Abmahnung – was nun?

Sixtus Allert. In den letzten Jahren ist die Medizin mit zwei Entwicklungen konfrontiert worden, die grundsätzlich zu begrüßen sind, dennoch aber auch Probleme aufwerfen: Zum einen hat sich das Werbeverbot für Ärzte in ein Werberecht gewandelt. So sind zum Beispiel nach § 27 Musterberufsordnung sachliche berufsbezogene Informationen grundsätzlich gestattet und Werbung ist erlaubt, wenn diese nicht anpreisend, irreführend oder vergleichend ist. Zum anderen hat sich das Internet durch die sozialen Medien zu einer dynamischen digitalen Welt gewandelt, in der Nutzer aktiv unterwegs sind.

Zitierweise: HAUT 2023;34(5):242-243.

Ärztinnen und Ärzte nutzen die sozialen Medien, um über ihre Tätigkeiten, Behandlungsschwerpunkte und -ergebnisse zu informieren und über Methoden aufzuklären. Vielfach finden sich in den sozialen Medien auch Ausbildungsangebote. Natürlich ist all dies dazu geeignet, insgesamt für die eigene Praxis oder Klinik zu werben. Das vormalige berufsrechtliche Werbe­verbot bedeutet nicht mehr, dass jegliche Werbung unzulässig ist – sondern nur berufswidrige. 

Der Handlungsrahmen der werbenden Tätigkeit von Ärztinnen und Ärzten in den digitalen Medien wird im Wesentlichen bestimmt vom Berufsrecht, vom Wett­bewerbsrecht – hier insbesondere vom Heilmittelgewerbegesetz und vom Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb – sowie vom Markenrecht und auch vom Datenschutzrecht. In der jüngeren Vergangenheit wurden durch Urteile diverse Präzisierungen von werbenden Tätigkeiten in den digitalen Medien vorgenommen. So ist es zum Beispiel unzulässig, mit Pauschalpreisen oder Rabatten zu werben. Ebenso unzulässig sind das Verlosen oder das Verschenken von Beratungen, Behandlungen oder Operati­onen. 

Trotz Präzisierungen: nach wie vor umstrittene Aspekte

Umstritten sind Werbungen mit Empfehlungen, zum Beispiel mit dem Fokus-Siegel, die Definition eines operativen Eingriffes und das Verwenden von Vorher-nachher-Bildern. Ebenso problematisch ist das Einbetten oder Verlinken von Beiträgen in den eigenen Auftritt. 

Zu den Fokus-Siegeln wurde vor dem Landgericht München durch die Wett­bewerbszentrale ein Prozess geführt. Im ausgeurteilten Fall wurde das Verwenden des Siegels zunächst verboten, allerdings wurde seitens des Verlages Revision eingelegt. Die Wettbewerbszentrale wird vor weiteren Schritten zunächst die höher- und höchstgerichtlichen Entscheidungen abwarten. 

Vom Landgericht Frankfurt wurde – recht spektakulär – die bisherige Rechtsprechung dahingehend abgeändert, dass Unterspritzungen nun auch als operative Eingriffe verstanden werden. Insofern ist die werbende Darstellung mit Vorher-nachher-Bildern von Unterspritzungen derzeit nicht zulässig. 

Besonders umstritten ist die Darstellung von Ergebnissen mit Vorher-nachher-­Bildern. Wenn für den abgebildeten Eingriff eine medizinische Indikation vorliegt, ist eine Darstellung mit Vorher-nachher-Bildern zulässig. Allerdings lautet die Stoßrichtung der Urteile in vielen ausgeurteilten Fällen: Es ist nicht entscheidend, was der Arzt als medizinische Indikation definiert, sondern was im Auge eines durchschnittlichen Verbrauchers auf den Bildern zu sehen ist. Insofern sollte eine klare medizinische Indikation vorliegen, die auch gut und reproduzierbar begründet ist, bevor entsprechende Bilder verwendet werden. 

Unabhängig davon sind natürlich alle sonstigen Bedingungen für den Gebrauch von Bildern in digitalen Medien zu beachten. 

Ebenfalls kritisch ist das Einbetten und Verlinken von Beiträgen zu sehen. Hier hat das Landgericht Köln 2020 entschieden, dass die Einbettung vergleichender Vorher-nachher-Bilder eines anderen Accounts unzulässig ist, wenn sie nicht die oben genannten Bedingungen erfüllen. 

Einige Entscheidungen bekräftigen das Verbot der Werbung und der Empfehlung für Dritte, das aus der Musterberufsordnung abgeleitet wird. Es gilt, dass die Darstellung eines Verfahrens erlaubt ist, auch die Abbildung von Geräten ist durchaus erlaubt, wenn der Gerätename nicht offensiv ins Zentrum des Bildes gebracht wird oder der Name des Herstellers deutlich genannt wird. 

Bei Abmahnungen erfolgt die Rechtsprechung immer im Rahmen einer Einzelfallprüfung – mithin gelten also keine immer gleichen und klaren Regeln. 

Abmahnung: Und jetzt?  

Abmahnungen sind Aufforderungen, Handlungen – z. B. bestimmte Werbemaßnahmen – zu unterlassen. Zur Durchsetzung entsprechender unterstellter Ansprüche dienen so genannte „strafbewehrte Unterlassungserklärungen“. Das Verfahren wird zum Beispiel von Ärztekammern, der Wettbewerbszentrale oder von so genannten Wettbewerbsvereinen, Verbraucherschützern oder auch Wettbewerbern in Gang gesetzt. 

Grundsätzlich sollten Sie Abmahnungen vermeiden, indem Sie etwa die oben aufgeführten Hinweise beachten. Wenn Sie eine Abmahnung erhalten, wäre es die schlechteste aller Lösungen, diese zu ignorieren, weil Sie glauben, soweit alles richtig gemacht zu haben. Sie sollten im Gegenteil unbedingt aktiv werden, zum Beispiel, indem Sie einen mit solchen Fragen vertrauten juristischen Beistand einschalten. Es ist ungut, ohne juristischen Rat strafbewerte Unterlassungserklärungen zu unterschreiben. Denn oft erkennt eine juristische Prüfung Mängel der vorliegenden Abmahnung. So sollte geprüft werden,

  • ob der Absender berechtigt ist, abzumahnen,
  • ob der Sachverhalt korrekt dargestellt ist,
  • ob tatsächlich ein Wettbewerbsverstoß vorliegt,
  • ob die Unterlassungserklärung korrekt formuliert ist und
  • ob eine Serienabmahnung vorliegt.

Neben der juristischen Hilfe können Sie durchaus darüber nachdenken, die Hilfe Ihrer Fachgesellschaft in Anspruch zu nehmen. Diese hat vielfach einen guten Überblick darüber, was derzeit hinsichtlich Abmahnungen im entsprechenden Fach­gebiet erlebt wird. 

Zu einem Prozess kommt es, wenn die abmahnende Stelle weiterhin von ihrer Begründung überzeugt ist – und dies, obwohl die Prüfung der Abmahnung ergeben hat, dass der beschriebene Sachverhalt nicht dazu geeignet ist, eine Abmahnung auszusprechen, oder obwohl einer der oben genannten Gründe gegen eine Unterschrift unter die strafbewehrte Unterlassungserklärung spricht. Dann wird im Rahmen einer Einzelfallentscheidung geprüft werden, ob und in welcher Form die ausgesprochene Abmahnung korrekt erfolgt ist. 

Droht ein Prozess, sollten Sie vorher mit Rechtsschutzversicherungen, Berufs­verbänden und Fachgesellschaften klären, ob für eine solche prozessuale Auseinandersetzung einer Kostenübernahme zugesagt werden kann.  

Fazit

Wir in Deutschland haben hinsichtlich Nutzung sozialer Medien unter angemessenen rechtlichen Rahmenbedingungen ein erhebliches Entwicklungspotenzial. Dies ist umso bemerkenswerter, als dass in vielen europäischen und internationalen Systemen ganz andere rechtliche Bedingungen gelten, sodass viele Patienten nach entsprechenden Informationen über operative Möglichkeiten ins Ausland abwandern. Das gilt es zu verändern.

Korrespondenzadresse

Dr. Sixtus Allert
Chefarzt der Klinik für Plastische und ­Ästhetische Chirurgie – Handchirurgie
Ärztlicher Direktor Sana Klinikum Hameln-Pyrmont
St.-Maur-Platz 1, 31785 Hameln
E-Mail: Sixtus.Allert(ett)Sana.de  

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