Fragen und Antworten in Rechtsbelangen

„Vor einiger Zeit fiel mir auf, dass Genotropin über 100-mal über meine Betriebsstättennummer verordnet und abgerechnet wurde, obwohl ich es nie verschrieben habe. Nachdem ich Strafanzeige gestellt hatte, stellte sich heraus, dass eine meiner MFA der Übeltäter war. Die MFA wurde verurteilt und entlassen. Nun wurde gegen mich ein Regress in Höhe der Verordnungskosten festgesetzt. Muss ich für die Kosten aufkommen?“ Diese und weitere Fragen beantwortet Rechtsanwalt Sven Rothfuß.

Haftung für deliktisches Handeln der MFA

Herr Dr. H. aus Oldenburg

Ich bin Facharzt für Innere Medizin. Vor einiger Zeit fiel mir auf, dass das Medikament Genotropin über 100-mal über meine Betriebsstättennummer verordnet und abgerechnet wurde, obwohl ich es nie verschrieben habe. Es handelt sich hierbei um ein Wachstumshormon, das auf dem Schwarzmarkt unter Bodybuildern gehandelt wird. Nachdem ich Strafanzeige gestellt hatte, stellte sich heraus, dass eine meiner MFA die Rezepte mit unterschiedlichen Patientendaten ausgefüllt, gestempelt, meine Unterschrift gefälscht und eingelöst hatte. Sie verkaufte das Genotropin. Die MFA wurde verurteilt und entlassen. Nun wurde gegen mich ein Regress in Höhe der Verordnungskosten festgesetzt. Angeblich hätte ich die Rezeptvordrucke und den Praxis­stempel nicht sicher aufbewahrt. Wie in vielen Praxen liegen sowohl die Vordrucke als auch der Stempel in unverschlossenen Fächern. Muss ich nun für die Kosten der Verordnungen aufkommen? Ich habe doch sogar selbst die Strafanzeige gestellt, sobald mir die Unregelmäßigkeiten aufgefallen sind. 

Herr Rothfuß:

„Mit Urteil vom 14.06.2023 (Az. S 6 KA 15/20) hat das Sozialgericht (SG) Schwerin in einer ähnlichen Konstellation entschieden, dass weder die offene Aufbewahrung der Rezeptvorlagen noch des Praxisstempels ein sorgfaltswidriges Verhalten des Arztes darstellen. Dass das Personal in der Praxis Zugriff auf die Vordrucke und den Stempel habe, um Verordnungen vorzubereiten, sei als zulässige Unterstützung der ärztlichen Tätigkeit anzusehen. Im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot sei es weder vorgesehen noch gerechtfertigt, den MFA den Zugang zu entziehen. Dieser sei für die Arbeitsteilung in der Praxis, in deren Rahmen die Mitarbeitenden die Rezepte vorbereiten, erforderlich. Ein Sorgfaltsverstoß, an den ein Regress knüpfen könnte, sei nicht zu erkennen gewesen. Auch könne das deliktische Verhalten der MFA dem Arzt nicht zugerechnet werden. Ein Regress wäre rechtswidrig. 

Zu beachten ist allerdings, dass für Vorlagen für Betäubungsmittel-Rezepte strengere Anforderungen gelten. Außerdem hob das Gericht hervor, dass die Bevorratung bereits vom Arzt unterschriebener Rezepte ebenfalls nicht zulässig ist. Hätte die MFA solche blanko vom Arzt unterschriebenen Vordrucke genutzt, hätte der Arzt für die Kosten aufkommen müssen.“

Überschreitung der Leistungsobergrenze

Frau Dr. S. aus Osnabrück

Ich bin mit einer Kollegin in einer Jobsharing-BAG tätig. Uns erreichte jüngst eine Berichtigung der Honorarbescheide für die letzten Jahre. Es werden über 100.000 € zurückgefordert, da wir unsere Leistungsobergrenze (LOG) überschritten hätten. Die LOG folgt dem Fachgruppendurchschnitt (FGD). Dafür wird der FGD mit einem Anpassungsfaktor (AF) multipliziert. Diesen Faktor soll die KV den Ärzten gem. § 45 Satz 6 der Bedarfsplanungsrichtlinie mitteilen. Tatsächlich wurde uns aber weder der AF, noch der gesunkene FGD mitgeteilt. Wir haben unser Leistungsvolumen auch nicht ausgeweitet, sondern haben die neue LOG bloß überschritten, da der FGD und in der Folge unsere LOG gesunken waren. Wir haben uns stets an der letzten uns mitgeteilten LOG orientiert. Bei Erlass der Honorarbescheide wurden wir auch nicht informiert, dass es noch zu Änderungen kommen könnte. Genießen wir denn nicht zumindest Vertrauensschutz, der eine Kürzung der Honorare verhindert? Da uns keine AF mitgeteilt wurden, mussten wir doch davon ausgehen, dass die LOG gleichbleiben würde. 

Herr Rothfuß:

„Mit einer solchen Honorarkürzung beschäftigt sich das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Hamburg vom 25.01.2023 (Az. L 5 KA 2/21). Das Urteil der Vorinstanz, des SG Hamburg vom 14.04.2021 (Az. S 27 KA 311/18) ging noch davon aus, dass die Kürzung rechtswidrig sei. Ihr stehe der Vertrauensschutz entgegen, da die KV die Honorarbescheide nicht mit einem Vorläufigkeitshinweis versehen habe, aus dem ersichtlich gewesen wäre, dass die Grundlagen der Honorarverteilung unklar waren. Dem trat das LSG entgegen. Die Kürzungsbescheide seien rechtmäßig. Der Zulassungsausschuss lege die LOG fest. Diese sei auch für Gerichte bindend. Auch der Grundsatz des Vertrauensschutzes stehe der Honorarrückforderung nicht entgegen. Vor einer endgültigen Prüfung der Honorarbescheide könne grundsätzlich nicht auf deren Bestand vertraut werden. Vertrauensschutz komme auch nicht aufgrund eines unterlassenen Hinweises der KV in Betracht. Ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand der LOG könne sich auch nicht daraus ergeben, dass der BAG die AF nicht mitgeteilt wurden. Es fehle bereits an jeglichem Anknüpfungspunkt für ein solches Vertrauen, da nie ein AF mitgeteilt wurde. Derartige Honorarkürzungen wegen Überschreitung der LOG sind damit zulässig und scheitern auch nicht am Vertrauensschutz.“

Sven Rothfuß
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht

Kanzlei am Ärztehaus
Oberländer Ufer 174, 50968 Köln

(0221) 34066960
www.kanzlei-am-aerztehaus.de

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