Mit gesunder Vernetzung zu einer besseren Behandlungsqualität

Seit September 2020 können Ärztinnen und Ärzte Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) verschreiben. Richtig abrechnen können sie diese aber erst seit Januar 2021. „Viele Praxen verbinden das Anbieten digitaler Leistungen sowie deren Abrechnung erst einmal mit Stress und Frustration“, sagt Jasmin Wenz, selbstständige Praxisberaterin und Referentin des PKV Instituts im Rahmen des 15. Deutschen MFA-Tags & ZFA-Tags in München. Doch Arztpraxen sollten sich die Vorteile der Digitalisierung nicht entgehen lassen.

Jasmin Wenz
Praxisberaterin, Abrechnungsexpertin und Referentin des PKV Instituts

 

 

 

 

 

 

Apps mit medizinischem Zweck können grundsätzlich für Behandelte und Behandelnde sehr hilfreich sein. Durch die ständigen Neuerungen in der Abrechnung blickt aber kaum jemand durch, sodass manche Ärztinnen und Ärzte die DiGA gar nicht erst verschreiben und ihre Patientinnen und Patienten an die Krankenkassen verweisen“, sagt Wenz. „Ich kann das nachvollziehen, aber es wäre natürlich besser für die Patientinnen und Patienten, wenn Ärztinnen und Ärzte das Ganze überwachen und den Verlauf fachkundig kontrollieren.“ 

Schlummerndes Honorarpotenzial

Bei ihren Praxisbesuchen stellt Wenz fest, dass viele digitale Leistungen erbracht, aber nicht abgerechnet werden, etwa die Beratung von Privatversicherten per E-Mail (analog GOÄ-Nr. 1, 10,72 €). Abrechnungsmanagerinnen hätten auch kaum eine Chance, sich neben dem Praxisalltag auf dem Laufenden zu halten, da die Abrechnungsmodalitäten in einem ständigen Nachbesserungsmodus entstünden. So können Praxen erst seit Mai dieses Jahres DiGA für Kinder und Jugendliche zwischen dem 12. und 17. Lebensjahr abrechnen. „Dass diese Lücke ausgerechnet bei den Digital Natives, die ja die wenigsten Berührungsängste mit mobilen Anwendungen haben, endlich geschlossen ist, ist ein gutes und wichtiges Signal“, sagt Wenz. Die Regelung gilt vorerst bis Ende 2022, die Leistung kann auch per Videosprechstunde erbracht werden. 

Freiräume zum Beispiel für IGeL

Die korrekte Abrechnung sei wichtig, es gehe aber nicht um die 2,00 € Erlös für die Erstverordnung einer DiGA für Kinder und Jugendliche und auch nicht um die 1,69 € Erlös für die Pflege der elektronischen Patientenakte (ePA) oder andere Kleinstbeträge: „Digitalisierung kann unserer zunehmend überlasteten Ärzteschaft und den Praxisteams den Arbeitsalltag erleichtern. Wenn wir es schaffen, uns mit Digitalisierung gesund zu vernetzen, dann werden wir Patientinnen und Patienten fachübergreifend in einer noch nicht dagewesenen Qualität behandeln können.“ Digitalisierung kann den Praxisalltag entzerren und dem Team Freiräume verschaffen, etwa für die Praxisentwicklung und Erweiterung des eigenen Angebots: „Praxen befassen sich aus meiner Sicht noch zu wenig mit Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) und deren Abrechnung. Beispielsweise haben viele Patientinnen und Patienten in den letzten zwei Jahren auf wichtige Früherkennungs- und Vorsorgeuntersuchungen verzichtet, die man jetzt nachholen sollte – idealerweise mit ergänzenden IGeL, die im Katalog der GKV nicht erfasst sind, aber der Patientin bzw. dem Patienten Mehrwert bieten.“


„Durch die Digitalisierung gewinnen wir Zeit für unsere IGeL-Vorsorge­angebote.“ Jasmin Wenz


 

Ein wenig Frustrationstoleranz

Von Ärztinnen und Ärzten wünscht sich Wenz noch mehr Frustrationstoleranz: „Die gesetzlichen und technischen Rahmenbedingungen sind alles andere als optimal, aber Neues läuft nie von Anfang an rund.“ Digitalisierung sei politisch gewollt und würde mit Anreizen, aber zunehmend auch mit Sanktionen durchgesetzt: „Kopien sind nicht mehr abrechenbar, die Höchstwerte für Faxe und postalische Arztbriefe werden weiter sinken. Praxen, die nicht an die Telematikinfrastruktur angebunden sind, und Praxen, die selbstverschuldet keine ePA pflegen können, müssen mit Honorarkürzungen bei all ihren vertragsärztlichen Leistungen rechnen.“ Dass das Pflegen der elektronischen Gesundheitskarte oder der ePA müßig ist, wenn andere Behandelnde nicht mitmachen, sei klar, aber: „Anstatt auf andere zu zeigen, müssen wir einfach selbst den Anfang machen.“ Qualitätszirkel seien ein gutes Forum, um das Thema gemeinsam anzugehen. Von der Politik fordert sie mehr Stringenz und Vertrauen in die Ärzteschaft: Warum wird mehr Digitalisierung abverlangt und zugleich eine Quotierung etwa der Videosprechstunde auf 30 % eingeführt? Sehr viele Untersuchungen, etwa Wundkontrollen oder Kontrollen des Heilungsprozesses nach kleinchirurgischen dermatologischen Eingriffen, seien problemlos und zum Vorteil der Patientinnen und Patienten per Video möglich. „Dass ein 95-Jähriger für eine Blutwertbesprechung in die Stadt fahren muss, kann nicht Sinn der Sache sein“, sagt die ausgebildete MFA: „Ein guter Arzt sieht auch per Video, wenn ein Patient eine physische Untersuchung braucht, und kann ihn direkt einbestellen.“

Quelle: PKV Institut GmbH 

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