Plausibilitätsprüfung – wie Ihre Abrechnung geprüft wird und was sich durch die EBM-Reform für Sie ändert

Wenn das Wort „Plausibilitätsprüfung“ fällt, zucken die meisten zusammen, denn diese Prüfungen sind gefürchtet. Bei zahlreichen Ärzten hat die jeweilige KV im Laufe der Tätigkeit bereits eine Überprüfung der Abrechnung vorgenommen und im Ergebnis kam es häufig zu Honorarrückforderungen. Da sich die Prüfung über bis zu 16 Quartale erstrecken kann, können selbst kleinere „Fehler“ teuer werden.

Grundsätzlich wird im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung die Abrechnung der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Psychotherapeuten geprüft. Die Plausibilitätsprüfung ist ein Teil der Abrechnungsprüfung und findet ihre rechtliche Grundlage in §106d Absatz 2 SGB V. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der GKV-Spitzenverband erlassen Richtlinien zum Inhalt und der Durchführung der Prüfungen, die sogenannten Abrechnungsprüfung-Richtlinien. Die Abrechnungsprüfung geschieht regelhaft bei jeder Abrechnung, ergänzend sofern Auffälligkeiten erkannt wurden oder anlassbezogen aufgrund konkreter Hinweise oder Verdachtsmomente.

Die Zeitprofile

Häufig werden Prüfungen aufgrund von Überschreitungen in den Zeitprofilen eingeleitet und die gesamte Abrechnung wird geprüft – insbesondere darauf, ob es objektiv betrachtet vom Zeitaufwand möglich war, die abgerechneten Leistungen auch ordnungsgemäß zu erbringen. Nun kommt es auf die Dokumentation des Arztes an: ist diese fehler- oder lückenhaft, werden die abgerechneten Leistungen gestrichen und im Rahmen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung wird die Abrechnung korrigiert und ggf. Honorare zurückgefordert.

Den Zeitprofilen kommt also eine entscheidende Bedeutung zu. Für alle unter der lebenslangen Arztnummer (LANR) angeforderten Leistungen wird ein Tages- und ein Quartalszeitprofil ermittelt. Im Anhang 3 des EBM sind die jeweiligen Prüfzeiten der ärztlichen Leistungen minutengenau hinterlegt und dienen als Basis für die Prüfung. Die hinterlegten Zeitvorgaben sind für die KVen bindend.

Zahlreiche Zeiten der ärztlichen Leistungen erscheinen im Tagesprofil (wie z.B. Sonografien, Gesprächsziffern, Ergometrie etc.), einige sind behandlungsfall- oder krankheitsfallbezogen (z.B. Versichertenpauschalen, Grundpauschalen, Betreuungskomplexe, Chroniker-Zuschläge) und unterliegen dem Quartalsprofil.

Nur wenige Leistungen bleiben unberücksichtigt:

  • Leistungen des organisierten Notdienstes, die auf Muster 19 der Vordruckvereinbarung abgerechnet werden
  • Leistungen aus der unvorhergesehenen Inanspruchnahme außerhalb der Sprechzeiten
  • Unverzüglich durchzuführende dringende Besuche
  • delegierbare Leistungen

Also gilt es sowohl die Tages- als auch die Quartalsprofile im Blick zu haben und die zeitlichen Obergrenzen einzuhalten. Diese betragen bei einem vollen Versorgungsauftrag:

  • Tagesprofil: 12 Arbeitsstunden > 720 Minuten
  • Quartalsprofil: 780 Arbeitsstunden > 46.800 Minuten

Wird das Tagesprofil an mindestens drei Tagen im Quartal überschritten, oder das Quartalsprofil liegt insgesamt über 780 Stunden, kommt es zu Überprüfungen. Die Obergrenzen beziehen sich auf einen vollen Versorgungsauftrag und werden bei geringeren Versorgungsaufträgen oder Ermächtigungen anteilig gekürzt.

EBM-Reform und ihre Auswirkungen auf Plausibilitätsprüfungen

Im Rahmen der EBM-Reform zum 01.04.2020 wurden die Zeitansätze aller Leistungen überprüft. Dabei wurde die tatsächliche Arbeitszeit der Ärzte den kalkulierten Zeiten gegenübergestellt. Im Ergebnis waren die abgerechneten Zeiten etwa doppelt so hoch wie die Jahresarbeitszeit. Daher fand eine medizinische Plausibilisierung der Zeitansätze unter Berücksichtigung des medizinisch-technischen Fortschritts sowie der Delegationsfähigkeit statt. Dies führte dazu, dass die Zeiten durchschnittlich um etwa 30% gesenkt wurden. Nur Leistungen mit fester Zeittaktung oder Mindestzeitvorgaben (z.B. GOP 03230, problemorientiertes ärztliches Gespräch, mind. 10 Minuten) und Anästhesieleistungen blieben konstant.

Wegfall der KV-Sonderregelungen

Mit der Überarbeitung der Zeitansätze sind zunächst alle Sonderregelungen der KVen hinfällig, da die neuen Zeitansätze verbindlich sind. Einige KVen reduzierten bislang beispielsweise die Grund- und Versichertenpauschalen oder den kardiologischen Komplex, da einige Fachgruppen besonders häufig Auffälligkeiten in ihren Zeitprofilen aufwiesen. So sahen sich z.B.

  • Chirurgen mit einem hohen Anteil an technischen Leistungen
  • Radiologen
  • Kardiologen
  • Allgemeinmediziner mit hohem Patientenaufkommen in ländlichen Regionen

in der Vergangenheit besonders häufig Prüfungen ausgesetzt.

Oftmals wurden auch individuelle Zeiten aufgrund von Praxisbesonderheiten oder Besonderheiten in der Leistungserbringung des abrechnenden Arztes bei der zuständigen KV hinterlegt und konnten so Auffälligkeiten verhindern. Durch die Anpassung der Zeiten im Rahmen der Reform ist dies nun erstmal nicht vorgesehen - alle Zeiten wurden kontrolliert, wenn nötig angepasst und sollen nun realistisch die benötigten Zeiten widerspiegeln. Einzig Anästhesisten und operierende Chirurgen können individuelle Zeiten durch Nachweisführung über OP- und Anästhesiedokumentationen erhalten. Einfache Bilddokumentationen, wie im Ultraschallbereich, sind nicht mehr ausreichend.

Auswirkungen der Corona-Pandemie

Die Änderungen des EBM wurden zum 01.04.2020 wirksam. Insbesondere wegen der starken Abweichungen von Arztinanspruchnahmen während der Corona-Pandemie sind noch keine verlässlichen Aussagen über die Entwicklung der Zeitprofile möglich. Zahlreiche Vorsorgeleistungen mit entsprechend hinterlegten Zeiten wurden nicht durchgeführt, die Patienten mieden die Praxen und es entfielen dadurch zahlreiche Arzt-Patienten-Kontakte (APK).

Festzustellen ist, dass es insgesamt weniger Auffälligkeiten gibt, insbesondere die Radiologen profitieren von den Änderungen der Zeitansätze. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Zeitprofile hausärztlicher Praxen in ländlichen Regionen mit starkem Patientenaufkommen entwickeln, wenn sich das Patientenverhalten und der Praxisbetrieb wieder normalisieren, Vorsorgeleistungen wieder durchgeführt werden und voraussichtlich wieder mehr Patientenkontakte im Quartal stattfinden. Belastbare Aussagen zu den Zeitprofilen insgesamt wird vermutlich erst das 4. Quartal ermöglichen.

Einstellungen der Praxissoftware

Wichtig ist, dass die jeweilige Praxissoftware gepflegt ist und die jeweiligen Versorgungsaufträge der hinterlegten Ärzte korrekt erfasst wurden. So kann man regelmäßig, spätestens zum Ende des Quartals, die Zeiten prüfen und Auffälligkeiten im Vorfeld erkennen und bestenfalls gegensteuern. Mögliche Vertretungen für andere Praxen und Krankheitsfälle von Ärzten selbst könnten plausible Gründe sein und sollten dokumentiert werden. Auch die Dokumentation der Leistungen sollte bei Überschreitungen vorsorglich genaustens auf Vollständigkeit geprüft werden. Bei Tagesprofilüberschreitungen sieht man in der Praxis häufig, dass Ziffern ausgetragen werden. Hier sollte durch die geschickte Auswahl der finanzielle Schaden möglichst gering gehalten werden.

Fazit

Sollte es trotz aller Vorsichtsmaßnahmen dennoch zu einer Prüfung kommen, ist es empfehlenswert die eigene Dokumentation und die abgerechneten Leistungen genau zu prüfen, Schwachstellen zu erkennen und Begründungen dafür zu finden, Argumente für eine mögliche Abweichung vom Fachgruppendurchschnitt herauszuarbeiten, Praxisbesonderheiten (z.B. besondere Ausstattung, besondere Qualifikation, regionale Besonderheiten, Altersstruktur der Patienten, usw.) herauszuarbeiten und sich vor Äußerung bestenfalls anwaltlich beraten zu lassen.

 

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Lara Bäumer

Praxisstark – individuelle ­Lösungen für Arztpraxen und MVZ.
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