4 Dinge, die vor und nach dem Tod des Vertragsarztes zu regeln sind

Der plötzliche Tod des Vertragsarztes* oder des Vertragspsychotherapeuten ist sowohl für die Angehörigen als auch für die (etwaigen) Kollegen und Angestellten eine große und unerwartete Herausforderung, die – neben der Trauer um einen Menschen – die Verantwortlichen vor organisatorische und finanzielle Aufgaben stellt. Diese sind kurzfristig zu bewältigen, um den Fortbestand der Praxis und die spätere Praxisabwicklung sicherzustellen.

1. Vorsorge-Ordner

Jedem Vertragsarzt ist dringend anzuraten, zu Lebzeiten (und auch bereits in jungen Jahren) Vorkehrungen für den eigenen Tod zu treffen. In einem Vorsorge-Ordner sollten alle wichtigen Dokumente der Praxis im Original aufbewahrt werden. Zu diesen gehören, neben den Beschlüssen der Zulassungsausschüsse und den Honorarbescheiden der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), die Anstellungsverträge aller Mitarbeitenden sowie die laufenden, praxisbezogenen Verträge, beispielsweise der Mietvertrag über die Praxisräume.


Praxishinweis: Verstirbt der Vertragsarzt als Mieter, wird das Mietverhältnis mit den Erben fortgesetzt. Es besteht – sofern der Mietvertrag keine abweichende Vereinbarung enthält – ein außerordentliches Kündigungsrecht beim Tode des Mieters. Da regelmäßig ein Interesse daran besteht, dass die Praxis des verstorbenen Arztes von einem Nachfolger weitergeführt wird, sollte in dem Mietvertrag über die Praxisräume eine sogenannte „Fortführungsklausel“ zugunsten eines noch zu benennenden Praxisnachfolgers vertraglich vereinbart werden. Anders als oftmals angenommen, geht das Mietverhältnis bei einem Praxisverkauf nicht automatisch auf einen Nachfolger über. 


2. (General-) Vollmacht

Mit dem Tode einer Person geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über. Hat der Verstorbene keine letztwillige Verfügung, z. B. ein Testament, hinterlassen, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Mehrere Erben bilden eine Erben­gemeinschaft. Der Nachlass des Verstorbenen wird gemeinschaftliches Vermögen der Erben. Über seinen Anteil an einzelnen Nachlassgegenständen, mithin auch die Praxis als Teil des Nachlasses, kann ein Miterbe nicht alleine verfügen. 
Je mehr Personen in der Erbengemeinschaft sind, desto komplexer und zeitintensiver wird erfahrungsgemäß die Erbauseinandersetzung. Noch herausfordernder wird diese, wenn ein oder mehrere Erben minderjährig sind, da im Einzelfall die Zustimmung des Familiengerichts einzuholen ist. Problematisch ist, dass die Komplexität von Erbauseinandersetzungen zu zeitlichen Verzögerungen führt, die im Vertragsarztrecht aufgrund starrer Fristen und Abläufe weitreichende Konsequenzen haben können.


Praxishinweis: Es ist insoweit dringend angeraten, zu Lebzeiten durch eine über den Tod hinaus wirksame (General-) Vollmacht eine Vertrauensperson zu bevollmächtigen, den Vertragsarzt, insbesondere im Falle des Todes, bei allen vertragsarztrechtlichen sowie praxisbezogenen Rechtsgeschäften vertreten zu können. Die Vollmacht bedarf grundsätzlich keiner Form, es empfiehlt sich dennoch, die Vollmacht rein vorsorglich notariell beurkunden zu lassen. Die bevollmächtigte Person ist dann zu informieren, wo sich der Vorsorge-Ordner befindet. Auch sollte dem Bevollmächtigten ein „Leitfaden“ an die Hand gegeben werden, was im Todesfall zu veranlassen ist. Dieser Leitfaden kann im Zweifel allein daraus bestehen, sich an einen fachkundigen Medizinrechtler zu wenden, der die Praxis gemeinsam mit dem Bevollmächtigten abwickelt.


Exkurs: Berufsausübungsgemeinschaften (BAG)
Sofern ein Vertragsarzt mit einem oder weiteren Vertragsärzten in einer BAG in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder der Partnerschaftsgesellschaft (PartG) zusammengeschlossen ist, führt sein Tod zum sofortigen Ausscheiden aus der Gesellschaft. Der Gesellschaftsanteil des verstorbenen Gesellschafters wächst zum Zeitpunkt seines Todes den übrigen Gesellschaftern zu. Verbleibt nur noch ein Gesellschafter, so erlischt die Gesellschaft ohne Liquidation. Das Gesellschaftsvermögen geht zum Zeitpunkt des Ausscheidens im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den verbleibenden Gesellschafter über. In beiden Fällen ist eine Abfindung an die Erben zu zahlen. Anders sieht es aus, wenn die Gesellschafter eine hiervon abweichende Vereinbarung in ihrem Gesellschaftsvertrag getroffen haben.

 


Praxishinweis: Die Rechtsfolgen beim Tod eines Gesellschafters sind zwingend in dem Gesellschaftsvertrag einer BAG zu regeln. Es ist unumgänglich, dass die Gesellschafter Regelungen dazu treffen, wie im Todesfall eines Gesellschafters zu verfahren ist. Soll beispielsweise der Vertragsarztsitz in einer BAG verbleiben, bietet sich an, dass sich die Gesellschafter gegenseitig eine über den Tod hinaus wirksame Vollmacht erteilen, alle zulassungsrechtlich erforderlichen Erklärungen füreinander vornehmen zu dürfen, um den Verbleib des Vertragsarztsitzes in der BAG zu sichern. Unabdingbar ist, in regelmäßigen Abständen seinen Gesellschaftsvertrag zu lesen und zu überprüfen, ob die dort getroffenen Regelungen (noch) dem eigenen letzten Willen entsprechen.


 

3. Vertretung

Die Zulassung eines Vertragsarztes endet durch den Tod. Trotz des Endes der vertragsärztlichen Zulassung mit dem Tod kann die KV die Weiterführung der Praxis eines verstorbenen Vertragsarztes durch einen anderen Arzt als Vertreter bis zur Dauer von maximal zwei Quartalen genehmigen. Ziel ist es, die Patientenversorgung kurzfristig sicherzustellen. Gleichzeitig gewährt es den Hinterbliebenen zumindest etwas Zeit, die Fortführung der Praxis und die Abwicklung zu organisieren. Wird kein Vertreter gefunden, droht der Verlust des Patientenstamms und damit einhergehend der Wertverlust der Praxis.

Damit der Bestand der Praxis gesichert wird, müssen die Erben des verstorbenen Vertragsarztes unmittelbar nach dessen Tod einen Vertreter finden, der die Praxis weiterführt und die Patienten weiterbehandelt. Da die Hinterbliebenen in dieser Situation verständlicherweise den rechtlichen und tatsächlichen Anforderungen nicht gewachsen sind, sollte auch an dieser Stelle eine Vertrauensperson bevollmächtigt werden, die Entsprechendes veranlasst.


Praxishinweis: In dem Vorsorge-Ordner sollten bestenfalls bereits ein oder mehrere Ärzte benannt werden, die die Vertretung im Todesfall leisten können. Alternativ bietet sich an, Personen zu benennen, die Unterstützung bei der Suche bieten.


Die Vertretung ist sodann mit den erforderlichen Nachweisen bei der zuständigen KV durch die Erben oder den Bevollmächtigten zu beantragen. 

4. Praxisnachfolger

Sind Zulassungsbeschränkungen im maßgeblichen Planungsbereich angeordnet, so ist schnellstmöglich der Antrag auf Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens durch den Bevollmächtigten oder die Erben zu stellen, um die Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes einzuleiten. Zeitgleich muss ein Praxisnachfolger gefunden werden, der die Praxis fortführen möchte. Zwischen ihm und den Erben ist sodann ein Praxiskaufvertrag zu schließen. Bei der Gestaltung des Praxiskaufvertrags ist die Hinzuziehung eines Rechtsberaters unerlässlich.

Fazit

Gerade in jungen Jahren setzt man sich mit dem eigenen Tod ungern bis gar nicht auseinander. „Mich betrifft das noch nicht.“ oder „Ja, darum kümmere ich mich zu einem späteren Zeitpunkt.“ sind nur zwei Sätze, die in der täglichen Beratung regelmäßig fallen. Später kann nur leider zu spät sein. Aufgrund der starren Fristen im Vertragsarztrecht und den daraus resultierenden rechtlichen Folgen sollte sich jeder niedergelassene Vertragsarzt besser heute als morgen Gedanken zu seinem Ableben machen und Vorkehrungen für den eigenen Tod treffen. Dies nicht nur für sich, sondern vor allem für seine Hinterbliebenen.


 Die nachfolgenden Ausführungen zu Vertragsärzten gelten für Psychologische Psychotherapeuten entsprechend.
 § 1922 Absatz (Abs.) 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
 § 2032 BGB
 § 167 Abs. 2 BGB
 § 723 Abs. 1 BGB
 § 712 Abs. 1 BGB
 § 712a BGB
 Vgl. § 95 Abs. 7 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V); die Vorschriften des maßgeblichen Kapitels des SGB V gelten gemäß § 72 Abs. 1 (Satz) S. 1 SGB V auch entsprechend für Psychologische Psychotherapeuten
 § 4 Abs. 3 S. 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä); der BMV-Ä gilt gemäß § 1 Abs. 5 BMV-Ä entsprechend auch für Psychologische Psychotherapeuten


*Zur besseren Lesbarkeit kann in Texten das ­generische Maskulinum verwendet werden. ­Nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige aller Geschlechter.

Dina Gebhardt
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Medizinrecht
Kanzlei am Ärztehaus
Dorpatweg 10
48159 Münster
d.gebhardt@kanzlei-am-aerztehaus.de
www.kanzlei-am-aerztehaus.de

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