Lohnt es sich, private Krankenversicherungsbeiträge ins Erwerbsleben vorzuverlagern?
Ein seit langem bekanntes Steuersparmodell, insbesondere für privat Krankenversicherte, ist die bewusste Gestaltung der Zahlungszeitpunkte der Beiträge, um damit andere Versicherungsbeiträge für die Alters- und Risikovorsorge (Haftpflicht, Berufsunfähigkeit, Risiko-Lebensversicherungen etc.) steuerlich wirksam werden zu lassen (sogenanntes Doppelzahlungsmodell der Krankenversicherungsbeiträge). Durch eine kleine, aber feine Rechtsänderung kann dieses Modell seit dem 01.01.2020 deutlich ausgeweitet werden. Neben einer erweiterten Vorauszahlungsmöglichkeit können jetzt auch Überlegungen zur Nutzung eines sinkenden Steuersatzes in der Rentenphase einbezogen werden.

Steuerliche Grundlagen
Die steuerliche Abzugsfähigkeit des sonstigen Vorsorgeaufwands ist betragsmäßig begrenzt. In Abhängigkeit vom Sozialversicherungsstatus beträgt die Höchstgrenze:
- für Ledige: 1.900 € oder 2.800 €
- für Ehepaare (je nach Konstellation): mind. 3.800 € bis max. 5.600 €
Die meisten Steuerpflichtigen* überschreiten diese Grenze allein durch die vorrangig abzuziehenden Krankenversicherungsbeiträge. Alle anderen sonstigen Vorsorgeaufwendungen werden damit faktisch steuerlich nicht berücksichtigt.
Der Grundfall (Doppelzahlungsmodell)
Vorsorgeaufwand gehört zu den sogenannten Sonderausgaben. Diese sind steuerlich immer in dem Jahr zu berücksichtigen, in dem sie gezahlt werden und nicht in dem Jahr, für das die Beiträge bezahlt werden. Diesen Umstand kann man jetzt geschickt nutzen, wenn ein paar Rahmenbedingungen beachtet werden, auf die folgend noch eingegangen wird.
Beispielrechnung des Doppelzahlungsmodells | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Beitrag zur Krankenversicherung (für beide Eheleute): 12.000 p. a. Übrige Versicherungsbeiträge (soweit sonstiger Vorsorgeaufwand):5.600 p. a. Grenzsteuersatz Einkommensteuer (ohne Kirchensteuer):42 %
|
Wenn man die Krankenversicherungsbeiträge für das Folgejahr (z. B. 2023) bis zum 19.12. des aktuellen Jahres vorauszahlt, können in 2022 die Krankenversicherungsbeiträge für beide Jahre (2022 und 2023) steuerlich voll geltend gemacht werden.In 2023 werden dann keine Krankenversicherungsbeiträge gezahlt und die anderen sonstigen Vorsorgeaufwendungen (Beiträge zu Haftpflicht-, Berufsunfähigkeits-, Risiko- und „alten“ Kapital-Lebensversicherungen1 etc.) können innerhalb des Höchstbetrags steuerlich wirksam angesetzt werden. Man hat sie
sozusagen freigeschaufelt.
Um diesem Gestaltungsmodell eine gewisse Grenze zu setzen, hatte der Gesetzgeber bis zum 31.12.2019 geregelt, dass mit steuerlicher Wirkung maximal 2,5 Jahresbeiträge vorausgezahlt werden können. Die praktische Umsetzung dieser Gestaltung beruhte deshalb auf dem Konzept:
a) Im ersten Jahr werden die Beiträge für zwei Jahre bezahlt.
b) Im zweiten Jahr werden keine Krankenversicherungsbeiträge gezahlt.
c) Im dritten Jahr werden die Beiträge für zwei Jahre bezahlt.
d) usw.
Bei Eheleuten muss diese Zahlungsmethodik parallel angewandt werden, damit sie funktioniert. Die Wirkungsweise und der steuerliche Vorteil2 ist in Tabelle 1 dargestellt.
Führt man diese Betrachtung über einen Zeitraum von beispielsweise zwölf Jahren weiter, erkennt man das Potenzial der Gestaltung. Dann beträgt der Vorteil bereits 14.112 € bzw. ein durchschnittlicher Vorteil von 1.176 € pro Jahr.
Beispielrechnung bei Dreifach-Vorauszahlung | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Beitrag zur Krankenversicherung (für beide Eheleute): 12.000 p. a. Übrige Versicherungsbeiträge (soweit sonstiger Vorsorgeaufwand):5.600 p. a. Grenzsteuersatz Einkommensteuer (ohne Kirchensteuer):42 %
|
Erweiterung durch eine neue Rechtslage
Seit 2020 können drei zusätzliche Jahresbeiträge vorausgezahlt werden (vorher: 2,5). Diese Änderung klingt klein, hat es aber in sich. Jetzt kann man faktisch die steuerliche Abzugsfähigkeit nicht mehr nur jedes zweite Jahr, sondern in drei von vier Jahren heben. Das Grundprinzip der Vorauszahlung bleibt dabei gleich (s. Tab. 2).
Führt man diese Betrachtung über einen Zeitraum von z. B. zwölf Jahren weiter, erhöht sich der Gesamtvorteil auf 21.168 € bzw. ein durchschnittlicher Vorteil von 1.764 € pro Jahr. Man kann also die Steuerwirkung um 588 € pro Jahr bzw. 50 % verbessern.
Was ist der Preis, den man für diesen Steuervorteil bezahlen muss? Man muss liquiditätsmäßig in Vorleistung gehen.
2022 | Ende 2022 werden gegenüber der laufenden Beitragszahlung 36.000 € mehr Beiträge gezahlt. |
2023 | 2023 zahlt man 12.000 € Beiträge weniger und bekommt mit dem Steuerbescheid für 2022 ca. 12.100 € Steuerersparnis zurück. |
2024 | In 2024 zahlt man wiederum 12.000 € weniger Beiträge. Man muss allerdings 1.680 € mehr Steuern zahlen. Die Vorleistung beträgt noch 1.580 €. |
2025 | Ende 2025 zahlt man wieder keine Beiträge und zahlt 1.680 € Steuern mehr. Jetzt ist man im Plus. |
Wenn man dieses Modell regelmäßig wiederholt, sinkt die Vorleistung, weil man von den zusätzlichen Vorauszahlungen von 36.000 € für die drei Folgejahre die bereits erzielten Steuerersparnisse abziehen muss.
Ausnutzung von niedrigeren Steuersätzen im Rentenalter
Die neue Rechtslage formuliert im Gesetzestext des § 10 Einkommensteuergesetz (EStG): „Mit steuerlicher Wirkung können maximal drei zusätzliche Jahresbeiträge geleistet werden.“ Daraus ergibt sich eine interessante Überlegung für alle diejenigen privat Krankenversicherten, die
a) über eine ausreichende Liquidität verfügen.
b) im Rentenalter einen niedrigeren Steuersatz haben werden als im Erwerbsleben.
c) bei einer privaten Krankenversicherung sind, die das folgende Modell auch akzeptiert.
Die meisten privaten Krankenversicherungen akzeptieren dies, aber nicht alle. Eine individuelle Anfrage ist nötig. Dieses Modell ist mit einer gesetzlichen Krankenversicherung in der Praxis nicht umsetzbar.
Wenn man beabsichtigt in den nächsten drei bis fünf Jahren in Rente zu gehen, könnte man in jedem Jahr bis zu drei zusätzliche Jahresbeiträge vorauszahlen und mit den hohen Erwerbseinkünften verrechnen. Sobald man in Rente ist, muss man dann viele Jahre keine Krankenversicherungsbeiträge mehr zahlen, deren Steuerwirkung auch deutlich geringer wäre.
Ein berechtigtes Grundbedenken wird hier direkt ausgeräumt: Die vorausgezahlten Krankenversicherungsbeiträge werden auf einem Beitragskonto verwaltet. Sollte der Versicherte wider Erwarten vorzeitig versterben, steht das Restguthaben den Erben zu. Es geht nichts verloren.
Voraussetzungen für die Steuergestaltungen
Wie immer, wenn etwas sehr schön klingt, gibt es irgendwo einen Haken. Um diese steuerlichen Gestaltungen in der Praxis umzusetzen, liegt der Haken darin, dass hier gewisse Rahmenbedingungen beachtet werden müssen:
a) Man muss auf die Liquidität für die vorausgezahlten Krankenversicherungsbeiträge verzichten können. Da bei Eheleuten die Beiträge in demselben Jahr vorausgezahlt werden müssen, betrifft dies die Liquidität für beide Beiträge.
b) Man muss vorher mit der Krankenversicherung die Möglichkeit der Vorauszahlung von Beiträgen geklärt haben. Dies ist bei privaten Krankenversicherungen immer möglich. Es gibt aber Versicherungen, die die Zahl der vorauszahlbaren Jahresbeiträge begrenzen.
In der gesetzlichen Krankenversicherung wird eine Jahresvorauszahlung bei freiwillig Versicherten3 von den meisten Krankenkassen akzeptiert. Bei einer Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenkasse ist dies in der Regel nicht möglich.
c) Es liegt in Ihrer Verantwortung zu prüfen, ob Ihre Krankenversicherung nicht insolvenzgefährdet ist. Im Insolvenzfall wären vorausgezahlte Beiträge verloren.
d) Für die ersten beiden Modelle müssen ausreichend andere sonstige Vorsorgeaufwendungen vorhanden sein, damit der Steuereffekt überhaupt entstehen kann. Dazu gehören z. B. Beiträge zu
• Alt-Kapital-Lebensversicherungen mit Abschlussdatum vor 2005
• Berufsunfähigkeitsversicherungen
• private Haftpflichtversicherungen
• Unfallversicherungen
e) Es muss darauf geachtet werden, dass die Jahreszahlungen wirklich in den richtigen Jahren abfließen und! so terminiert werden, dass die Zahlung nicht steuerlich einem anderen Jahr zugeordnet wird.
Methodik bei einem gedachten Renteneintritt Ende 2025 | ||||||||||
Natürlich geht man bei diesem Modell mit erheblicher Liquidität in Vorleistung. Vorausgezahlte Krankenversicherungsbeiträge: Tatsächliche liquide Vorleistung Eine komplette Berechnung des möglichen Steuervorteils aus dieser Überlegung sprengt hier den Rahmen, kann aber durch den Steuerberater individuell berechnet werden. Wenn man von einer Steuersatzminderung im Rentenalter von ca. 15 % ausgeht, können 9 x 9.600 € x 15 % = 12.960 € Steuern gespart werden. Nachteil Deshalb kommt dieses Modell im Wesentlichen für die Versicherten infrage, die im Alter wenige bis keine anderen Versicherungsbeiträge für Berufsunfähigkeit, „alte“ Kapital-Lebensversicherungen etc. zahlen. |
Dabei ist die Sonderreglung des § 11 EStG zu beachten, der bei regelmäßig wiederkehrenden Ausgaben (und solche liegen hier vor) Zahlungen rund um den Jahreswechsel steuerlich innerhalb einer Zehn-Tages-Grenze dem Jahr zuordnet, für das gezahlt wurde. Eine solche Umqualifizierung würde das gesamte Modell kippen.
Jahresvorauszahlungen müssen immer spätestens am 19.12. des Jahres bezahlt werden, in dem man es steuerlich zuordnen möchte.
Fazit
Diese Gestaltungen verlangen am Anfang etwas Arbeit, wie beispielsweise die Korrespondenz mit der Krankenkasse und die Setzung von Terminen für die Beachtung der richtigen Zahlungszeitpunkte. Für diese einmalige Arbeit erhalten Sie aber bei konsequenter Nutzung der Modelle jedes Jahr erhebliche Steuerersparnisse. Damit kann vorhandene Liquidität gewinnbringend genutzt werden, die in heutigen Zeiten bei sicherer Anlage keine Zinsen bringt und sogar von Strafzinsen bedroht wird.
Prüfen Sie, ob die Voraussetzungen bei Ihnen gegeben sind (oder lassen Sie diese von Ihrem Steuerberater prüfen). Der individuelle Steuereffekt kann nur anhand Ihrer persönlichen steuerlichen Verhältnisse berechnet werden. Ihr Steuerberater wird dies gerne tun, denn aktive Gestaltungsberatung ist auch für ihn das Salz in der Suppe.
1 Beiträge für Kapital-Lebensversicherungen sind nur dann abziehbar, wenn das Abschlussdatum des Vertrags vor dem 01.01.2005 liegt. Die weiteren notwendigen Voraussetzungen kennt Ihr Steuerberater.
2 Vereinfachend wurde von einem Grenzsteuersatz von 42 % ausgegangen.
3 Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze (2022: 58.050 €)
*Im Beitrag wird das generische Maskulinum verwendet. Mitgemeint sind dabei Personen jedweden Geschlechts (m/w/d).