CME: Moderne Behandlung von vorderen Kreuzbandverletzungen in Ballsportarten

Ballsportarten gehören zu den beliebtesten und am weitesten verbreiteten Sportarten weltweit und gerade auch in Deutschland stellen Fußball, Handball, Basketball und Volleyball mehr als die Hälfte aller Sportler, die sich in Vereinen organisieren. Speziell der Fußball stellt mit über sieben Millionen eingetragenen Fußballspielern sowie zusätzlich so vielen Hobbyfußballern außerhalb der Vereine eine Sportart dar, welche zur Gesundheitsförderung von jedermann getrieben werden kann. Außerdem bildet er mit seinen unterschiedlichen Leistungsklassen bis hin zum Profisport einen wichtigen Teil der Gesellschaft, besonders auch in den Medien. Dass Sport nicht nur gesundheitsfördernde Effekte hat, sondern auch Verletzungen nach sich ziehen kann, ist gerade auch aus Sportarten wie Fußball und Handball aus nationalen oder internationalen Publikationen bekannt.1,2 Jede Sportart beinhaltet dabei ihr eigenes Risikoprofil für Verletzungen, mit unterschiedlichen Verletzungsschwerpunkten.

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Die untere Extremität stellt in allen Ballsportarten diejenige Körperregion dar, die am häufigsten von Verletzungen betroffen ist, sowohl für traumatische Verletzungen als auch für Überlastungsschmerzsyndrome. Zu denjenigen Gelenken, die am häufigsten von Verletzungen betroffen sind, gehören vor allem das obere Sprunggelenk und das Kniegelenk, wobei speziell auch Muskelverletzungen am Oberschenkel nicht selten sind. Neben den leichteren Verletzungstypen, die am häufigsten auftreten, sind vor allem schwere Kniegelenksverletzungen, welche die Sportler aller Ballsportarten am meisten fürchten, da sie nicht selten eine Indikation zur OP darstellen, da sie eine lange Ausfallzeit nach sich ziehen können und besonders auch mittel- und langfristige Folgeerscheinungen haben können. Die Ruptur des vorderen Kreuzbandes (VKB) gehört in allen Ballsportarten zu den häufigsten schwerwiegenden Verletzungstypen, die sowohl im Handball und Fußball, als auch Basketball oder Volleyball ähnliche Verletzungsmechanismen zeigen.3

Anatomie und Funktion des vorderen Kreuzbandes

Das vordere Kreuzband (VKB)entspringt der Innenseite des lateralen Femurkondylus im Bereich des Fossa interkondylaris und zieht schräg nach vorne medial zu seinem tibialen Ansatz an der Eminentia interkondylaris. Obwohl das vordere Kreuzband zentral mitten im Kniegelenk sitzt, ist es entwicklungsgeschichtlich bedingt von einer eigenen Synovial­membran überzogen und kann somit als extraartikulär bezeichnet werden. Rein funktionell ist es für die Behandlung von vorderen Kreuzbandrupturen von entscheidender Bedeutung zu wissen, dass das VKB aus zwei Bündeln besteht: das antero-mediale Bündel und das postero-laterale Bündel. Diese Bündel haben nicht nur unterschiedliche Funktionen, sondern können auch bei Traumen isoliert reissen und somit ihre Funktion verlieren (Abb.1).

Funktion und Testmöglichkeiten

Die hauptsächliche Funktion der anterior-posterioren (AP) Translation der Tibia wird vor allem durch das antero-mediale Bündel gestellt, welches besonders bei einer 30° Flexionsstellung des Kniegelenkes am meisten anspannt. In dieser Position lässt sich auch die Stabilitätsfunktion nach AP im Rahmen des Lachman-Tests am besten darstellen.

Das postero-laterale Bündel zeigt eine besonders starke Funktion bei Rotationskräften, welches im Rahmen der klinischen Untersuchungen beim Pivot-Shift-Test getestet werden kann.4

Chirurgisch-anatomischer Bezug

Neben der rein klinisch-anatomischen Betrachtung der Funktionen des VKB, können wichtige Eckpfeiler der chirurgisch-anatomischen Betrachtung gerade für die Indikation und operative Versorgung eine wichtige Rolle spielen. Zu diesen anatomischen Punkten gehört u.a. die Tatsache, dass der sog. Footprint (Ansatz des VKB an tibialen und femoralen Knochen) unterschiedlich in seiner Form, aber immer an markanter Position vorhanden ist. Eine wichtige Weiterentwicklung der Kreuzbandchirurgie in den letzten 20 Jahren beinhaltet, dass es bei der operativen Rekonstruktion von entscheidender Bedeutung ist, rein anatomisch-orientierte Rekonstruktionen des VKB durchzuführen. Das bedeutet, dass jeder Bohrkanal, der für den Einzug eines Ersatztransplantates des VKB notwendig ist, individuell sowohl tibial als auch femoral angelegt wird, am besten da, wo das alte gerissen VKB seinen Reststumpf noch zeigt (Abb. 2,3).

VKB-Insuffizienz

Die Funktion des VKB wird dann besonders klar, wenn man nach VKB-Ruptur ohne VKB und ohne VKB-Ersatz, sprich mit einer sog. VKB-Insuffizienz, versucht seinen Lebensalltag von vor dem Unfall uneingeschränkt fortzuführen (Abb. 4). Hier wird gehäuft eine klinische Instabilität zu sehen sein. Diese verspürt der Patient einerseits direkt, indem er immer wieder wegknickt (Giving-way-Phänomen). Oder der Patient spürt es andererseits nicht direkt, aber er senkt subjektiv sein Leistungslevel so deutlich, dass die Instabilität erst sekundär auffällt.

Rupturen nur eines VKB-Bündels sind häufig noch gut zu kompensieren, jedoch zeigen Komplettrupturen des VKB keine Heilung der Fasern, wie es vom hinteren Kreuzband bekannt ist und Agonisten können dies auch nur unzureichend kompensieren. Richtungswechsel oder starkes Abbremsen, wie es für Ballsportarten typisch ist, führen zu einem Instabilitätsgefühl der Patienten, dass dann auch nicht nur ein unangenehmes Gefühl bleiben muss, sondern zu einer Subluxation des Gelenkes mit Folgeverletzungen vor allem am Meniskus und Gelenkknorpel führen kann (Abb. 5).

Pathomechanismus und Verletzungsumstände

VKB-Rupturen entstehen meist, wenn das Knie in die X-Bein-Stellung gerät und sich das Knie dabei nach innen dreht (Valgus-Innenrotationstrauma), während der Schwerpunkt des Körpers hinter den Kniegelenken liegt und die ­Beine ungleichmäßig belastet werden. Das passiert meist, wenn man nach einem Sprung oder langen Schritt landet oder abrupt die Laufrichtung ändert, dabei plötzlich stoppt oder sich das Kniegelenk bei gleichzeitiger voller Belastung des Beines im Kniegelenk dreht.

VKB-Rupturen sind mit einer Inzidenz von 1:3.500 Einwohnern eine der häufigsten Verletzungen des Kniegelenks, wobei Frauen im Sport ein bis zu siebenfach höheres Risiko haben können, eine solche Kreuzbandruptur zu erleiden. Ursachen dafür sind hormoneller Natur und funktioneller Natur, außerdem eine andere muskuläre Unterstützung des Kniegelenkes sowie eine ­größere Bandlaxizität.

Wichtige Einflussfaktoren und Gründe für VKB-Rupturen sind durchaus bekannt. Hierzu gehören in aller erster Linie eine (nicht oder insuffizient ausgeheilte) Vorverletzung am betroffenen Kniegelenk, an der betroffenen unteren Extremität oder insgesamt beim Sportler. Wozu interessanterweise nach letzten wissenschaftlichen Untersuchungen u.a. auch eine vorherige Gehirnerschütterung gehören kann.

Weitere Einflussfaktoren für den typischen Verletzungsmechanismus in Ballsportarten sind eine muskuläre Dysbalance bis hin zur Dominanz des Quadrizeps über die Hamstring-Muskulatur, der dynamische Valgus im Kniegelenk und eine Schwäche in der Becken-Bein-Achse oder eine Rumpfstabilität bei einer Landung nach einem einbeinigen Sprung.5 Zusätzlich sind in jeder Sportart weitere sportart-spezifische Einflussfaktoren auf VKB-Rupturen zu verzeichnen. Beispielsweise kann im Fußball eine Häufung der VKB-Ruptur-Rate zu Beginn der Saison verzeichnet werden und zwar speziell am technisch besser ausgebildeten Schussbein und weniger am robusteren Standbein. Dies geschieht selten mit vollem Körperkontakt, häufig aber mit einem Störfaktor, der häufig ein taktiler Reiz auf den betroffenen Spieler in einem Zweikampf sein kann.

Viele der Faktoren, die zu einer VKB-Ruptur beitragen können, sind prinzipiell veränderbar, jedoch gibt es mit einer engen „interkondylaren Notch“ oder einer größeren „Slope“ des Tibiakopfes auch anatomische nicht-veränderbare Faktoren, die zur Entstehung einer VKB-Ruptur beitragen können. Sobald Verletzungsmechanismen, wie eine Rotation des Kniegelenkes bei fixiertem Unterschenkel und einem dynamischen Valgus, ein Hyperflexionstrauma oder ein Hyperextensionstrauma als alternative Verletzungsmechanismen entstanden sind, kommt es zu einer Belastungsspitze am VKB und es reißt am proximalen Ansatz (häufig) oder knöchern am distalen Ansatz (knöchernes Ansatz-Fragment).

Diagnostische Strategien bei VKB-Ruptur

Die Diagnostik der VKB-Ruptur kann bei frisch verletzten Sportlern eine Herausforderung für den Untersucher darstellen, da die initiale Reaktion des verletzten Kniegelenkes mit Reizung, Schmerzen, Hämatom/Hämarthros oder Weichteilschwellung die klinische Untersuchung erschweren und eine klinische Instabilität maskieren können. Eine Verlaufs­kontrolle einige Tage nach der primären Untersuchung ist daher für unerfahrene Untersucher oft angeraten, um in der körperlichen Untersuchung Hinweise für eine VKB-Ruptur entdecken zu können.

Zu den wichtigsten klinischen Tests für den Nachweis einer VKB-Ruptur gehört in erster Linie der Lachman-Test, eine ­anteriore tibiale Translation in 20° Flexionsstellung, die auch beim frisch verletzten Patienten suffizient durchgeführt werden kann.

Einen weiteren Test stellt der Pivot-Shift-Test dar, der eine Subluxation des Tibiakopfs im dynamischen Test zur Analyse der Rotationsinstabilität ist, der aber häufig nur beim narkotisierten Patienten möglich ist.

Beide Tests sollten graduiert in 3 Schweregraden (1+ bis 3+) dargestellt werden, wo speziell beim Lachman-Test auch angegeben werden kann, ob bei maximalem Zug am Unterschenkel ein Anschlag vorhanden ist oder nicht. Weitere klinische Tests zur Diagnostik der VKB-Ruptur sind ebenfalls vorhanden, auch in der DGU-Leitlinie erwähnt, aber im praktischen Alltag nachrangig verwendet. Da für die Indikation zur gewählten Therapie insbesondere der funktionelle Status des Kniegelenkes beurteilt werden muss, hat die klinische Untersuchung in jedem Fall Priorität vor der Aussagekraft bildgebender Maßnahmen.

Röntgenbild in zwei Ebenen

Ein initiales Röntgenbild in zwei Ebenen ist primär zu empfehlen und kann eine knöcherne Verletzung am Kniegelenk ausschließen. Das ist von großer Bedeutung, da knöcherne Kniegelenksverletzungen (Beispiel am VKB: knöcherner distaler Ausriss beim juventilen und adoleszenten Patienten) meist zeitnah ohne relevante zeitliche Verzögerung operativ behandelt werden müssen.

Magnetresonanztomographie

Die Magnetresonanztomographie (MRT) stellt zur Darstellung einer VKB-Ruptur sowie zum Ausschluss von Begleitverletzungen an Knorpel, Meniskus oder an anderen Bandstrukturen am Kniegelenk ein wichtiges diagnostisches Mittel dar. Eine MRT-Untersuchung zeigt eine Kreuzbandverletzung suffizient an, jedoch muss auch beachtet werden, dass die Differenzierung zwischen Teilruptur und vollständiger Ruptur des VKB nicht immer eindeutig möglich ist. Deshalb ist eine Kombination von MRT-Befund und dem in der klinischen Untersuchung festgestellten Grad der Instabilität für die Wahl der Therapie entscheidend.4

Prinzipien der konservativen Therapie

Eine VKB-Ruptur kann prinzipiell konservativ behandelt werden. Jedoch muss heutzutage gerade Ballsportlern klar sein, dass die konservative Therapie Limitierungen hat und deutliche Defizite in der Funktionalität und Stabilität verbleiben können. Im Vergleich zur operativen Therapie kann die konservative Therapie bei Sportlern nur selten eine nachhaltige und gleichwertige Rückkehr in denselben Sport bieten. Da das VKB im Vergleich zum hinteren Kreuzband eine reduzierte Selbstheilungstendenz hat, muss die Indikation zur konservativen Therapie unter Berücksichtigung bestimmter Kriterien gestellt werden. Während Partialrupturen des VKB mit suffizienter Rehabilitation dann auch mit zufriedenstellender Stabilität verheilen können, erreichen höhergradige Teilrupturen oder Komplettrupturen des VKB selten eine ausreichende Stabilität für den Sportler.6

Ob ein Sportler die verbleibende Instabilität kompensieren kann, hängt neben einer suffizienten konservativen Therapie auch von der Erwartungshaltung oder dem Aktivitätslevels des Sportlers ab. Bei Patienten mit hohem Leistungsanspruch im Privatleben, Berufsleben oder bei Sportlern allgemein kann man zwar einen konservativen Therapieversuch wagen, es werden aber selten eine nachhaltige und für den Sportler zufriedenstellend stabile Situation für das betroffene Kniegelenk erreicht werden.

Bei Kompensierung der Instabilität sind die Ergebnisse für die Normalbevölkerung bei konservativer Therapie gut, jedoch für Sportler nicht ausreichend. Eine Rückkehr zum selben Sportlevel und zur selben Sportart von vor der Verletzung ist bei verbliebener Instabilität und konservativer Therapie in der Regel deutlich eingeschränkt und bringt das hohe Risiko einer erneuten Verletzung des betroffenen Kniegelenks mit sich. Insgesamt ist die konservative Therapie daher eine Therapieoption, beim Sportler muss aber in Verlaufskontrollen entschieden werden, ob eine Konversion zur operativen Stabilisierung notwendig ist, was selbst bei den wichtigsten evidenzbasierten Studien weltweit notwendig war.7

Ob und inwiefern heutzutage eine gute Kompensation der VKB-Instabilität für den Patienten individuell vorausgesagt werden kann, hat eine Übersichtsarbeit kürzlich untersucht.8 Hierbei konnte die Arbeit von den Autoren aus Mitgliedern des Ligament Komitees von AGA (Arbeitsgemeinschaft für Arthroskopie) und der Deutschen Kniegesellschaft (DKG) eine klare Limitierung der modernen Diagnostik diesbezüglich ausmachen. Kraft, Propriozeption und bestimmte Bewegungsmuster können nach Unfall und vor der Entscheidung zur Therapie getestet werden und theoretisch Hinweise geben, ob eine Kompensation der VKB-Insuffizienz durch den jeweiligen Patienten möglich ist oder nicht. Allerdings sind diese Tests erst möglich, wenn der Patient nach Trauma schmerz- und beschwerdefrei ist und eine gewisse Rehabilitation durchlaufen hat, um objektiv darstellen zu können, ob die Reha-Maßnahmen auf Faktoren wie Kraft und Propriozeption wirken oder nicht. Da solche Maßnahmen häufig viele Wochen bis Monate in Anspruch nehmen und viele Patienten diese Entscheidung z. B. aus beruflichen Gründen (Profi-Sport) nicht abwarten können oder auch nicht wollen, werden heutzutage andere Kriterien für die Entscheidung, ob eine operative Rekonstruktion des VKB notwendig ist oder nicht, herangezogen. Zu diesen Kriterien zählt neben der Berufsanamnese und dem täglichen Belastungsprofil auch das Alter des Patienten sowie die eigenen Wünsche und Ansprüche an die Zukunft. Da gerade vielen jungen Patienten unter dem 25. Lebensjahr diese Verletzung passiert und in diesem Alter noch gar kein endgültige Zukunftsperspektive für private, sportliche oder berufliche Ziele abgegeben werden kann, muss bei den gemeinsamen Überlegungen immer vom höchstmöglichen Anspruch ausgegangen werden. Aus diesem Grund ist eine Indikation zur VKB-Ersatzplastik auch meist gerechtfertigt und wird in Deutschland auch regelmäßig durchgeführt.

Prinzipien der operativen Therapie

Es gibt bei der operativen Behandlung zwei grundsätzlich unterschiedliche Therapieprinzipien, die beide arthroskopisch-gestützt durchgeführt werden können. Die „Ersatzplastik“ des VKB unter Verwendung einer körpereigenen Sehne als Transplantat ist eine seit 20 Jahren etablierte Methode, die gute klinische Ergebnisse bietet. Die Refixationstechniken mit Erhalt des eigenen VKB sind nur eingeschränkt (proximale frische Rupturen) indiziert und weisen deutlich schwächere kurz- und mittelfristige Ergebnisse für Sportler auf.

Die Indikation zum VKB-Ersatz hängt, wie oben beschrieben, vom subjektiven Instabilitätsgefühl des Sportlers ab, aber auch die Art des sportlichen Anspruchs oder mögliche intraartikuläre Begleitverletzungen fließen in die Therapieentscheidung ein. Begleitverletzungen wie Meniskusrisse oder Knorpelschäden erfordern eine operative Behandlung und somit auch automatisch eine operative Mitversorgung des VKB.

Der ideale Operationszeitpunkt wird mit dem Begriff eines „reizfreien Kniegelenks“ (gute Beweglichkeit, geringe Schwellung) zum Zeitpunkt der Operation beschrieben, wobei heutzutage kaum Gründe gegen eine sofortige Operation sprechen.9

Transplantatwahl

Der VKB-Ersatz wird üblicherweise mit einem körpereigenen Sehnenmaterial durchgeführt, meist werden die Semitendinosussehne mit/ohne Gracilissehne oder auch die Patella- oder Quadrizepssehne verwendet. Klare Vorgaben zur Wahl des besten Transplantates können in der Literatur bis zum heutigen Tage nicht gefunden werden.

Einheilungszeiten, Remodelingphasen und Rissfestigkeit sind hierbei die Themen, die in der Vergangenheit multipel wissenschaftlich untersucht wurden.

Co-Morbiditäten nach Sehnenentnahme ist ebenfalls ein sehr wichtiges Thema bei der Transplantatwahl, da gerade die Verwendung der Patellasehne einen starken anterioren Knieschmerz auslösen kann, wie es in dieser Form bei den anderen Transplantaten nicht der Fall ist. Andererseits entnimmt man bei der Verwendung der Semitendinosussehne einen wichtigen Agonisten des VKB, was ebenfalls Nachteile bringen kann. Eine Transplantatwahl ohne Co-Morbiditäten wäre nur bei Verwendung von Allografts oder künstlichen VKB-Transplantaten möglich, jedoch hat sich das in der Vergangenheit nicht bewährt und zeigte schlechtere Ergebnisse. Die als VKB-Transplantat meist genützte Sehne ist heutzutage im Amateur- und Profifußball die Semitendinosus-Sehne.

Footprint

Die Sehne kann nur dann als anatomischer Ersatz des VKB eingebracht werden, wenn Bohrkanäle an Tibia oder Femur zur Transplantatverankerung exakt an den anatomischen Ansatzpunkten des eigenen VKB orientiert werden, dem Footprint. Die Knochenbohrungen werden unter arthroskopischer Sicht durchgeführt und müssen so angelegt werden, dass die Bohrungen auch tatsächlich den anatomischen Footprint als Ziel treffen. Das Transplantat, welches meist eine 7–8 cm lange Sehne mit 7–10 mm Durchmesser ist, wird nach Entnahme mit Fäden armiert, sodass es dann mit Fadentechniken durch die Knochenkanäle gezogen werden kann. Nach Transplantateinzug wird die Ersatzplastik durch eine femorale sowie tibiale Fixierung gelenknah mit (resorbierbarer) Interferenzschraube oder gelenkfern extrakortikal mit „Button“ (Titanknopf) befestigt.

VKB-erhaltende Techniken

VKB-erhaltende Techniken sind verschiedene Formen der Refixationen. Proximale Kreuzbandrupturen weisen im Vergleich zu anderen Rupturtypen ein etwas höheres Heilungspotenzial auf und sind daher typische Indikation dafür, wenn sie im Idealfall frisch und innerhalb von drei Wochen nach Unfall operiert werden. Eine dynamische Verankerung des rupturierten VKB-Stumpfes, Augmentationen mit FiberWire-Fäden oder klassische Refixationen mit Knochenankern am proximalen Ansatz sind technisch zwar möglich, jedoch nur bei eingeschränkten Indikationen zu empfehlen. Diese Techniken zeigen auch höhere Re-Ruptur- und Revisionsraten sowie vermehrte Insuffzienzraten.6,10

Rehabilitation und Entscheidung zur Rückkehr in den Sport

Neben einer guten Stabilität im verletzten Kniegelenk, die meist nur durch eine operative Stabilisierung erreicht werden kann, ist die Erlangung einer guten Funktion des verletzten Beines durch eine adäquate Rehabilitation eine Schlüsselaufgabe der Therapeuten.11 Beweglichkeit, Propriozeption, Muskelkraft und Reintegration des Kniegelenks in komplexe Bewegungsabläufe sind bei einer VKB-Ersatzplastik wichtige Ziele der Nachbehandlung. Gerade in der Frühphase der Rehabilitation ist die Berücksichtigung der Heilungsphasen des Transplantats und die Erholung des Kniegelenks von der Operation vorrangig. Die Verwendung einer Orthese ist nicht essenziell notwendig, kann das Knie aber gerade in der Frühphase vor unvorhersehbaren Stürzen oder Überbelastung schützen, wenn der Patient noch unsicher mit der Teilbelastung ist. Der Übergang vom normalen Gehen im Alltag zur sportlichen Bewegungsmustern zeigt in verschiedenen Ballsportarten und Spielklassen unterschiedliche Variationen und benötigt somit unterschiedliche rehabilitive und übende Maßnahmen.

Eine Rückkehr zum Wettkampf in Ballsportarten kann bei Profisportlern meist erst nach neun Monaten ermöglicht werden12, im Amateursport sind tendenziell 12 Monate Ausfallzeit bis zur Rückkehr in den Wettkampf zu erwarten. Die Entscheidung über die Fähigkeit eines Sportlers zur Wiedereingliederung in sportliche Aktivitäten wie das normale Laufen oder in sportartspezifische Bewegungen der Ballsportarten werden heutzutage durch spezifische Testungen unterstützt.

Diese sog. Return-to-play-Tests sollen Aussagen über Kriterien wie Athletik, Agilität, Neuromotorik oder Sprung- und Standbeinstabilität bieten und können vor Rückkehr auf den Platz durchgeführt werden. So können die ggf. noch vorhandenen Defizite des Sportlers an der ehemals verletzten Extremität dargestellt werden.1,13 Gerade der Vergleich zum Leistungslevel von vor der Verletzung (Voruntersuchungen zu Saisonbeginn sind wünschenswert) oder der Vergleich zur unverletzten Extremität (Erreichen von mehr als 90 % der Funktionskriterien) sind dabei maßgebend.


Langzeitfolgen

Der protektive Effekt auf sekundäre Meniskus- oder Knorpelschäden durch die VKB-Ersatzplastik ist erwiesen. Jedoch war lange Zeit unklar, ob auch die Entstehung einer Gonarthrose verhindert werden kann. Eine neueste 10-Jahres-Verlaufskontrolle nach modernen OP-Techniken konnte erstmals nachweisen, dass die operative Stabilisierung der VKB-Ruptur eine Arthrose bei jungen Patienten reduzieren kann. In jedem Fall ist der Erhalt einer uneingeschränkten Funktionalität nach der VKB-Ruptur für Sportler entscheidend. Hierbei ist besonders wichtig, dass eine frühfunktionelle Behandlung zur Erreichung einer vollen Beweglichkeit und Stabilität möglich ist. Die operative Stabilisierung zeigt hierbei im Vergleich zur konservativen Therapie eine besser Anfangsstabilität sogar noch vor Einheilung des Transplantates. Dass die operative Therapie eine lange Ausfallzeit nach sich zieht, ist der langen Zeit bis zum Erreichen der vollen Funktionalität geschuldet, andererseits auch durch die Einheilungszeit des Transplantates und das Remodeling des Transplantates als Sehnengewebe zu einem Bandersatz bedingt.6


Fazit

Ballsportarten haben ein gewisses Risiko für Verletzungen, insbesondere auch für VKB-Rupturen durch ihre sportartspezifischen Bewegungsmuster und Risikosituationen im Wettkampf. Die modernen Techniken der Ersatzplastik können nach VKB-Rupturen zu einer Wiederherstellung der Stabilität und somit auch zu einer hohen Rückkehr-Rate in den Sport führen. Konservative Therapiemaßnahmen sind bei der Behandlung von Sportlern den operativen Therapiemaßnahmen unterlegen, betroffene Sportler sollten jedoch über alle Therapieprinzipien aufgeklärt werden. Nach VKB-Ruptur ist das Erreichen von Stabilität und Funktionalität durch OP und Rehabilitation das Gesamtziel, das es ermöglicht, dass Sportler zu ihren Ballsportarten zurückkehren können. Da noch nicht eindeutig belegt ist, dass durch die operative Stabilisierung eine Gonarthrose verhindert werden kann, sollten auf Präventionsstrategien zur Verhinderung von VKB-Rupturen größte Aufmerksamkeit gelegt werden.15


Literatur 

1 Achenbach L, Krutsch W, Koch M et al. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc. 2019 Mar;27(3):991-999.
2 Loose O, Fellner B, Lehmann J et al. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc. 2019 Mar;27(3):978-984.
3 Ekstrand J, Krutsch W, Spreco A et al. Br J Sports Med. 2019 Jun 10. pii: bjsports-2019-100666. doi: 10.1136/bjsports-2019-100666. [Epub ahead of print]
4 Barie et al. (2016) Diagnostik des Kniegelenksapparates. AGA-ligament-Komitee. Untersuchungsheft, AGA Kongressausgabe 2016.
5Angele P, Eichhorn HJ, Hoffmann, Krutsch W (2013) Prävention von vorderen Kreuzbandrupturen. Arthroskopie aktuell, SFA-Stiftung - Sonderausgabe, Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie.
6 Rauch G, Schoepp C, Herbort M, Krutsch W (2019) Vordere Kreuzbandverletzungen – Bewährte und neue Therapien. Medizinreport. Deutsches Ärzteblatt 116 (13): 520.
7 Frobell RB, Roos EM, Roos HP et al. N Engl J Med. 2010 Jul 22;363(4):331-42. doi: 10.1056/NEJMoa0907797.
8 Diermeier T, Herbort M, Imhoff AB, Petersen W, Krutsch W. Kann eine Ruptur des vorderen Kreuzbands funktionell kompensiert werden? Knie J. 2019; 1: 118-122.
9 Krutsch W, Zellner J, Baumann F et al. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc. 2017 Feb;25(2):418-425
10 Herbort et al. (2018) VKB-Ruptur-Therapie. AGA-ligament-Komitee. Untersuchungsheft, AGA Kongressausgabe 2018.
11 Hoffmann H, Krutsch W, Loose O (2018) Principles and limitations of prehab and RTP strategies. In Musahl et al (2018) Return to play in football. An evidence-based approach. Springer-Verlag
12 Krutsch W, Memmel C, Krutsch V et al. High return to competition rate following ACL injury - A 10-year media-based epidemiological injury study in men‘s professional football. Eur J Sport Sci. 2019 Aug 18:1-9. doi: 10.1080/17461391.2019.1648557. [Epub ahead of print]
13 Loose O, Achenbach L, Fellner B et al. Arch Orthop Trauma Surg. 2018 Jul;138(7):985-992.
14Krutsch W, Zeman F, Zellner J et al. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc. 2016 Jul;24(7):2271-9. doi: 10.1007/s00167-014-3357-y. Epub 2014 Oct 8.
15 Krutsch W, Lehmann J, Jansen P et al. Prevention of severe knee injuries in men‘s elite football by implementing specific training modules. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc. 2019 Sep 20. doi: 10.1007/s00167-019-05706-w. [Epub ahead of print

 

Finanzielle Interessenkonflikte: Thomas Kobes und Werner Krutsch geben an, dass keine finanziellen Interessenkonflikte bestehen.

Nicht finanzielle Interessen: PD Dr. Krutsch ist Leitender Verbandsarzt des Bayerischen Fußballverbandes und leitet auch das FIFA-Fußball-Exzellenzzentrum in Regensburg. Er ist Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU, Sektion Prävention), in der Gesellschaft für Arthroskopie und Gelenkchirurgie (AGA, Ligament Komitee), in der Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin (GOTS, Kommission Prävention), in der Europäischen Gesellschaft für Sporttraumatologie, Kniechirurgie und Arthroskopie (ESSKA), Mitglied als Gründungsmitglied in der European Sports Medicine Associates (ESMA), Secretary and board member (ESSKA/ESMA), im Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) sowie im Bayerischen Sportärzteverband (BSÄV).

Nicht finanzielle Interessen: Thomas Kobes ist Mitglied in der Deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft für Arthroskopie, Deutschen Assoziation für orthopädische Fußchirurgie e.V., im Berufsverband für Facharzte für Orthopädie und Unfallchirurgie, in der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und orthopädischer Chirurgie sowie der Deutschen Fußballärztemannschaft.

 

PD Dr. med. Werner Krutsch1,2,3,4, 
Dr. med.Thomas Kobes1,2


1 SportDocsFranken, Nürnberg
2 Deutsche Fußballärztemannschaft 
3 Universitätsklinikum Regensburg, 
Klinik für Unfallchirurgie
4 Medizinische Kommission DFB und Task Force Sportmedizin & Spielbetrieb DFL/DFB
 

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