Tiere mit Biss

Wenn hierzulande die Rede von Verletzungen durch Tierbisse ist, denkt man selten an einen Biss durch ein exotisches Tier der Unterwasserwelt oder des Urwalds. Vor allem Reisende setzen sich der Gefahr einer gefährlichen Verletzung und Infektion durch einen solchen Tierbiss aus. Doch auch heimische Kleintiere können schwerwiegende Hautirritationen hervorrufen. Der niedergelassene Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten Dr. med. Andreas Montag aus Hamburg hat im Rahmen der 51. Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) in einer „virtuellen Reise mit Biss“ über Risiken und mögliche Behandlungen verschiedener Tierbisse aufgeklärt.

Hundebiss

„Die mit Abstand häufigsten Tierbisse stammen von Hunden. Jährlich werden ca. 10 Mio. Fälle weltweit gezählt“, erklärt Dr. Montag in seinem Vortrag. In 20 % der Fälle komme es in Folge des Bisses zu einer Infektion. „Hundebisse sollten unbedingt offen behandelt werden und sekundär heilen, fest vernähte Wunden führen häufig zu massiven Abszessen, welche geöffnet, gespült und drainiert werden müssen sowie eine systemische Antibiotikabehandlung erfordern.“ Ein besonderes Augenmerk müsse außerdem auf das Risiko einer Tollwutinfektion gelegt werden, an der jährlich ca. 60.000 Menschen sterben. Sollte keine Grundimmunisierung bestehen, empfiehlt sich zur Postexpositionsprophylaxe das gebräuchlichste Impfschema, das sogenannte „Essen-Schema“. Dabei werden 5 Impfdosen an Tag 0, 3, 7, 14 und 28 verabreicht. Daneben kommt gelegentlich auch das Zagreb-Schema zum Einsatz (s. Abb. 1).

Katzenbiss

Katzenbisse machen laut Dr. Montag weltweit 2 – 50 % aller Verletzungen durch Tierbisse aus. Die Inzidenz, also die jährliche Zahl an Verletzten pro 100.000 Einwohner, liegt direkt nach Hundebissen an zweiter Stelle. Weibliche Erwachsene sind am häufigsten von einem Katzenbiss betroffen. Die Behandlung einer solchen Verletzung unterscheidet sich nicht von der eines Hundebisses, einschließlich der Postexpositionsprophy­laxe zur Minimierung des Tollwutrisikos, wie Montag in seinem Vortrag ausführte.

Grund­immunisierung

Exposi­tionsgrad

STIKO

WHO

Kommentar

vollständig

II und III

2 Impfdosen i.m.
Tag 0 und 3

2 Impfdosen i.d.,
eine Extremität Tag 0, 3 oder
4 Impfdosen i.d.,
vier Extremitäten Tag 0 oder
2 Impfdosen i.m.,
eine Extremität Tag 0, 3

i.d. Applikation laut Fachinformation nicht zugelassen

keine oder nur unvollständig

II

,,Essen-Schema“
5 Impfdosen i.m.: je 1 an Tag 0, 3, 7, 14, 28

,,Zagreb-Schema“
4 Impfdosen i.m.:
2 an Tag 0, verschiedene Extremitäten,
je 1 an Tag 7, 21

6 Impfdosen i.d.,
2 Extremitäten Tag 0, 3, 7 oder
4 Impfdosen i.m.,
1 Extremitäten Tag 0, 3, 7, 14-28 (verkürztes „Essen- Schema“) oder
,,Zagreb-Schema“: 4 Impfdosen i.m., 2 Extremitäten Tag 0, je eine Extremität Tag 7, 14–28

Zagreb-Schema nur für Rabipur® zugelassen, verkürztes „Essen-Schema“ der WHO in D nicht zugelassen

III

Zusätzlich zur aktiven Immunisierung wie bei Expositionsgrad II bei beiden Schemata Gabe von Tollwut-Immunglobulin am Tag 0

Zusätzlich zur aktiven Immunisierung wie bei Expositionsgrad 11 bei allen Schemata Gabe von Tollwut-Immun­globulin am Tag 0

 

Abb. 1: Schema zur Postexpositionsprophylaxe bei Verdacht auf Tollwutexposition. Quelle: RKI (Stand 2018); i.m. - intramuskulär, i.d. - intradermal

Affenbiss

„20 % aller Tierbisse weltweit sind auf Affen zurückzuführen“, führt der Dermatologe fort. „In Indien ermittelten zwei Studien Affenbisse sogar als zweithäufigste Tierbisse nach solchen von Hunden.“ Gerade Urlaubsreisende sollten die Gefahr eines Affenbisses nicht unterschätzen. Zu den häufigsten Komplikationen zählen Wundheilungsstörungen. Besonders bedeutsam sei hierbei aufgrund seiner gewebszerstörenden Wirkung das Toxin-bildende gram negative Kokken-Bakterium Pasteurella multocida.1 Dr. Montag betont: „Urlaubsreisende sollten unbedingt vor Antritt der Reise über das Risiko von Affenbissen aufgeklärt werden und Präventionsmaßnahmen beherzigen, wie etwa wild-lebenden Affen nicht zu nahe zu kommen. Wenn sich die Tiere dennoch von sich aus den Menschen nähern, sollte immer sehr ruhig und vorsichtig reagiert werden, niemals aggressiv.“

Marienkäferbiss

Doch auch heimische Kleintiere können zubeißen, weiß Dr. Montag. Denn wenn es draußen kalt wird, sucht auch der Marienkäfer das Warme – und das gerne in unseren Häusern. Doch hier gibt es keine natürliche Nahrung für die Tiere, die sich hauptsächlich von Blattläusen ernähren. Aus diesem Grund beißt vor allem der asiatische Marienkäfer, der von dem heimischen Siebenpunkt-Käfer an seinem weißen Kopf und der größeren Anzahl schwarzer Punkte zu unterscheiden ist, immer häufiger auch Menschen. „Die Tiere können massive Bissspuren auf der menschlichen Haut hinterlassen, die sich in roten Punkten und extrem gereizter, geröteter Haut äußern“, so der Experte weiter.

Ameisenbiss

„Wenn Ameisen zubeißen, hinterlassen sie intensiv brennende und schmerzende rötliche Knoten auf der Haut, die sich zu nicht follikulär gebundenen Pusteln entwickeln können“, beschreibt Dr. Montag die typischen Symptome eines Ameisenbisses. Die in Nordamerika ansässige Feuerameise Solenopsis beispielsweise, habe einen ausgeprägten, angeborenen Killerinstinkt. Sie arretiert sich mit ihren Beißwerkzeugen in der Haut ihres Opfers selbst. Mit ihrem am unteren Abdomen sitzenden Stachel sticht sie anschließend so lange zu, bis ihre Giftdrüse vollständig entleert ist. Die Feuerameise gehört zur Familie der Knotenameisen, welche Verwandte der Wespen sind. Das Gift der Knotenameisen besteht aus Histamin, Kininen und den Enzymen Hyaluronidase und Phospholipase A2. Letztere sind ebenfalls in Wespengift enthalten, wodurch die äußerst seltene, aber sehr gefährliche Kreuzallergie zwischen Knotenameisen- und Wespengift zu erklären sei. Die schmerzhaften Veränderungen der Haut werden jedoch durch das zusätzlich im Ameisengift enthaltende Piperidinalkaloid Solenopsin ausgelöst.

Muränenbiss

Wer im Urlaub gerne die Unterwasserwelt bewundert – ob schwimmend oder tauchend – sollte vor einer Vielzahl mariner Lebewesen auf der Hut sein. Allen voran vor der Muräne. Muränen besitzen spezielle einzellige Schleimdrüsen, die sogenannte Ichthyokrinotoxine produzieren, die auch im Schleim des Muränenmauls zu finden sind.2 Darin enthalten sind neben Hämagglutininen vor allem Toxine, die bei dem Biss einer Muräne eine verlängerte Blutungszeit sowie starke Schmerzen verursachen. Beißt eine Muräne zu, werden durch das Pressen der Beute an den Gaumen außerdem Hämoichthyotoxine freigesetzt, welche in Drüsen oberhalb der Gaumenkuppel gebildet werden.3 Das Toxingemisch besteht aus proteolytischen Hyaluronidasen, Bradykinin- Aktivatoren, Hämotoxinen, Curare-ähnlichen Neuro­toxinen und hypotensiden, kurzkettigen Peptiden, erläutert Montag die Zusammensetzung. Außerdem fressen Muränen Aas. Damit befinden sich im Maul der Muräne eine Vielzahl an Bakterien, welche nach einem Biss in die Wunde gelangen und schwerwiegende Infektionen sowie Wundheilungsstörungen verursachen könnten, so Montag.

Schlangenbiss

Schlangenbisse sind nicht so selten wie man vielleicht glauben mag. Dr. Montag erklärt, jährlich komme es weltweit zu ca. 2,5 Mio. Schlangenbissen. Etwa 135.000 davon enden tödlich. „In freier Wildbahn ereignen sich Schlangenbisse meist am frühen Morgen. Um diese Uhrzeit ist die Schlange noch zu steif, um zu fliehen, jedoch aufgewärmt genug, um zuzubeißen.“ Wanderer sollten deshalb morgens besonders achtsam sein, um nicht auf eine Schlange zu treten und schon gar nicht sollte man versuchen, eine Schlange mit bloßen Händen zu fangen. Die artenreichsten Familien der Giftschlangen bilden die Giftnattern (Elapidae) und die Vipern. Die Giftnattern haben lange, gekerbte und starre Fangzähne, die im vorderen Oberkiefer sitzen. Kommt es zum Biss, läuft das Gift außen an diesen entlang. Die Vipern, zu denen auch die Klapperschlangen zählen, besitzen hingegen sehr lange, hohle Giftzähne, durch die das Gift hindurchfließt. Diese werden beim Schließen des Mauls gegen ihren Oberkiefer eingeklappt. Im Gift einer Klapperschlange sind Zytotoxine enthalten, die die Gefäßwände zerstören und zu schweren Schwellungen und Blasenbildung sowie zu einer massiven Nekrose des betroffenen Gewebes führen. Hämorrhagine führen zu einer intravasalen Aktivierung der Blutgerinnung. Infolgedessen kommt es zu schweren inneren Blutungen. Weiterhin sind Kinine enthalten, die zum Kreislaufzusammenbruch führen können. Selten seien auch Neurotoxine im Klapperschlangengift zu finden, welche paralytisch auf den menschlichen Körper wirken. Klapperschlangen sind vor allem in den Südstaaten der USA beheimatet. Weltweit gibt es jedoch in jeder Großstadt ca. ٣٠–٥٠ Halter von Giftschlangen. „Statistisch gesehen, könnte jeder Dermatologe in eigener Praxis zumindest einmal in seinem Berufsleben mit einer ernsten Schlangenbiss-Verletzung konfrontiert werden“, erklärt Dr. Montag. „Wer sich darauf vorbereitet, handelt vorrausschauend!“ Biss-Patienten sollten umgehend in eine qualifizierte tropenmedizinische Einrichtung überführt werden. Zur weiteren Behandlung sei vor allem die sichere Identifizierung der Schlangenart von zentraler Bedeutung, auch um gegebenenfalls ein Antiserum verabreichen zu können. Die Wunde sollte gesäubert und abgedeckt, aber niemals verbunden, aufgeschnitten, ausgesaugt oder komprimiert werden. Dr. Montag betont eindringlich:


„Ein von einer exotischen Giftschlange gebissener Patient ist bis zum Beweis des Gegenteils immer als lebensbedrohlicher Notfall zu behandeln.“ Dr. med. Andreas Montag, Hamburg


Zusammengefasst von Dr. Irina Peek

Literatur:

1 Wilson BA et al. Pasteurella multocida Toxin Interaction with Host Cells: Entry and Cellular Effects. Curr Top Microbiol Immunol 2012; 391. 93-111.
2 Scharf MJ et al. Cutaneous injuries and envenomations from fish, sharks and rays. Dermatologic Therapy 2002; 15(1) 47-57.
3 Bonamonte D et al. The Muraenidas Family In: Aquatic Dermatology: Biotic, Chemocal and Physical Agents Springer International Publishing Switzerland 170-172.

Quelle: DDG-Tagung Virtuell, Vortrag Dr. med. Andreas Montag: „Vom wilden Affen gebissen und von hungrigen Marienkäfern traktiert — Herausforderungen von Aus- und Inlandsreisen“ 16.04.2021

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