Fragen und Antworten in Rechtsbelangen

Stimmt es, dass die KVen prüfen dürfen, ob ich eine Berufshaftpflichtversicherung für meine Praxis unterhalte? Kann eine defizitäre Dokumentation zu Problemen führen? Kann ein überschrittenes Zeitprofil problematisch werden, obwohl ich die Überschreitungen erklären kann?

Berufshaftpflichtversicherung

Frau Dr. M. aus Düsseldorf:

Stimmt es, dass die KVen prüfen dürfen, ob ich eine Berufshaftpflichtversicherung für meine Praxis unterhalte? 

Herr Rothfuß:

„So ist das zum überwiegenden Teil tatsächlich richtig. Zum 21.07.2021 ist § 95e SGB V als Teil des Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetzes (GVWG) in Kraft getreten. Damit wird jeder Vertrags­arzt zunächst einmal verpflichtet, einen ausreichenden Berufshaftpflichtversicherungsschutz (Mindestversicherungssumme: 3 Mio. Euro für Personen- und Sachschäden pro Versicherungsfall) vorzuhalten. Wenn Sie in einem MVZ oder in einer BAG mit angestellten Ärzten tätig sind, liegt die Mindestversicherungssumme bei 5 Mio. Euro. Zuständig für die Prüfung sind aber nicht die KVen, sondern die Zulassungsausschüsse: Immer wenn Sie zukünftig einen Antrag auf Zulassung, Ermächtigung oder Genehmigung einer Anstellung (für Ihre Praxis) stellen, müssen Sie den Versicherungsschutz durch Vorlage einer Versicherungsbescheinigung nach § 113 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) nachweisen. Im Übrigen müssen die Zulassungsausschüsse mit einer Übergangsfrist bis zum 20.07.2023 alle Teilnehmer an der vertragsärztlichen Versorgung zu diesem Nachweis auffordern. In allen Fällen, in denen der Nachweis nicht fristgerecht geführt wird, muss der Zulassungsausschuss das Ruhen der Zulassung mit sofortiger Wirkung anordnen. Am besten werden Sie direkt selbst aktiv und führen den Nachweis, zumal ein ausreichender Versicherungsschutz in Ihrem ureigenen Interesse liegt.“

Dokumentation

Herr Dr. B. aus Leipzig:

Meine KV hat mich angeschrieben und möchte Behandlungsdokumentationen einsehen. Ich fürchte, dass ich nicht ganz so sauber und vollständig dokumentiert habe, wie ich sollte. Kann denn eine defizitäre Dokumentation zu Proble-
men führen? 

Herr Rothfuß:

„Das kommt darauf an: Wenn die GOP des EBM im obligaten Leistungsinhalt eine spezielle Dokumentationspflicht vorsieht, dann gehört die Erfüllung dieser Pflicht zur vollständigen Leistungserbringung, sodass die Leistung nur abrechenbar ist, wenn dies auch erfolgt ist. Denken Sie bspw. an die GOP 01732 und die Anlage 1 (dort Ziff. 5) zur GU-Richtlinie. 
Sieht eine GOP keine spezielle Dokumentationspflicht im obligaten Leistungsinhalt vor, dann gilt die allgemeine Dokumentationspflicht; ein Verstoß führt dann nicht notwendigerweise zu einer Honorarkürzung, kann aber disziplinarrechtlich geahndet werden. Allerdings sind Sie verpflichtet, die vollständige Leistungserbringung auch in solchen Fällen nachzuweisen (BSG, Urt. v. 25.11.2020, Az. B 6 KA 6/20 B). Wenn dann Ihre Dokumentation defizitär ist, wird der Nachweis schwierig.“

Überschrittenes Zeitprofil

Frau Dr. W. aus München:

Ich überschreite regelmäßig die Zeitprofile. Das liegt m. E. daran, dass meine Praxis sehr gut organisiert ist, Sprechstunden bis in den Abend anbietet und ich sehr schnell arbeite, weil ich enorm viele Patienten habe. Ein Kollege hat mir gesagt, mir könne Ärger drohen. Ich kann doch aber die Überschreitungen ohne Weiteres erklären. 

Herr Rothfuß:

„Wenn es nach dem SG Marburg (Gerichtsbescheid v. 06.04.2021, S 12 KA 119/18) geht, dann werden Ihre Erklärungen nicht viel weiterhelfen. Das SG hat in dem Verfahren eine Honorarrückforderung i. H. von 650.509,01 € bestätigt. Der Honorarrück­forderung lag die Feststellung zugrunde, dass die betroffene Praxis die Tages- und Quartalszeitprofile in dem streitigen Zeitraum systematisch überschritten hatte. Das SG verweist darauf, dass das BSG bis zu einer Gesetzesänderung die Überschreitung von Zeitprofilen als Indizienbeweis für eine Falschabrechnung gewertet hatte. Die Gesetzesänderung habe jedoch bewirkt, dass die Plausibilitätszeiten nicht mehr Indizien­beweis seien, sondern vielmehr Bestandteil des normativen Regelungsgefüges. Das normative Regelungsgefüge unterliege jedoch einem weiten Gestaltungsspielraum und sei gerichtlich nur sehr eingeschränkt überprüfbar. Die Prüfzeiten im EBM seien Durchschnittszeiten, die so bemessen sein müssen, dass sie auch von erfahrenen und zügig arbeitenden Ärzten benötigt werden. Dem aber entsprächen die in Anhang 3 zum EBM getroffenen zeitlichen Festlegungen. Weil sie normativen Charakter hätten, spielten Argumente besonderer Praxisstrukturen keine Rolle.“ 

Sven Rothfuß
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht
Kanzlei am Ärztehaus
Oberländer Ufer 174, 50968 Köln
(0221) 34066960
www.kanzlei-am-aerztehaus.de

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