Medizinstudierende „praktisch“ im Dauereinsatz

Eine Umfrage unter angehenden Ärztinnen und Ärzten des Marburger Bundes zeigt: Medizin­studierende sind im Praktischen Jahr einer hohen Belastung durch den Personalmangel in den Krankenhäusern ausgesetzt.

Mehr als die Hälfte der Medizin­studierenden im Praktischen Jahr (PJ) verbringt 40 bis 50 Stunden pro Woche in der Klinik, auch Dienste in der Nacht und an Wochenenden sind im letzten Abschnitt des Medizinstudiums keine Seltenheit. Grund für die wachsende Belastung der angehenden Ärztinnen und Ärzte ist der Personalmangel in den Krankenhäusern. Das geht aus der Online-Umfrage „PJ-Barometer 2023“ des Marburger Bundes hervor, an der im März/April dieses Jahres rund 1.700 Medizinstudierende im PJ sowie Ärztinnen und Ärzte, deren PJ nicht länger als drei Jahre zurückliegt, teilgenommen haben.  

Nacht- und Wochenenddienste mehr als einmal im Monat

55 % der Teilnehmenden verbrachte im Rahmen des ersten PJ-Tertials 40 bis 50 Stunden pro Woche im Krankenhaus, 5 % sogar mehr als 50 Stunden. Etwa 40 % waren weniger als 40 Stunden in der Klinik. Zusätzliche Dienste in der Nacht und am Wochenende kommen bei knapp der Hälfte der Befragten wenigstens einmal im Monat vor. Angesichts der schwierigen Personalsituation sind PJler überall dort im Einsatz, wo sie gerade in der Versorgung gebraucht werden. Diese Situation spiegelt sich auch in den Freitextantworten der Umfrage. 

Keine Lückenbüßer

„Die Lehrkrankenhäuser und Unikliniken sind zu einer guten praktischen Ausbildung gesetzlich verpflichtet. Wir erwarten, dass sie diesen Auftrag erfüllen und Studierende im PJ nicht wie billige Hilfskräfte behandeln. Es geht im PJ um die Vertiefung der im Studium erworbenen ärztlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten und nicht darum, uns als Lückenbüßer zu missbrauchen“, kommentierte Pauline Graichen, Vorsitzende des Sprecherrates der Medizinstudierenden im Marburger Bund, die Ergebnisse der Befragung.

Selbststudium leidet, Wertschätzung gut

Angesichts der hohen Belastung im PJ finden 39 % der Befragten nicht ausreichend Zeit zum Selbststudium neben der praktischen Ausbildung (z. B. in Form eines Studientags). Immerhin 61 % haben ausreichend Zeit dafür. Die Qualität der Lehre im ersten PJ-Tertial wird überwiegend als sehr gut (16 %) und gut (35 %) bewertet, für rund 31 % ist sie befriedigend, 14 % bewerten sie als unbefriedigend und knapp 5 % sogar als schlecht. Überwiegend positiv nehmen die PJler auch das Bemühen der ärztlichen Kolleginnen und Kollegen wahr, ihnen mit Wertschätzung zu begegnen. Ausreichend wertgeschätzt fühlen sich 69 %, 23 % vermissen diese Wertschätzung und etwa 8 % sind unentschieden.

Auf Unterstützung angewiesen

Ein Großteil der Befragten (78 %) ist auf elterliche Zuwendungen angewiesen, an zweiter Stelle rangiert die monatliche PJ-Aufwandsentschädigung (Geld- und Sachleistung). Bei 52 % der Befragten setzt sich die Finanzierung des Lebensunterhalts hauptsächlich aus der Aufwandsentschädigung und zusätzlicher familiärer Unterstützung zusammen. In der Regel liegt die monatliche Aufwandsentschädigung deutlich unterhalb des BAföG-Höchstsatzes von derzeit 934 €. Knapp 17 % erhalten nur bis zu 300 € Aufwandsentschädigung während des PJ und 11 % gar keine Geld- oder Sachleistung der Ausbildungsstätte. Diese heterogene Praxis der Lehreinrichtungen könne nur durch eine obligatorische, bundeseinheitliche, existenzsichernde Aufwandsentschädigung für alle im PJ beendet werden, heißt es vom Marburger Bund.

Anästhesiologie beliebt 

Ihre weitere berufliche Zukunft sehen die PJler zunächst im stationären Versorgungsbereich (88 %), wo auch überwiegend die Facharztweiterbildung stattfindet. Immerhin knapp 7 % wollen ihre ärztliche Laufbahn im ambulanten Bereich fortsetzen und nur 3 % sehen ihre weitere Zukunft außerhalb der Patientenversorgung. Spitzenreiter bei den Fachgebieten ist die Anästhesiologie: 16 % der Befragten streben eine Weiterbildung in diesem Fach an. An zweiter Stelle rangiert die Innere Medizin ohne Schwerpunkt (11 %), auf dem dritten Platz das Fach Allgemeinmedizin (10 %).

Quelle: Marburger Bund

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