Vorsicht bei Beauty-Docs & Co.!

Zum Schutz vor Irrführung von Patientinnen und Patienten: Deutschlands große ­medizinische Fachgesellschaften für den ästhetischen Bereich fordern eine ­einheitliche gesetzliche Regelung für Fantasietitel.

Zitierweise: HAUT 2024;35(2):54-57.

* Fach-gesellschaften:
DGÄPC: Deutsche Gesellschaft für ­Ästhetisch-Plastische Chirurgie

DGBT: Deutsche Gesellschaft für ästhetische Botulinum- und Fillertherapie e.V.

GÄCD: Gesellschaft für Ästhetische ­Chirurgie Deutschland e.V.

VDÄPC: Vereinigung der Deutschen ­Ästhetisch-Plastischen Chirurgen

DDL: Deutsche Dermatologische ­Lasergesellschaft.

Bereits seit Jahren monieren Deutschlands große Fachgesellschaften für plastische und ästhetische Chirurgie, Filler- und Botulinumtherapie und ästhetische Laserbehandlung (DGÄPC, DGBT, GÄCD, VDÄPC, DDL*) immer wieder die Irreführung von Patientinnen und Patienten durch selbst verliehene Expertentitel, die die Qualifikation eines staatlich verliehenen Facharzttitels vortäuschen sollen. Hierbei wird eine Gesetzeslücke genutzt, die zwar genau vorschreibt, welche staatlich verliehenen Facharzttitel genutzt werden dürfen, aber nicht definiert, welche so ähnlich klingenden Fantasietitel nicht genutzt werden dürfen.

„Zurzeit beobachten wir verstärkt, dass sich Ärzte direkt nach dem Universitäts­studium „Arzt/ Ärztin für ästhetische Medizin“ oder „Arzt/Ärztin für Ästhetik“ usw. nennen. Ohne Weiterbildungszeit, qualifizierende Zertifizierungen und ohne Prüfung. Dasselbe Phänomen kann beobachtet werden bei Ärzten, die in der Vergangenheit in einem vollkommen anderen medizinischen Fach eine Facharztausbildung absolviert haben, nun aber auch ästhetisch-­plastische Behandlungen und Operationen anbieten“, mahnt Dr. Helge Jens, Präsident der DGÄPC.

Das können sie, weil diese selbstverliehenen Fantasietitel nicht im Facharztkatalog gelistet und somit nicht geschützt sind. Das Ziel ist, eine Art Facharzttitel für die eigene Vermarktung und eine Qualifikation für den ästhetischen Bereich vorzutäuschen. Denn die meisten Patientinnen und Patienten kennen die Feinheiten der genau geschützten und der ungeschützten Arzttitel nicht. „Als Fachärzte mit fundierter Ausbildung und fachspezifischen Kenntnissen sehen wir die auf dem Markt gebräuchlichen Betitelungen für Ärzte, die gerne im ästhetisch-plastischen Bereich Fuß fassen würden, aber nicht über die notwendige Facharztausbildung verfügen, sehr kritisch“, so Dr. Michaela Montanari, Mitglied des Vorstands der DGÄPC und Referentin der DGBT.

Landgericht Bochum sieht Irreführung

Kürzlich hat die Wettbewerbszentrale einen Erfolg beim Landgericht Bochum erzielt (Urteil vom 20.12.2023, Az.: 13 O 74/23). In dem Verfahren ging es um die Frage, ob ein Arzt, der nicht über eine Facharztausbildung verfügt, sich als „Arzt für ästhetische Eingriffe“ bezeichnen darf. In der ersten Instanz wurde entschieden: Die Beklagten müssen es unterlassen, sich als „Ärzte für ästhetische Eingriffe“ zu bezeichnen. Begründung: Es handelt sich um irreführende Werbung, da die Bezeichnung suggeriert, dass eine Weiterbildung auf dem Gebiet der plastischen Chirurgie vorläge. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Berufung läuft. „Das Urteil aus Bochum ist ein erster und wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Zwischenzeitlich sehen wir uns im Schulterschluss mit allen Fachgesellschaften, die den ästhetischen Bereich zum Schwerpunkt haben, in der Pflicht, Aufklärungsarbeit zum Schutz der Patienten zu betreiben“, so Prof. Peter Arne Gerber, Facharzt für Dermatologie und Präsident der GÄCD.

Denn nicht nur im Gespräch mit den Patientinnen und Patienten selbst ist die Wissenslücke sehr deutlich erkennbar, sondern auch Zahlen können dies belegen. So hat die DGÄPC-Statistik1 ergeben, dass ganzen 52,8 Prozent der Befragten unter 30-Jährigen der Unterschied zwischen einem Facharzt/ einer Fachärztin mit langjähriger, fundierter Ausbildung und einer Titelselbstvergabe wie „Schönheitschirurg* in“, „Beauty Doc“ und ähnlichem nicht bewusst ist.

Tab. 1: Arztbetitelungen – Checkliste für Patientinnen und Patienten. Von: DGÄPC, DGBT, GÄCD, VDÄPC, DDL. 
Eine Liste mit in Deutschland anerkannten Facharztausbildungen mit staatlicher Prüfung finden Sie hier 

Beauty Doc, Schönheitschirurg, Facharzt – wer darf was?

Als Fachärztin/ Facharzt darf sich nur bezeichnen, wer eine mehrjährige Weiter­bildung auf einem bestimmten Gebiet absolviert und im Anschluss die dazugehörige Facharztprüfung bestanden hat. Für den Bereich der plastischen und ästhetischen Chirurgie, der Dermatochirurgie und der ästhetischen Dermatologie gilt das für die Fachärztinnen und -ärzte für plastische und ästhetische Chirurgie und die Fachärztinnen und -ärzte für Dermatologie. Zusätzlich gibt es für andere Fachbereiche noch die Möglichkeit einer Zusatzweiterbildung für „plastische Operationen“. Hier können Fachärztinnen und -ärzte der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und der Mund-Kiefer-Gesichts­chirurgie in einer 24-monatigen Weiter­bildung die konstruktiven und rekonstruktiven plastischen und ästhetischen operativen Eingriffe und nichtoperativen Verfahren zur Wiederherstellung und Verbesserung der Form, Funktion und Ästhetik in der Kopf-Hals-Region erlernen und im Anschluss die Zusatzbezeichnung „plastische Operati­onen“ führen. Des Weiteren können, abhängig von der gewünschten Behandlungs­region, auch folgende Fachärztinnen und -ärzte für einen ästhetisch-chirurgischen Eingriff qualifiziert sein:

  • Fachärztinnen und -ärzte für Chirurgie mit dem Teilgebiet „plastische Chirurgie“,
  • Fachärztinnen und -ärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe (Gynäkologie) für beispielsweise intimchirurgische Eingriffe,
  • Fachärztinnen und -ärzte für Augenheilkunde für z. B. Oberlidkorrekturen und Filler- und Botulinumbehandlungen im Augenbereich.

„Beauty Docs, Experten für ästhetische Medizin, Schönheitschirurgen und andere Fantasietitel sagen absolut nichts über die Qualifikation des behandelnden Arztes aus, erwecken aber bei den Patienten den Anschein, als hätten die Behandler in diesem Bereich besondere Fähigkeiten. Das ist nicht nur ethisch bedenklich, sondern kann unter Umständen für die Patienten auch gefährlich werden“, weiß Prof. Detlev Hebebrand, Präsident der VDÄPC und Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie.

Dass der Markt der ästhetischen Behandlungen in Deutschland zu den Wachstumsmärkten zählt, ist hierbei kein Geheimnis. Und viele – gerade auch jüngere Ärztinnen und Ärzte – lockt die vermeintliche Lukrativität der ästhetischen Medizin, direkt darin einzusteigen, ohne vorab eine Facharzt­ausbildung absolviert zu haben. Dabei hat die Kreativität an Eigenbetitelung gerade im ästhetischen Bereich kaum Grenzen – gepaart mit mangelnder Erfahrung kann dies eine verheerende Mischung für die Patientinnen und Patienten sein. „Bedauerlicherweise stellen sich bei uns in der Praxis immer häufiger Patienten vor, die mit einem Lasergerät nach nicht sachgemäßer Anwendung Verbrennungen davongetragen haben oder aber nach einer Filler­behandlung neben unschönen Ergebnissen auch schlimme Komplikationen vorweisen, die dringend behandelt werden müssen“, mahnt Dr. Konstantin Feise, 2. Vizepräsident der DDL.

Aufklärung als gemeinsames Ziel

„Zum Wohle der Patientensicherheit im Rahmen von ästhetischen Behandlungen möchten wir gemeinsam aktiv aufklären! Deshalb findet man künftig auf den Webseiten unserer Gesellschaften eine gemeinsame Checkliste (Tab. 1), welche Facharztbetitelungen in der ästhetischen Medizin staatlich verliehene Qualitäts­siegel sind und bei welchen Betitelungen man hellhörig werden sollte“, so der Facharzt für Dermatologie Dr. Said Hilton, Präsident der DGBT. So soll allen Patientinnen und Patienten mit Behandlungswunsch im ästhetisch-plastischen Bereich die Möglichkeit gegeben werden, sich bereits vor einer Terminvereinbarung zu informieren. Des Weiteren streben die Fachgesellschaften eine Arbeitsgruppe an, um eine gesetzliche Regelung zum Schutz vor Irreführung zu erwirken.

Literatur

1. HAUT 2024;35(1):6-9 sowie https://www.dgaepc.de/aktuelles/dgaepc-statistik/dgaepc-statistik-2023/  

Quellen: Franziska Bartel, Deutsche Gesellschaft für ästhetische Botulinum- und Fillertherapie e.V.; Kaja Kovacs, Richterin am Landgericht Bochum.

Interessiert an neuen Fortbildungen oder Abrechnungstipps?

Abonnieren Sie unseren Infoletter.
 

Zur Infoletter-Anmeldung

x
Newsletter-Anmeldung