Fragen und Antworten in Rechtsbelangen

„Die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens für meine Praxis wurde vom Zulassungsausschuss abgelehnt, weil kein Praxissubstrat im Umfang eines vollen Versorgungsauftrags vorliege. Ich habe dies akzeptiert und mich damit abgefunden, nur eine Entschädigung zu erhalten. Die Entschädigung hat die Kassenärztliche Vereinigung (KV) nun aber auch abgelehnt, da es an der fortführungsfähigen Praxis fehle. Es kommt aber doch nicht darauf an, warum der Ausschuss den Antrag abgelehnt hat. Steht mir keine Entschädigung zu?“ Diese und weitere Fragen Ihrer Kolleginnen und Kollegen beantwortet Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Sven Rothfuß.

Nachbesetzungsverfahren

Frau Dr. L., hausärztlich tätige Internistin

Nach langjähriger Tätigkeit habe ich auf meine Zulassung verzichtet und wollte ein Nachbesetzungsverfahren durchführen. Die Durchführung des Verfahrens wurde vom Zulassungsausschuss (ZA) abgelehnt, weil kein Praxissubstrat im Umfang eines vollen Versorgungsauftrags vorliege. Ich habe dies akzeptiert und mich damit abgefunden, nur eine Entschädigung von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) zu erhalten. Die Entschädigung hat die KV nun aber auch abgelehnt, da es an der fortführungsfähigen Praxis fehle. Nach § 103 Abs. 3a S. 13 SGB V kommt es aber doch gar nicht darauf an, warum der ZA den Antrag abgelehnt hat. Steht mir denn nicht einmal die Entschädigung zu?

Herr Rothfuß:

„Nach einem Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 15.11.2023 (Az. L 5 KA 3221/22) besteht in einem solchen Fall kein Anspruch auf eine Entschädigung. Der ZA prüfe immer auch, ob überhaupt eine fortführungsfähige Praxis bestehe. Fehle es schon an einer fortführungsfähigen Praxis, sei die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens bereits deshalb abzulehnen; ein Entschädigungsanspruch bestehe aber nur dann, wenn die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens aus Versorgungsgründen vom ZA abgelehnt werde. Das sind demnach zwei unterschiedliche Tatbestände. Sofern die Entscheidung des ZA mit dieser Begründung auch bestandskräftig geworden ist, scheidet ein Entschädigungsanspruch aus; die KV selbst treffe keine eigene neue Sachentscheidung. Hätte der ZA die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens aus Versorgungsgründen abgelehnt, kommt ein Entschädigungsanspruch indes in Betracht.“

Versichertenpauschale

Herr Dr. S., Allgemeinmediziner

Ich bin seit 30 Jahren als Hausarzt tätig. Ich vergebe keine Termine und habe kein Personal, sondern empfange die Patienten selbst an der Rezeption. Hier befrage ich sie direkt nach ihren Beschwerden und stelle in der Regel eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) für wenige Tage aus. Hierfür setze ich dann jeweils die Versichertenpauschale an. Nun erhielt ich eine Regressforderung, da ich den Leistungsinhalt angeblich nicht erbracht hätte. Dabei sieht dieser lediglich einen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt vor. Indem ich die Patienten persönlich empfangen und mit ihnen gesprochen habe, habe ich den Leistungsinhalt doch erbracht. Ist der Regress dennoch rechtmäßig?

Herr Rothfuß:

„Das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg sah den Regress in einem ähnlichen Fall (Urteil vom 20.09.2023, Az. L 7 KA 29/20) als rechtmäßig an. Das Gericht stützte sich auf Punkt 4.1 des EBM, der lautet: „Die [Versichertenpauschale ist] [...] beim ersten kurativ-ambulanten [...] persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt [...] im Behandlungsfall zu berechnen.“ Unter einer kurativen Behandlung verstehe man nach § 27 SGB V die Feststellung bzw. Erkennung einer Erkrankung, deren Heilung oder Linderung. Das LSG ging davon aus, dass durch das kurze Gespräch an der Rezeption keine Krankheit erkannt oder festgestellt werden konnte. Der Arzt hätte die Angaben des Patienten bloß in eine Diagnose übersetzt und eine AU ausgestellt. Mangels Untersuchung sei der Leistungsinhalt nicht erbracht worden und der Regress somit rechtmäßig.“

Fotodokumentation bei OP

Herr Dr. A., Urologe

In meiner Praxis behandle ich auch Vorhautverengungen. Nun erreichte mich ein Regress: Voraussetzung für die Abrechnung der Eingriffe sei die histologische Untersuchung entnommenen Materials und/oder die prä- und postoperative Bilddokumentation. Bei der Vorhautplastik entnehme ich aber gar kein Material. Fotos ihres Genitalbereichs haben viele meiner Patienten abgelehnt. Dies habe ich aufgrund ihres Persönlichkeitsrechts akzeptiert. Wiegt dieses Recht meiner Patienten nicht schwerer als das Interesse der KV an den Fotos? Kann solch ein Regress rechtmäßig sein?

Herr Rothfuß:

„Nach einem Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 22.02.2023 (Az. L 7 KA 12/18) in einem vergleichbaren Fall gehört die im EBM vorgesehene Fotodokumentation (und/oder histologische Untersuchung) zum obligaten Leistungsinhalt der Vorhautplastik. Das Gericht sah die entsprechenden Vorgaben des EBM auch als verfassungsgemäß an. Die Dokumentation sei notwendig, um sicherzustellen, dass nur medizinisch indizierte Eingriffe – und nicht z. B. religiöse Beschneidungen – gegenüber der KV abgerechnet würden. Die Patientenrechte würden ausreichend gewahrt, da die Bilder klar auf den OP-Bereich begrenzt werden könnten. Um die Leistung gegenüber der KV abrechnen zu können, muss daher in solchen Fällen eine Bilddokumentation erfolgen. Patienten, die dies ablehnen, sollten auf eine privatärztliche Abrechnung verwiesen 
werden.“

Sven Rothfuß
Rechtsanwalt,
Fachanwalt für Medizinrecht
Kanzlei am Ärztehaus
Oberländer Ufer 174
50968 Köln
(0221) 34066960
www.kanzlei-am-aerztehaus.de

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