Gendersensible Sprache für angemessene Sichtbarkeit

Verändert Sprache unsere Vorstellung von Berufen, etwa vom ärztlichen? Die Sprachwissenschaft sagt: ja! Im ärztlichen Beruf, in dem demnächst mehrheitlich Frauen arbeiten, muss der Sprachgebrauch die Realität endlich besser wiedergeben – auch um Karrierehürden einzureißen.

Die Debatte, ob und wie weit das generische Maskulinum die sprachlichen Bedürfnisse der Gegenwart abdeckt, löst bei vielen Menschen heftige Reaktionen aus. Auch unter Ärztinnen und Ärzten. Dabei dürfen wir aber nicht vergessen: Unsere Wortwahl beeinflusst unsere Wahrnehmung von Berufen – bis hin zur Berufswahl.

Sprechen wir den Begriff Arzt aus, entsteht vor unserem inneren Auge das Bild eines Mannes. Nur durch unsere tägliche Erfahrung mit fast 50 Prozent Ärztinnen beginnen wir, das Bild zu ändern und letztendlich können wir dann entscheiden, ob wir einen Arzt oder eine Ärztin vor uns sehen. Gehen wir aber in die Spitzenpositionen der Medizin und sprechen den Begriff Chefarzt aus, kommt nur sehr schwer die Vorstellung einer Chefärztin auf, denn dort umgeben uns ganz überwiegend Männer. Da Bilder auch für Lebensperspektiven notwendig sind, wird hier ein Problem sichtbar: Die Position der Chefärztin als Ziel fällt noch weitgehend aus.

Gesetze machen es vor

Die Gesetzgebung hat auf diesen Umstand längst reagiert. Ein Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung: Meine ehrenamtliche Tätigkeit in der Ärztekammer Nordrhein führte mich in die ersten Diskussionen zum Thema gendergerechte Sprache. In § 4 des Gesetzes zur Gleichstellung von Frauen und Männern NRW (Landesgleichstellungsgesetz - LGG) heißt es: „Gesetze und andere Rechtsvorschriften tragen sprachlich der Gleichstellung von Frauen und Männern Rechnung. In der internen wie externen dienstlichen Kommunikation ist die sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern zu beachten. In Vordrucken sind geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen zu verwenden. Sofern diese nicht gefunden werden können, sind die weibliche und die männliche Sprachform zu verwenden.“ Im offiziellen Papieren muss es sie also geben: neben dem Patienten die Patientin, neben dem Arzt die Ärztin etc.

Unter andrem darum setzt sich der Deutsche Ärztinnenbund dafür ein, die Frauen in diesem Beruf auch durch die Wortwahl sichtbarer zu machen. Aktuell sind annähend 50 Prozent der Ärzteschaft Ärztinnen. In fünf der zwölf größten Fachbereiche arbeiten inzwischen mehrheitlich Ärztinnen (Gynäkologie 71%, Kinder- und Jugendmedizin 62%, Dermatologie 59%, Psychiatrie 53%, Allgemeinmedizin 51%). Zwei weitere Fächer, Augenheilkunde und Neurologie, schrammen knapp an der 50-Prozent-Grenze. Zusammengezählt beträgt der durchschnittliche Frauenanteil hier 56,5 Prozent. Die Frauen sind nicht mehr wegzudiskutieren. Das ist der zweite wichtige Grund, die weibliche Form gleichberechtigt zu verwenden.

Der stete Tropfen wirkt

Allmählich ändert sich auch das Bewusstsein auf den Deutschen Ärztetagen (DÄT). Beim 126. DÄT in Bremen gab es beispielsweise zwei Anträge, die positiv abgestimmt wurden. Es geht darum, die Voraussetzungen für eine gendersensible Sprache in Anträgen zum DÄT zu schaffen (Antrag Ic-46: Gendersensible Sprache ermöglichen) und durch gendersensible Formulierungen sowohl ein Mittel für die wertschätzende Ansprache gegenüber Menschen jeglicher Geschlechtsidentität zu generieren als auch die Sichtbarkeit sowie Repräsentation von Ärztinnen zu verbessern (Antrag Ic-48: Sprachliche Repräsentation von Ärztinnen). Es lohnt sich also, die Diskussion um eine gendergerechte Sprache im Sinne der Gleichstellung weiter zu verfolgen.

 


Für den Sprachdiskurs brauchen wir keine Polemik – etwa, ob es Mitgliederinnen geben soll – sondern gute Beispiele. Dafür empfehle ich das Buch Genderleicht aus dem Duden-Verlag.“ Dr. Christiane Groß M.A.


 

Dr. Christiane Groß M.A., Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes

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