Fragen und Antworten in Rechtsbelangen

In unserem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) beschäftigen wir u. a. eine Ärztin im Sonderbedarf im Umfang eines vollen Versorgungsauftrags. Da sie beruflich kürzertreten möchte, haben wir beim Zulassungsausschuss beantragt, die Arbeitszeit auf 0,75 zu reduzieren und dafür einen weiteren Arzt im Sonderbedarf im Umfang von 0,25 mit einer Wochenarbeitszeit von 10 Stunden anzustellen. Ist eine solche Teilanstellung im Sonderbedarf möglich? Diese und weitere Fragen aus der täglichen Praxis, beantwortet Rechtsanwalt Sven Rothfuß.

Zulassungsentziehung

Herr Dr. L. aus Göttingen

Ich bin 75 Jahre alt und seit einigen Jahrzehnten als Hausarzt niedergelassen. Der Zulassungsausschuss (ZA) hat mir nun die Zulassung entzogen und die sofortige Vollziehung der Entscheidung angeordnet. Begründet hat der ZA dies damit, dass ich nach Einschätzung der Ausschussmitglieder schwer erkrankt sei; das sei in der Verhandlung vor dem ZA, an der ich teilgenommen hatte, offensichtlich gewesen. Meine Erkrankung, die ich gar nicht abstreite, wirkt sich nicht negativ auf meine Arbeit aus. Darf der ZA das überhaupt einfach so?

Herr Rothfuß:

„Das Landessozialgericht (LSG) Schleswig-Holstein hat die Anordnung des Sofortvollzugs einer Zulassungsentziehung in einem Beschluss vom 21.11.2022 (Az. L 4 KA 105/22 B ER) als selbständigen Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz, GG) gewertet, da diese einem vorläufigen Berufsverbot nahekomme. Ein solch massiver Eingriff sei nur unter sehr strengen Voraussetzungen zu rechtfertigen. Eine schwere Krankheit allein könne aber keine mangelnde Eignung als Vertragsarzt begründen, sie müsse vielmehr konkrete Folgen für die Fähigkeit haben, die ärztliche Tätigkeit auszuüben. Außerdem könne die Einschätzung der Ausschussmitglieder aufgrund einer mündlichen Verhandlung allenfalls ein Indiz sein, aber ersetze sicherlich keinen ärztlichen Befund in Form eines Sachverständigengutachtens. Schon gar nicht könne in einem solchen Fall Sofortvollzug angeordnet werden. Sie sollten sich daher unbedingt zur Wehr setzen.“

Anstellung im Sonderbedarf 

Frau Dr. Ö. aus Mannheim

In unserem MVZ beschäftigen wir u. a. eine Ärztin im Sonderbedarf im Umfang eines vollen Versorgungsauftrags. Da sie beruflich kürzertreten möchte, haben wir beim ZA beantragt, die Arbeitszeit auf 0,75 zu reduzieren und dafür einen weiteren Arzt im Sonderbedarf im Umfang von 0,25 mit einer Wochenarbeitszeit von 10 Stunden anzustellen. Der ZA sah zwar den fortbestehenden Sonderbedarf grundsätzlich im Umfang eines 1,0-Versorgungsauftrags. Er lehnte aber die Nachfolge-Anstellung des neuen Arztes im Umfang von 0,25 ab. Eine Teilanstellung mit dem Anrechnungsfaktor 0,25 sei im Sonderbedarf nicht möglich. Stimmt das? 

Herr Rothfuß:

„Hier muss zwischen der Feststellung des Bestehens eines Sonderbedarfs und dessen Deckung unterschieden werden. Für die Feststellung muss ein lokaler Sonderbedarf in Höhe von mindestens eines halben Versorgungsauftrags bestehen. Die Feststellung eines Sonderbedarfs im Umfang eines 0,25 Versorgungsauftrags ist nach den Regelungen in der Bedarfsplanungsrichtlinie nicht möglich. Dieser Bedarf kann aber nach einer Entscheidung des BSG vom 06.04.2022 (Az. B 6 KA 7/21 R) sehr wohl durch mehrere Sonderbedarfsanstellungen im Umfang von jeweils 0,25 gedeckt werden. Da ein Sonderbedarf von 1,0 in Ihrem Fall festgestellt ist, kann dieser auch durch zwei Anstellungen im Umfang von 0,75 und 0,25 gedeckt werden.“

Bankbürgschaft

Frau Dr. S. aus Erlangen 

Die Trägergesellschaft unseres MVZ ist eine GmbH, deren einzige Gesellschafterin wiederum eine GmbH ist. Die KV verweigert uns die Gewährung monatlicher Abschlagszahlungen. Nach den Abrechnungsbestim­mungen werde einer MVZ-Trägergesellschaft, deren Gesellschafter nicht ausschließlich natürliche Personen sind, der Abschlag nur gewährt, wenn eine Bankbürgschaft in Höhe von fünf Abschlagszahlungen vorgelegt wird – für natürliche Gesellschafter gilt das aber nicht. Darf die KV das einfach bestimmen?

Herr Rothfuß:

„Nein, das darf sie nicht, jedenfalls nicht so: Der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln. Ungleichbehandlungen bedürfen einer Rechtfertigung. Ob die Regelung in KV-Abrechnungsbestimmungen, die nur von MVZ-Trägergesellschaften, deren Gesellschafter nicht ausschließlich natürliche Personen sind, eine Bankbürgschaft verlangte, diesen Anforderungen genügt, war Gegenstand einer Entscheidung des BSG vom 07.09.2022 (Az. B 6 KA 10/21 R). Das Gericht sah MVZ-Trägergesellschaften mit ausschließlich natürlichen Gesellschaftern und solche, deren Gesellschafter auch nicht natürliche Personen sind, als im Wesentlichen gleich an. Es fehle an einem sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung hinsichtlich des Erfordernisses einer Bankbürgschaft. Das Risiko, dass Honorare nicht zurückgefordert werden könnten, sei bei beiden Gruppen von MVZ-Trägergesellschaften vergleichbar. Von nur einer Gruppe eine teure Bankbürgschaft zu verlangen, verstoße daher gegen Art. 3 Abs. 1 GG.“

Sven Rothfuß
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht

Kanzlei am Ärztehaus
Oberländer Ufer 174, 50968 Köln

(0221) 34066960
www.kanzlei-am-aerztehaus.de

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