3 Fragen zum Thema „Sterbehilfereform“

Norbert Schürmann, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS), beantwortet drei Fragen zum Thema "Sterbehilfereform".

Wie sehen Sie die Rolle von Ärztinnen und Ärzten in der Sterbehilfe?

Schürmann:

Ärztinnen und Ärzte zählen für viele Menschen zu den Vertrauenspersonen. Hausärzte* und Palliativmediziner begleiten schwerstkranke Patienten und deren Angehörige häufig über einen längeren Zeitraum. So sind ihnen Krankheitsverlauf und Familiensituation bekannt. Der Entschluss zum Suizid ist oft das Ergebnis einer langen Kaskade frustraner Therapien. Ich sehe die Aufgabe von Ärztinnen und Ärzten darin, bei schwer kranken Patientinnen und Patienten das Leiden zu mindern und ein würdiges Sterben zu ermöglichen. Der assistierte Suizid ist eine Möglichkeit, das Leben wegen unerträglichen Leidens, einer schlechten Lebensqualität und/oder eines unwürdigen Lebens selbstständig und autonom zu beenden.

Erste Zwischenergebnisse einer Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin zur Beteiligung von Ärzten am assistierten Suizid ergab, dass 82 % der befragten Ärzte den assistierten Suizid bei palliativen Patienten und 60% bei Patienten mit chronisch körperlichen Erkrankungen unterstützen würden. Ich sehe es als ärztliche Aufgabe an, schwerstkranke Menschen in ihrem Leid nicht allein zu lassen, sie in ihrem Anliegen ernst zu nehmen und ihre Autonomie zu respektieren. Gesunde Menschen mit Suizidwunsch zu begleiten, sehe ich nicht als ärztliche Aufgabe an.

Was muss ein künftiges Gesetz aus Ihrer Sicht als Arzt in jedem Fall leisten?

Schürmann:

Wir brauchen ein Gesetz, das die autonome Entscheidung der Patientinnen und Patienten unterstützt und ärztliches Handeln nicht unter Strafe stellt. Die Bundesärztekammer hat das Verbot des assistierten Suizids zwar im Februar 2020 aufgehoben, gestattet aber nur in Ausnahme- und Einzelfällen die ärztliche Assistenz beim Suizid. Wir stehen aber mehr als einmal vor dieser Herausforderung. Daher brauchen wir auch eine Änderung der Berufsordnung, die die ärztliche Unterstützung beim Suizid ohne standesrechtliche Auswirkungen ermöglicht. Außerdem benötigen wir Medikamente, die für den Suizid zugelassen sind.

Die Sterbehilfe in Deutschland gesetzlich zu regeln, ist zunächst gescheitert. Welche Konsequenzen hat das nun?

Schürmann:

Durch die Ablehnung beider Gesetzentwürfe im Bundestag befinden wir uns in einem rechtlichen und ethischen Vakuum. Das Bundesverfassungsgericht hat Patienten und Ärzten Rechte zugesprochen, die wir nicht umsetzen können. Die aktuelle Gesetzeslage bleibt zunächst bestehen. So können Menschen ihre autonome Entscheidung nicht umsetzen. Es stehen keine zugelassenen Medikamente zur Verfügung, und Ärzten, die das Anliegen ihrer Patienten unterstützen, droht ein Berufsverbot. Zu befürchten ist, dass Sterbehilfsorganisationen stärker werden und die rechtlich bestehende Lücke ausfüllen werden. Auch brachiale Suizide werden voraussichtlich zunehmen. Einen schönen Tod gibt es zwar nicht, einen Tod, den wir ethisch vor uns und den Angehörigen vertreten können, gibt es allerdings schon.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS)

Die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS) ist mit rund 4.000 Mitgliedern und 120 Schmerzzentren die führende Fachgesellschaft zur Versorgung von Menschen mit chronischen Schmerzen. 

In enger Zusammenarbeit mit der Deutschen Schmerzliga e. V. ist es ihr vorrangiges Ziel, die Lebensqualität dieser Menschen zu verbessern – durch eine bessere Diagnostik und eine am Lebensalltag des Patienten orientierte Therapie. Dafür arbeiten die Mitglieder der DGS tagtäglich in ärztlichen Praxen, Kliniken, Schmerzzentren, Apotheken, physiotherapeutischen und psychotherapeutischen Einrichtungen interdisziplinär zusammen. Der von der DGS gestaltete, jährlich stattfindende Deutsche Schmerz- und Palliativtag zählt seit 1989 auch international zu den wichtigen Fachveranstaltungen und Dialogforen. Aktuell versorgen etwa 1.321 ambulant tätige Schmerzmediziner die zunehmende Zahl an Patienten. Für eine flächendeckende Versorgung der rund 3,9 Millionen schwerstgradig Schmerzkranken wären mindestens 10.000 ausgebildete Schmerzmediziner nötig. Um eine bessere Versorgung von Menschen mit chronischen Schmerzen zu erreichen, fordert die DGS ganzheitliche und bedürfnisorientierte Strukturen – ambulant wie stationär – sowie eine grundlegende Neuorientierung der Bedarfsplanung. 

CME-Fortbildung der DGS

DGS-Regionalkonferenzen – Schmerzmedizin UP-TO-DATE 2023
www.dgschmerzmedizin.de/kongresse/dgs-regionalkonferenzen-schmerzmedizin-up-to-date/ 


*Zur besseren Lesbarkeit kann in Texten das ­generische Maskulinum verwendet werden. ­Nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige aller Geschlechter.

 

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