Der Gesellschaftsvertrag einer Berufsausübungsgemeinschaft Teil 1 – Ein Überblick

Anschließend an den Beitrag zu ärztlichen Kooperationsformen in Ausgabe 05/2021 von "der niedergelassene arzt" wollen wir in einem Teil 1 einen Überblick über Regelungen zur Zusammenarbeit in einem Gesellschaftsvertrag über eine ärztliche Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) geben. Auch wenn Sie im Internet auf ein vielfältiges Angebot von Musterverträgen stoßen, dürfen Sie nicht übersehen, dass es sich dabei immer nur um Standardvorschläge handeln kann. Ob diese im Einzelfall passen, bleibt offen. Die Gestaltung von Gesellschaftsverträgen setzt eine genaue Analyse des Status quo voraus. Diese Analyse und die Vorstellungen der Vertragsbeteiligten (Parteien) sind der Maßstab für die Ausgestaltung der vertraglichen Regelungen, die sich wiederum im Korsett der berufs-, vertragsarzt- und gesellschaftsrechtlichen Vorgaben halten müssen.

Teil 1 – Ein Überblick

Heute wollen wir in einem Teil 1 einen Überblick über Regelungen zur Zusammenarbeit in einem Gesellschaftsvertrag über eine ärztliche Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) geben. Auch wenn Sie im Internet auf ein vielfältiges Angebot von Musterverträgen stoßen, dürfen Sie nicht übersehen, dass es sich dabei immer nur um Standardvorschläge handeln kann. Ob diese im Einzelfall passen, bleibt offen. Die Gestaltung von Gesellschaftsverträgen setzt eine genaue Analyse des Status quo voraus. Diese Analyse und die Vorstellungen der Vertragsbeteiligten (Parteien) sind der Maßstab für die Ausgestaltung der vertraglichen Regelungen, die sich wiederum im Korsett der berufs-, vertragsarzt- und gesellschaftsrechtlichen Vorgaben halten müssen.

An erster Stelle steht die Frage, in welcher Rechtsform die BAG geführt werden soll. Nach aktueller Rechtslage stehen in der Regel die Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder die Partnerschaft nach dem PartGG zur Verfügung. Andere Rechtsformen, die gegebenenfalls im Einzelfall darüber hinaus in Betracht kommen können, sollen aufgrund ihres sehr spezifischen Anwendungsbereichs hier nicht thematisiert werden.

Um die Frage der Rechtsformwahl beantworten zu können, müssten die Parteien den Unterschied zwischen der GbR einerseits und der Partnerschaft andererseits kennen. Dieser besteht im Wesentlichen im Haftungsprivileg der Partnerschaft für Berufsfehler. Das Haftungsprivileg hat zum Inhalt, dass im Schadensfall ein Patient nur denjenigen Gesellschafter haftbar machen kann, der mit dem Behandlungsauftrag befasst war. Es kommt nicht darauf an, ob jeder Arzt der BAG einen Fehlerbeitrag geleistet hat. Insofern ist im Einzelfall zu beurteilen, ob das Haftungsprivileg der Partnerschaft mit Blick auf die tatsächlichen Behandlungsabläufe überhaupt von Relevanz sein kann. Soweit die tatsächlichen Behandlungsabläufe so sind, dass die Patienten in der Regel von unterschiedlichen Ärzten der BAG behandelt werden, wirkt sich das Haftungsprivileg der Partnerschaft nicht aus. Natürlich können aber auch besondere Strukturen der BAG – beispielsweise im Falle einer überörtlichen BAG – die Rechtsform der Partnerschaft empfehlenswert machen.

Haftungsregime

Die Gesellschafter einer BAG haften für die Verbindlichkeiten der BAG als Gesamtschuldner, auch mit ihrem Privatvermögen. Dieser Grundsatz gilt unabhängig von der Rechtsformwahl und findet – wie dargestellt – nur in Bezug auf die Haftung für einen Berufsfehler in der Partnerschaft eine Beschränkung. Gesellschaftsvertragliche Regelungen vermögen dieses Haftungs­regime gegenüber einem Gläubiger der BAG nicht einzuschränken. Insofern muss im gesellschaftsvertraglichen Innenverhältnis der Gesellschafter ein System der Risikominimierung etabliert werden. Das Regime der Gesamtschuldnerhaftung bedeutet nämlich im Ergebnis nichts anderes, als dass die Gesellschafter der BAG für die Verbindlichkeiten jeweils zu 100 % einstehen müssen; fällt einer der Gesellschafter aufgrund einer Insolvenz aus, können sich die Gläubiger bei den anderen Gesellschaftern schadlos halten. Insofern muss im Gesellschaftsvertrag sehr genau bestimmt werden, wie Verbindlichkeiten der BAG begründet werden (Stichwort: Beschlussfassungen).

Risiko: Behandlungsfehler

Ein potenzielles Haftungsrisiko für Behandlungsfehler, denen die BAG ohne weiteres aufgrund der gemeinsamen Zwecksetzung der ärztlichen Behandlung von Patienten ausgesetzt ist, muss im Gesellschaftsvertrag dadurch begegnet werden, dass für alle Ärzte der BAG Berufshaftpflichtversicherungen mit hinreichend hohen Versicherungssummen abgeschlossen und unterhalten werden; dass solche Versicherungsverträge bestehen und vor allem auch die Versicherungsprämien bedient werden, sollte nicht jedem einzelnen Gesellschafter allein überlassen bleiben, sondern klar im Gesellschaftsvertrag bestimmt und auch einem Prüfungs­mechanismus unterworfen werden.

Beschlussfassungen

Gerade die Regelungen zur Entscheidungsfindung und insbesondere der Weg zu einer solchen sind in Gesellschaftsverträgen einer BAG nicht selten defizitär. Das Gesetz hilft bei defizitären Regelungen zum Entscheidungsfindungsprozess leider nicht weiter. Dies kann gerade im Falle einer erschwerten Kommunikation der Gesellschafter untereinander zu erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Problemen führen. Je klarer und umfassender die Bestimmungen in einem Gesellschaftsvertrag zu den Formalien einer Gesellschafterversammlung und der Beschlussfassung sind, desto zielführender lassen sich Konflikte bewältigen. Eine in Entscheidungsfindungsprozessen blockierte BAG gefährdet die BAG auf Dauer selbst. Der Gesellschaftsvertrag sollte daher in Bezug auf die Formalien einer Gesellschafterversammlung Antworten geben auf deren Einberufung (Ladung, Form, Frist, Tagesordnung), deren Beschlussfähigkeit und zur Protokollierung von Beschlüssen. Außerdem muss sich der Gesellschaftsvertrag auch damit befassen, ob Entscheidungen nur der Einstimmigkeit bedürfen oder auch durch Stimmenmehrheit getroffen werden können sollen; denkbar ist auch Beschlussgegenstände zu definieren, die differenzierter Mehrheiten bedürfen. Welche Systematik dabei favorisiert wird, kann nicht standardmäßig beantwortet werden; das kommt immer auf die Umstände des Einzelfalls an (u. a. Fachrichtungen in der BAG, Anzahl der Gesellschafter, Vermögensbeteiligungsverhältnisse, potenzielle Investitionshöhen).

Auf einen Blick

Regelungen, die ein Gesellschaftsvertrag einer BAG enthalten sollte:

Rechtsformwahl

  • Die Rechtsform, die sich für die BAG eignet festhalten

Haftungsregime

  • Grundsatz der Gesamtschuldnerhaftung
  • Festlegen, wie Verbindlichkeiten der BAG begründet werden

Beschlussfassungen

  • Formalien einer Gesellschafter­versammlung und der Beschlussfassung festlegen
    • Einberufung der Gesellschafter­versammlung (Ladung, Form, Frist, Tagesordnung)
    • Beschlussfähigkeit
    • Protokollierung der Beschlüsse
    • Mehrheitsverhältnisse

Gesellschaftsvermögen

  • Anteile der Gesellschafter am Gesellschaftsvermögen definieren und festhalten, auf welche Vermögensmasse sich diese Anteile beziehen
  • Einzelne Vermögensgegenstände in einer Anlage zum Vertrag erfassen
  • Immaterielles Gesellschafts­vermögen berücksichtigen

Ergebnisverteilung

  • Festhalten, welche Einnahmen zum Umsatz der BAG gehören und welche Sonderbetriebseinnahmen hingegen einem einzelnen Gesellschafter zuzuordnen sind; Festhalten, welche Kosten der BAG zuzuordnen sind
  • Gewinnverteilung vereinbaren
  • Ggf. Gewinnanpassungsklausel aufnehmen

Abwesenheitsvertretung wegen Urlaub oder Krankheit

  • Höhe des Urlaubsanspruchs festlegen
  • Urlaubsplanung regeln
  • Ggf. Gewinnanpassungs­klausel im Krankheitsfall aufnehmen
 

 

Gesellschaftsvermögen

Der Gesellschaftsvertrag legt fest, was Gesellschaftsvermögen ist. Je präziser diese Festlegungen sind, umso eher kann späterer Streit darüber vermieden werden. Es geht also nicht nur darum, die Anteile der Gesellschafter am Gesellschaftsvermögen zu definieren, sondern auch präzise festzuhalten, auf welche Vermögensmasse sich diese Anteile beziehen. In Bezug auf das materielle Gesellschaftsvermögen (Praxis­inventar) empfiehlt sich, im Wege einer Anlage zum Gesellschaftsvertrag die einzelnen Vermögensgegenstände zu erfassen; allein auf das steuerliche Anlageverzeichnis sollten sich die Beteiligten nicht unbedingt verlassen, da dies nicht selten Positionen enthält, die nicht mehr vorhanden sind. Das immaterielle Gesellschaftsvermögen wiederum stellt die Gesamtheit der Patientenbeziehungen, der Reputation der Praxis, der Lage und Erreichbarkeit der Praxis, (ggf.) der Zuweiserbindungen und ähnliches dar. Die Zulassungen der Gesellschafter der BAG zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung sind als solche nicht dem Gesellschaftsvermögen der BAG zuzuordnen, sondern schaffen in einem öffentlich-rechtlichen Verfahren den Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung und sind damit ein höchstpersönliches Recht des Zulassungsinhabers; hiervon zu trennen sind vertragsärztliche Versorgungsaufträge, die in einer BAG ggf. als Angestelltenstellen mit angestellten Ärzten geführt werden und als solche durchaus das Vermögen der BAG prägen. Jedenfalls unterliegt das Gesellschaftsvermögen einer dynamischen Entwicklung, sowohl in materieller als auch in immaterieller Hinsicht. Neuanschaffungen der BAG fallen regelmäßig in das Gesellschaftsvermögen, soweit die Gesellschafter nicht ausnahmsweise solche Anschaffungen im Sonder­betriebsvermögen tätigen. Gerade bei teuren Investitionen greifen hier die Regelungen zum Gesellschaftsvermögen, zur Beschlussfassung und zur Haftung denknotwendig ineinander. Dieses Ineinandergreifen erfordert eine Kompatibilität der Regelungen und ihrer Mechanismen.

Ergebnisverteilung

Wenn Streit in einer BAG unter den Gesellschaftern entsteht, steht dies nicht selten in einem Zusammenhang mit einer finanziellen Unzufriedenheit, sei es dadurch, dass ein Gesellschafter sein Engagement höher einschätzt als der ihm zugestandene Gewinnanteil, oder dadurch, dass einem Gesellschafter eine „Low-Performance“ vorgehalten wird. Der Gewinn/Verlust der BAG ist das Ergebnis des Umsatzes der BAG abzüglich deren Kosten. Deshalb ist es unbedingt empfehlenswert, im Gesellschaftsvertrag präzise zu regeln, welche Einnahmen in den Umsatz der BAG fallen und bei welchen Einnahmen es sich um Sonderbetriebseinnahmen eines Gesellschafters handelt (beispielsweise aus genehmigten Nebentätigkeiten). In gleicher Weise sollte der Gesellschaftsvertrag eindeutig klären, welche Kosten der BAG zuzuordnen sind. Über klare gesellschaftsvertragliche Regelungen kann schon an dieser Stelle Streit vermieden werden. Jede Form der Ergebnisverteilung in der BAG, deren Zweck auch die gemeinsame vertragsärztliche Versorgung ist, muss dem Anspruch genügen, dass alle Gesellschafter der BAG ein echtes unternehmerisches Risiko tragen. Es ist vertragsarztrechtlich unzulässig, Gesellschafter aus einem potenziellen Verlustrisiko auszunehmen; dies führt automatisch zu dem Ergebnis, dass eine rein umsatzbezogene Gewinnbeteiligung, der kein echtes Verlustrisiko gegenübersteht, nicht vereinbart werden darf. Im Übrigen folgen die Regelungen zur Ergebnisverteilung in einer BAG den individuellen Gegebenheiten und Vorstellungen der Parteien. Dabei muss sich eine prozentuale Ergebnisverteilung nicht an den Anteilen am Gesellschaftsvermögen orientieren. Auch sind rein leistungsorientierte Vereinbarungen zur Ergebnisverteilung möglich. Nicht selten greifen die Parteien auf eine Kombination aus fixen Anteilen und leistungsorientierten Komponenten zurück, beispielsweise dadurch, dass sie jedem Gesellschafter aus dem Gewinn zunächst eine fixe Vergütung für die ärztliche Tätigkeit – der Höhe nach orientiert an ihrem jeweiligen zeitlichen Einsatz in der Praxis – zuordnen und den verbleibenden Restgewinn dann entsprechend der Anteile am Gesellschaftsvermögen verteilen. Um die eingangs erwähnten potenziellen Streitigkeiten wegen der Ergebnisverteilung vertraglich abzubilden, kann der Gesellschaftsvertrag auch Regelungen für eine Anpassung der Anteile am Gewinn der BAG vorsehen; solche Regelungen müssen indes sehr präzise gefasst und ausgestaltet werden.

Abwesenheitsvertretung

Die vorstehenSchlussbemerkungden Hinweise sind nicht abschließend. Sie sollen vielmehr eine Anregung dafür geben, bei der Gestaltung eines Gesellschaftsvertrages für eine BAG auf der Grundlage praktischer Erwägungen (Was könnte passieren und welche Vorkehrungen treffen wir vertraglich?) individuelle Lösungen zu suchen, die natürlich rechtlich auch umsetzbar sein müssen.

Der Gesellschaftsvertrag sollte zudem Vereinbarungen vorsehen für die Abwesenheit der Gesellschafter wegen Urlaubs, aber auch wegen einer Erkrankung. Dabei ist es empfehlenswert, den Urlaubsanspruch auch der Höhe nach festzulegen und zudem Regelungen zur Urlaubsplanung zu treffen. Die davon abzugrenzende nicht planbare Abwesenheit wegen einer Erkrankung ist nicht selten praxisrelevant und geht mit Streitpotenzial einher.

Die Gesellschafter sollten Überlegungen dazu anstellen, ob und in welchem Umfang sie unter Berücksichtigung der (ggf. unterschiedlichen) Fachrichtungen, aber auch des Patientenaufkommens in der Lage sind, eine krankheitsbedingte Abwesenheit eines Gesellschafters aufzufangen. Dazu gehört auch eine Entscheidung über die Frage, ob eine längerfristige Erkrankung Auswirkungen auf den vereinbarten Gewinnanteil des erkrankten Gesellschafters haben soll; insoweit kann eine differenzierte Regelung zur Ergebnisverteilung helfen, die einen Teil des Gewinns nach Tätigkeit und einen Teil des Gewinns nach Vermögensanteil verteilt. In jedem Fall ist allen Gesellschaftern immer der Abschluss einer Krankentagegeldversicherung zu empfehlen, um eventuell wirtschaftliche Defizite aufgrund einer entsprechenden Gewinnanpassungsklausel im Krankheitsfall ausgleichen zu können.
 

► Den Beitrag zu ärztlichen Kooperationsformen finden Sie hier: https://www.der-niedergelassene-arzt.de/praxis/news-details/recht/aerztliche-kooperationsformen-ein-ueberblick 

Hier geht es zu Teil 2 der Beitragsserie.

Sven Rothfuß
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht
Kanzlei am Ärztehaus
Oberländer Ufer 174
50968 Köln
(0221) 34066960
www.kanzlei-am-aerztehaus.de 

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