Diabetes Typ 1 - häufig Abbruch der ärztlichen Betreuung durch Abschied von Kinderdiabetologie

Jedes Jahr werden etwa 2000 junge Patientinnen und Patienten mit Typ-1-Diabetes erwachsen. Damit steht auch ihr Wechsel vom kinderdiabetologischen Behandlungsteam in die Erwachsenenmedizin an. Doch zehn bis 40 Prozent der Betroffenen schaffen diesen Übergang in eine geregelte fachärztliche Betreuung, die so genannte Transition, nicht (1, 4). Fehlt ihnen jedoch die ärztliche Empfehlung und Begleitung für eventuell notwendige Therapieanpassungen, kann dies weitreichende gesundheitliche, unter Umständen lebensgefährliche Folgen mit sich bringen.

Dazu gehören etwa Stoffwechselentgleisungen – und langfristig vorzeitige Erblindung, Nierenversagen oder Amputationen. Neben den seit vielen Jahren bekannten Problemen bei der Transition kommen nun neue Herausforderungen hinzu. Denn in der Kinderdiabetologie sind moderne sensorgesteuerte Insulinpumpensysteme zur Glukosekontrolle wie die so genannten AID-Systeme (Automatische InsulinDosierung) häufiger im Einsatz als in der Erwachsenenmedizin (2, 4). Eine entsprechende Expertise für Schulung und Begleitung im Umgang mit modernen Diabetestechnologien fehlt jedoch vielerorts in der Erwachsenentherapie.  Typ-1-Diabetes ist die häufigste Stoffwechselerkrankung im Kindes- und Jugendalter. In Deutschland sind rund 32.500 Menschen unter 18 Jahren betroffen. Insbesondere bei kleinen Kindern hat sich die Zahl der Erkrankungsfälle in den letzten Jahren verdoppelt. Jedes Jahr erkranken hierzulande mittlerweile mehr als 3.000 Minderjährige an einem Typ-1-Diabetes (1).

Moderne Technologien in der Kinderdiabetologie viel weiter verbreitet 

„Im Prinzip erhalten Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes die gleiche Therapie wie Erwachsene – nämlich eine Stoffwechselstabilisierung mittels Insulin, die auf Ernährung und körperliche Aktivität abgestimmt ist“, sagt Professor Dr. med. Andreas Neu, Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). Jedoch seien neue Technologien wie Insulinpumpen und Glukosesensoren in der Kinderdiabetologie viel weiter verbreitet als in der Erwachsenenmedizin, berichtet der Kinderdiabetologe. Er ist kommissarischer Ärztlicher Direktor der Abteilung für Neuropädiatrie, Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie an der Kinderklinik des Universitätsklinikums Tübingen. Mehr als 90 Prozent der Kinder unter sechs Jahren nutzen die modernen Diabetestechnologien, die auch bei älteren Kindern und Jugendlichen weit verbreitet sind, zur täglichen Stoffwechselkontrolle (2). Im Gegensatz dazu beträgt der Anteil der betroffenen Erwachsenen über 20 Jahre mit eine Insulinpumpentherapie unverändert 20 bis 30 Prozent (3).

Zu wenige qualifizierte Behandlungseinrichtungen für die Betreuung moderner AID-Technologien 

Moderne AID-Systeme regulieren die Glukosemessung und Insulinabgabe teilautomatisch. Dabei ahmen sie die natürliche Funktion der Bauchspeicheldrüse nach. Das ermöglicht, täglich länger im Glukosezielbereich zu sein und das Risiko für Stoffwechselschwankungen zu verringern – insbesondere nachts. Studien zeigen demnach auch einen klaren Vorteil einer Langzeittherapie per AID-Systemen (5). Alle AID-Systeme setzen jedoch voraus, dass die Nutzenden umfassend geschult sind und in ungewöhnlichen oder kritischen Situationen richtig reagieren können. Momentan gibt es noch zu wenig qualifizierte Behandlungseinrichtungen für die Betreuung moderner AID-Technologien: „Für die jungen Erwachsenen mit Typ-1-Diabetes im Transitionsprozess ist es deshalb schwierig, eine Behandlungseinrichtung in der Nähe zu finden, die mit dem Auslesen von ambulanten Glukoseprofilen und der Anpassung von AID-Systemen vertraut ist“, so Neu.

Mehr Eigenverantwortung bei den neuen Technologien erfordert geschulte Ansprechpartner

Transition ist die geplante Überführung von den kinderzentrierten in die erwachsenenorientierten Versorgungssysteme. Die jungen Patientinnen und Patienten müssen Verantwortung für die Behandlung ihrer Erkrankung übernehmen und sich die dafür notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten aneignen. „Dieser sensible Prozess ist sehr störanfällig“, weiß Neu. „Hier verlieren wir immer noch zu viele Betroffene: Oft kommen sie erst wieder in eine diabetologische Behandlungseinrichtung, wenn sich diabetesbezogene Folgen eingestellt haben, die vermeidbar gewesen wären.“ Umso wichtiger sei es, dass der Übergang gezielt und individuell vorbereitet werde – und dass entsprechend qualifizierte Erwachseneneinrichtungen niederschwellig erreichbar sind.

Literatur
(1) Neu A.: Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Kindes- und Jugendalter, Diabetologie und Stoffwechsel 15, 2020. DOI: 10.1055/a-1193-3781
(2) Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2022. Herausgegeben von der Deutschen Diabetes Gesellschaft und DiabetesDE: https://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/fileadmin/user_upload/Gesundheitsb...
(3) Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2021. Herausgegeben von der Deutschen Diabetes Gesellschaft und DiabetesDE: https://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/fileadmin/user_upload/06_Gesundhei...
(4) Datz N et al. Wenn Menschen mit Typ-1-Diabetes erwachsen werden, Dtsch Med Wochenschr 2021; 146: 1200–120. DOI: 10.1055/a-1332-4603
(5) Clemens Kamrath, Sascha R. Tittel, Thomas M. Kapellen, Thekla von dem Berge, Bettina Heidtmann, Katrin Nagl, Ulrike Menzel, Simone Pötzsch, Katja Konrad, Reinhard W. Holl: Early versus delayed insulin pump therapy in children with newly diagnosed type 1 diabetes: results from the multicentre, prospective diabetes follow-up DPV registry, Lancet Child Adolesc Health. 2021 Jan;5(1):17-25. DOI: 10.1016/S2352-4642(20)30339-4

Quelle: Deutsche Diabetes Gesellschaft

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