Fragen und Antworten in Rechtsbelangen

„Einer meiner Patienten ist unzufrieden mit seiner Behandlung und möchte mich nun auf Schadensersatz verklagen. Er ist der Meinung, dass er Anspruch auf eine kostenlose Kopie meiner gesamten Behandlungsdokumentation für diesen Zweck habe. Muss ich ihm tatsächlich die gesamte Dokumentation kostenlos kopieren und ihn so in seiner Klage auch noch unterstützen?“ Diese und weitere Fragen beantwortet Rechtsanwalt Sven Rothfuß.

Widerspruch vor Bekanntgabe eines Bescheids

Herr Dr. R. aus Ingolstadt:

Ich bin aktuell angestellt und habe mich auf einen ausgeschriebenen Versorgungsauftrag beworben. Die Sitzung des Zulassungsausschusses (ZA) fand am 15.03. statt und der Versorgungsauftrag sollte zum 01.04. übergehen. Nachdem ich bis zum 28.03. nichts vom ZA gehört hatte, habe ich „vorsorglich Widerspruch gegen einen möglicherweise ergangenen Bescheid“ erhoben für den Fall, dass ein anderer Bewerber zugelassen wurde. Ich dachte, dass bestimmt schon ein Bescheid ergangen sei, ich ihn aber nicht erhalten hätte. Am 30.03. erhielt ich dann tatsächlich den ablehnenden Bescheid und eine Bestätigung, dass mein Widerspruch eingegangen sei. Im November hat mir der ZA mitgeteilt, dass mein Widerspruch als unzulässig verworfen worden sei. Vor Bekanntgabe des Bescheids könne kein Widerspruch erhoben werden und nach Zugang des Bescheids hätte ich dann keinen Widerspruch mehr eingelegt. Kann das denn rechtmäßig sein? Schließlich habe ich doch Widerspruch eingelegt.

Herr Rothfuß:

„Das Landessozialgericht (LSG) München hat eine ähnliche Entscheidung in einem Urteil vom 17.05.2023 (Az. L 12 KA 12/23) als rechtmäßig bestätigt. Das LSG ging davon aus, dass ein Bescheid erst vorliege, wenn er dem Empfänger bekanntgegeben worden sei. Vor der Zustellung am 30.03. habe der Bescheid daher nicht existiert. Ein Widerspruch könne aber nur gegen existente Bescheide erhoben werden. Auch eine Eingangsbestätigung des vorsorglichen Widerspruchs könne diesen nicht zulässig machen. Dass später ein entsprechender Bescheid erging, sei ebenfalls irrelevant. Dann hätte erneut Widerspruch erhoben werden müssen. Auch die Rechtsbehelfsbelehrung in dem Bescheid weise darauf hin, dass Widerspruch binnen eines Monats nach Zustellung des Bescheids erhoben werden könne. Im Übrigen sei der Widerspruch unter der Bedingung erhoben worden, dass ein anderer Bewerber ausgewählt worden sei. Es sei aber auch nicht möglich, den Widerspruch unter eine Bedingung zu stellen. Deshalb dürfte die Verwerfung Ihres Widerspruchs als unzulässig hier wohl rechtmäßig sein.“

Kopie der Patientenakte

Frau Dr. F. aus Wolfsburg:

Ich bin niedergelassene Chirurgin. Einer meiner Patienten ist unzufrieden mit seiner Behandlung und möchte mich nun auf Schadensersatz verklagen. Er ist der Meinung, dass er Anspruch auf eine kostenlose Kopie meiner gesamten Behandlungsdokumentation für diesen Zweck habe. Muss ich ihm tatsächlich die gesamte Dokumentation kostenlos kopieren und ihn so in seiner Klage auch noch unterstützen?

Herr Rothfuß:

„Zur Frage der kostenlosen Kopie der Behandlungsunterlagen hat sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem sehr patientenfreundlichen Urteil vom 26.10.2023 (Az. C-307/22) geäußert. Der EuGH geht davon aus, dass ein Patient Anspruch auf eine kostenlose erste Kopie der Daten aus seiner Akte habe, der Informationen wie Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde und Angaben zu den durchgeführten Behandlungen und Eingriffen umfasse. Der Patient müsse auch nicht begründen, warum er die Kopie verlange. Wenn dem Arzt erlaubt werde, bestimmte Daten oder etwa Bilder zusammenzufassen, bestehe die Gefahr, dass gewisse Daten ausgelassen oder unrichtig wiedergegeben würden. Die Daten müssten so vollständig und genau wie möglich sowie verständlich dargestellt werden. Eine Grenze finde dieses Recht des Patienten in offensichtlich rechtsmissbräuchlichen oder exzessiven Anträgen. So dürfte ab der zweiten Kopie der Daten eine Kostenerstattung verlangt werden. Dass die Kopie der Daten für eine Klage gegen den Behandler genutzt werden soll, sei nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Sofern die Kopie also zum ersten Mal verlangt wird, müssen Sie diese – unabhängig von der Begründung – kostenlos zu Verfügung stellen.“

Sven Rothfuß
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht

Kanzlei am Ärztehaus
Oberländer Ufer 174, 50968 Köln

(0221) 34066960
www.kanzlei-am-aerztehaus.de

Interessiert an neuen Fortbildungen oder Abrechnungstipps?

Abonnieren Sie unseren Infoletter.
 

Zur Infoletter-Anmeldung

x
Newsletter-Anmeldung