheidung muss jeder Arzt für sich selbst treffen. 

Vorteilhaft kann es jedoch für den bisherigen Praxisinhaber sein, denn er kann so einen gleitenden Übergang von der aktiven Tätigkeit in den wohlverdienten Ruhestand realisieren. Der positive Nebeneffekt, dass auch noch weiterhin zusätzliche Einkünfte erzielt werden können, sollte nicht unerwähnt bleiben.
Darüber hinaus ist es für den Käufer der Praxis sehr vorteilhaft, wenn er den erfahrenen Kollegen noch um Rat bitten kann und so von seiner Erfahrung profitiert. Auch die Patienten können sich langsam an den „neuen“ Arzt gewöhnen und ein Vertrauensverhältnis zu ihm aufbauen.

Praxiswert und Kaufpreis

Um die Praxiswertermittlung im materiellen Bereich zu erleichtern, sollte bereits im Vorfeld das Anlageverzeichnis der Praxis durchgesehen und geklärt werden, ob wirklich noch alle dort aufgeführten Wirtschaftsgüter vorhanden sind. Bei dieser Durchsicht sollte auch festgelegt werden, ob wirklich alle im Praxisvermögen enthaltenen Wirtschaftsgüter definitiv mitveräußert werden sollen oder ob bestimmte Posten ins Privatvermögen übernommen werden sollen. 

Maßnahmen zur Wertsteigerung in Betracht ziehen

  • Um den Wert der Gesamtpraxis zu steigern und die Praxis für einen potenziellen Nachfolger attraktiver zu machen, könnten notwendige Renovierungen bzw. Instandhaltungen vorgenommen werden.
  • Auch die Neuanschaffung von neuen modernen Geräten ist im Einzelfall zu überdenken. Denn über die steuerliche Abschreibung während der aktiven ärztlichen Tätigkeit kann eine entsprechende Steuerersparnis generiert werden. Dies gilt insbesondere für gut gehende Praxen mit einem hohen Gewinnpotenzial und einer Spitzensteuerbelastung auf Ebene des Praxis­inhabers.

Die Zielrichtung lautet:
Ausgaben über die Abschreibung bei einem (noch) hohen Steuersatz (rund 48 % inkl. Nebenabgaben) steuerlich abzusetzen und die zusätzliche Wert­erhöhung der Praxis – gemessen am gestiegenen Praxis-Verkaufspreis – mit dem sog. ermäßigten Steuersatz (rund 25 %) zu versteuern.


Praxis-Wertgutachten notwendig?

Für die Bewertung der Praxis empfiehlt der Praktiker sich an einen auf Heilberufler spezialisierten Steuerberater, Rechtsanwalt oder einen Gutachter zu wenden. Diese Partner sollten auch aktiv in die Verhandlungen des Kaufpreises eingebunden werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass im Einzelfall und unter Beachtung der vorliegenden Gesamtumstände ein realistischer und optimaler Praxis-Gesamtwert ermittelt wird. Denn ein angemessener Kaufpreis soll die Gegenleistung für die Abgabe seines Lebenswerkes verkörpern. 

Dennis Balharek 
Bachelor of Arts in Business Administra­tion (B. A.)
Steuerberater, Teamleiteralpha Steuerberatungs­gesellschaft mbH
Bantzerweg 3, 35396 
Gießen, 0641/3002 475 
d.balharek@alpha-steuer.de

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