Was Ärzte über die Berufshaftpflicht­versicherung wissen müssen

Der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung ist schon seit jeher eine zwingende berufsrechtliche Voraussetzung für die Tätigkeit als Arzt*. Dieser Beitrag soll einen kompakten Überblick über die wichtigsten Regelungen in Bezug auf die Versicherungspflicht geben.

Gerade weil die Tätigkeit als Arzt mit besonderen Risiken verbunden ist, hat die Versicherungspflicht durchaus ihre Berechtigung. Ein Behandlungsfehler kann weitreichende Konsequenzen für die Gesundheit oder das Leben eines Menschen haben, was hohe finanzielle Folgen für den Betroffenen mit sich bringen kann. Sollte der betreffende Arzt dann nicht oder nicht ausreichend versichert sein, kann der Haftungsfall die Existenzgrundlage des Arztes erheblich gefährden.

Seit Mitte 2021 ist die Versicherungspflicht im Fünften Sozialgesetzbuch gesetzlich verankert. Mit Inkrafttreten des neu eingefügten § 95e SGB V gelten nunmehr erstmalig für Vertragsärzte konkrete Vorgaben hinsichtlich der Berufshaftpflichtversicherung mit Konsequenzen auch in Zulassungs- oder Genehmigungsverfahren bei den jeweiligen Zulassungsausschüssen der Kassenärzt­lichen Vereinigungen (KVen).

Berufsrecht und Vertragsarztrecht 

Berufsrechtlich finden sich sowohl in der Berufsordnung als auch in den Kammer- und Heilberufs­gesetzen der Länder Vorgaben zu der Versicherungspflicht, vgl. z. B. § 21 BO WL, § 30 Nr. 4 HeilBerG WL. 

Die Notwendigkeit für eine neue Regelung im SGB V resultierte nach Ansicht des Gesetzgebers daraus, dass die Ärztekammern in der Vergangenheit häufig keine Kenntnis darüber hatten, ob eine Berufshaftpflichtversicherung bei den Ärzten überhaupt noch bestand und ob die bestehende Versicherung gar ausreichenden Versicherungsschutz bot. Somit kam es vereinzelt zu Haftungsausfällen, da der entsprechende Arzt aufgrund des fehlenden Versicherungsschutzes zahlungsunfähig war und die Schadensersatzansprüche der Patienten dadurch ins Leere liefen. Darüber hinaus geben die berufsrechtlichen Vorschriften zur Versicherungspflicht keinerlei Aufschluss darüber, wie hoch die Versicherungssumme sein muss. In § 21 BO WL beispielsweise heißt es zur Versicherungspflicht, dass die Ärzte verpflichtet seien, sich hinreichend zu versichern. Dabei bemisst sich das Merkmal hinreichend dann an der jeweiligen Fachrichtung und der Tätigkeit im Einzelnen. 

Der neu eingefügte § 95e SGB V sollte die bereits bestehenden berufsrechtlichen Regelungen ergänzen und konkretisieren. Deshalb finden sich in § 95e SGB V ­konkrete Angaben zur Höhe der Versicherungssumme sowie zu den Zuständigkeiten der Zulassungsausschüsse bezüglich der Prüfung des Bestehens einer Berufshaftpflichtversicherung und zu Rechtsfolgen bei fehlendem Versicherungsschutz.

Pflicht zum Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung beim zuständigen Zulassungs­ausschuss 

Seit Inkrafttreten des § 95e SGB V besteht für die Zulassungsausschüsse die Pflicht, bei Stellung des Antrags auf Zulassung, auf Ermächtigung und auf Genehmigung einer Anstellung eine Versicherungsbescheinigung nach § 113 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) zu verlangen. Das Fehlen der Vorlage einer Versicherungsbescheinigung hat zur Folge, dass die Anträge nicht beschieden werden. 

Darüber hinaus kann der Zulassungsausschuss nach § 95e Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB V von bereits zugelassenen Vertragsärzten verlangen, die Versicherungsbescheinigung vorzulegen. 

Die Versicherungsbescheinigung nach § 113 Abs. 2 VVG ist abzugrenzen von einer vorläufigen Deckungszusage nach §§ 49 ff. VVG. Die Versicherungsbescheinigung erhält der versicherte Arzt erst mit Abschluss des Versicherungsvertrags, eine vorläufige Deckungszusage wird hingegen bereits vor Abschluss des Versicherungsvertrags durch den Versicherer ausgestellt. 

Die Versicherungsbescheinigung muss gemäß § 113 Abs. 2 VVG folgende Punkte wiedergeben:

  • die Versicherungssumme, 
  • die gesetzliche Grundlage, auf der die Versicherungspflicht beruht, und 
  • die wesentlichen Eckpunkte des Vertragsinhalts. 

► Die meisten KVen haben hierzu ein Muster auf ihrer Webseite hinterlegt, welches bei Bedarf kostenfrei heruntergeladen und der eigenen Berufshaftpflichtversicherung zum Ausfüllen überreicht werden kann.

Vorgaben nach § 95e SGB V für Vertragsärzte in Einzelpraxis und BAG ohne angestellte Ärzte 

Der Vertragsarzt ist verpflichtet, sich gegen die aus seiner Berufsausübung ergebenden Haftpflichtgefahren zu versichern, § 95e Abs. 1 SGB V. Die Mindestversicherungssumme beträgt in diesem Fall 3.000.000 € für Personen- und Sachschäden pro Versicherungsfall, § 95e Abs. 2 SGB V. Dabei dürfen die Leistungen des Versicherers für innerhalb eines Jahres verursachte Schäden nicht weiter als auf den zweifachen Betrag der Mindestversicherungssumme, also nicht weniger als 6.000.000 €, begrenzt werden. Bei Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) ohne angestellte Ärzte gilt dieselbe Versicherungssumme. Wichtig ist, dass jedem einzelnen BAG-Partner diese Leistungen zur Verfügung stehen. 

Vorgaben nach § 95e SGB V für MVZ, Einzelpraxis mit angestellten Ärzten und BAG mit angestellten Ärzten

Gemäß § 95e Abs. 5 S. 2 SGB V gilt die Versicherungspflicht nach Abs. 1 und Abs. 2 auch für Medizinische Versorgungszentren (MVZ) und BAG mit angestellten Ärzten. Die Mindestversicherungssumme beläuft sich insoweit jedoch auf 5.000.000 € für Personen- und Sachschäden pro Versicherungsfall. Die Leistungen des Versicherers für alle verursachten Schäden innerhalb eines Jahres dürfen dabei nicht weiter als auf den dreifachen Beitrag der Mindestversicherungssumme, also nicht weniger als 15.000.000 €, begrenzt werden. Die BAG muss dabei in einem gemeinsamen Versicherungsvertrag versichert sein. 
 

Haftungsfall! Wie geht es jetzt weiter?

Sollten Sie dem Vorwurf eines Behandlungsfehlers ausgesetzt sein, gilt zunächst Ruhe zu bewahren und den Haftpflichtversicherer hiervon unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Dies ist insoweit wichtig, als dass ein Verstoß gegen diese Obliegenheit den Verlust des Versicherungsschutzes zur Folge haben kann. Auf keinen Fall dürfen Sie den vom Patienten geltend gemachten Anspruch anerkennen. Dies ist meist bereits durch die Versicherungsbedingungen untersagt. Insoweit sollte darauf geachtet werden, sich nicht vorschnell gegenüber dem Patienten zu dem Vorfall zu äußern. Der Haftpflichtversicherung gegenüber müssen Sie hingegen wahrheitsgemäße Angaben zum Vorfall machen. Im Regelfall stellt Ihr Haftpflichtversicherer Ihnen auch einen Rechtsanwalt zur Verfügung. Die Kosten für den Rechtsanwalt und etwaige Gerichtskosten für ein zivilgerichtliches Verfahren werden auch von Ihrer Haftpflichtversicherung getragen.

Es kann sein, dass sich der Patient zunächst an die Gutachterkommission/Schlichtungsstelle der zuständigen Ärztekammer wendet. Dieses Verfahren ist für alle Beteiligten kostenfrei und freiwillig. Auch hier sollten Sie Ihren Haftpflichtversicherer umgehend informieren. In der Regel wird in diesem Verfahren durch einen medizinischen Sachverständigen geprüft, ob ein Behandlungsfehler vorliegt. Sollte dies der Fall sein, zahlt Ihre Haftpflichtversicherung meist die vorgeschlagene Vergleichssumme.

 

Rechtsfolgen bei fehlender Versicherung

Wie eingangs erwähnt, kann das Fehlen einer Berufshaftpflichtversicherung bzw. das Fehlen eines ausreichenden Deckungsschutzes nicht unerhebliche berufs- und vertragsarztrechtliche Rechtsfolgen haben. Dabei reichen mögliche berufsrechtliche Sanktionen nach den Vorgaben des jeweils landesrechtlichen Heilberufe- und Kammergesetzes von einer Rüge (mit Ordnungsgeld) bis hin zur Einleitung berufsgerichtlicher Verfahren. 

Darüber hinaus besteht für die Approbationsbehörden die Möglichkeit, bei Nichtbestehen einer ausreichenden Berufshaftpflichtversicherung das Ruhen der Approbation des betreffenden Arztes anzuordnen, vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 5 Bundesärzteordnung (BÄO). Dies hat zur Folge, dass für die Dauer des Ruhens die Berufsausübung für den Arzt untersagt ist.
In Einzelfällen ist in der Vergangenheit darüber hinaus die Approbation nach § 5 Abs. 2 BÄO sogar widerrufen worden, da das Fehlen einer Berufshaftpflichtversicherung das Merkmal der ,,Unzuverlässigkeit‘‘ nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 BÄO erfülle.

Vertragsarztrechtlich droht als Rechtsfolge bei einem Verstoß gegen die Versicherungspflicht gemäß § 95e Abs. 4 SGB V die Anordnung des Ruhens der vertragsärztlichen Zulassung oder im Extremfall sogar der Entzug der vertragsärztlichen Zulassung.

Achtung
Auch nach Beendigung der Tätigkeit als Arzt können Haftpflichtansprüche gegen den Arzt geltend gemacht werden. Dies betrifft vor allem die Fälle, in denen das ursächliche Verhalten sich noch während der Berufstätigkeit ereignet hat, aber der gesundheitliche Schaden erst nach Beendigung der Tätigkeit und Kündigung der Berufshaftpflichtversicherung eintritt. Insoweit kann es sinnvoll sein, sich auch für eine gewisse Dauer nach Beendigung der Tätigkeit zu versichern. Dies gilt auch für den Fall, dass im Ruhestand noch gelegentliche ärztliche Tätigkeiten (z. B. in Form von Vertretungen) geplant sind.

 

Fazit

Neben der gesetzlichen Verpflichtung zum Vorhalten einer ausreichenden Berufshaftpflichtversicherung sollte dies auch bereits im eigenen Interesse des Arztes liegen. Wie in diesem Beitrag aufgezeigt, kann ein Haftungsfall vor allem erhebliche finanzielle Folgen mit sich bringen. Wer dann nicht ausreichend versichert ist, läuft Gefahr, seine Existenz zu gefährden. Darüber hinaus sollten die berufsrechtlichen Folgen ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden. Denn auch wenn kein Haftungsfall im Raum steht, kann das Fehlen einer ausreichenden Versicherung dennoch die Existenz gefährden, wenn dadurch die Approbation und/oder die vertragsarztrechtliche Zulassung zum Ruhen gebracht wird. Gerade auch in BAG haben alle Gesellschafter ein hohes Interesse daran, dass für alle Gesellschafter und auch für die angestellten Ärzte ein ausreichender Versicherungsschutz besteht. Prüfen Sie dies, bevor es zu bösen Überraschungen kommt.

* Zur besseren Lesbarkeit kann in Texten das ­generische Maskulinum verwendet werden. ­Nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige aller Geschlechter.

Victoria Hahn
Rechtsanwältin
Lehrbeauftragte der Hochschule Osnabrück
Kanzlei am Ärztehaus
Dorpatweg 10, Germania Campus, 48159 Münster 0251 270 76 88-0 
v.hahn@kanzlei-am-aerztehaus.de
www.kanzlei-am-aerztehaus.de

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