Fragen und Antworten in Rechtsbelangen

Kann ich dagegen angehen, dass der Zulassungsausschuss eine mündliche Verhandlung online durchführen möchte? Gibt es eine Möglichkeit, die ärztliche Behandlung bei gesetzlich versicherten Patienten nach Vollendung des 18. Lebensjahres fortzusetzen? Ist es rechtens für bestimmte GKV-Leistungen Zuzahlungen von Patienten zu nehmen, weil die vertragsärztliche Vergütung insoweit für unzureichend gehalten wird?

Virtuelle Sitzung des Zulassungs­ausschusses

Frau Dr. U aus Osnabrück:

Ich habe mich auf eine Ausschreibung einer Praxis beworben. Ich weiß, dass es noch weitere Bewerber für die Praxis gibt. Leider hat der Abgeber keinen Kontakt zu mir aufgenommen, um mit ihm über einen Kaufvertrag zu verhandeln. Jetzt möchte der Zulassungsausschuss die mündliche Verhandlung online durchführen. Das möchte ich aber nicht, weil ich befürchte, dass meine Bewerbung dabei nicht hinreichend berücksichtigt wird. Was kann ich tun? 

Herr Rothfuß:

„Sie müssen der Durchführung der Verhandlung als ausschließlich virtuelle Sitzung nicht zustimmen. Die Zulassungsgremien sind nach Auffassung von zwei Sozialgerichten (SG Schwerin, Beschluss v. 01.12.2020, S 3 KA 36/20 ER und SG Marburg, Gerichtsbescheid v. 17.03.2021, S 12 KA 268/20) nicht befugt, mündliche Verhandlungen online durchzuführen. Zwar hatte das Bundesgesundheitsministerium in einem Rundschreiben vom 30.03.2020 die Auffassung vertreten, virtuelle Sitzungen seien nach der Ärzte-ZV zulässig. Tatsächlich fordert die Ärzte-ZV nach den Sozialgerichten aber eine Präsenzsitzung. Nur dann sei den Anforderungen der Ärzte-ZV an eine mündliche Verhandlung und Sitzung Genüge getan. Ansonsten liege ein Verfahrensfehler vor. Sie können sich also mit guten Gründen gegen die Durchführung der mündlichen Verhandlung als reine virtuelle Sitzung wehren.“

Altersabhängige Fachgebietsgrenze

Herr Dr. B. aus Hannover:

Ich bin Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin. Es kommt nicht selten vor, dass gesetzlich Versicherte, die ich von klein auf kenne, gerne auch noch nach Vollendung des 18. Lebensjahres von mir weiter betreut werden wollen. Mir fällt es immer wieder schwer, diesen Wunsch abzulehnen. Sehen Sie eine Möglichkeit, dass ich die Behandlung trotzdem fortsetze? 

Herr Rothfuß:

„Die Frage muss ich leider verneinen. Erst jüngst hat das LSG Bayern (Urt. v. 15.07.2020, L 12 KA 3/19) erneut die Behandlung von Erwachsenen durch einen Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin unter Hinweis auf die einschlägige Weiterbildungsordnung wegen Fachfremdheit ausgeschlossen. Das Bundessozialgericht (BSG) verwarf die dagegen geführte Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig (Beschl. v. 01.12.2020, B 6 KA 17/20 B). Ausnahmen insoweit gelten für Notfallbehandlungen und für Leistungen, bei denen dem behandelnden Arzt ausnahmsweise im Einzelfall die Überweisung an einen anderen Gebietsarzt unzumutbar wäre (BSG Beschl. v. 28.10.2015, B 6 KA 12/15 B).“ 

Zuzahlungen für EBM-Leistungen

Frau Dr. N. aus Dresden:

Ich höre immer wieder von Kollegen, dass sie für bestimmte GKV-Leistungen Zuzahlungen von den Patienten nehmen, weil sie die vertragsärztliche Vergütung insoweit für unzureichend halten. Ist das rechtens? 

Herr Rothfuß:

„Auf keinen Fall. Im System der GKV gilt strikt das sogenannte Sachleistungsprinzip. Ärzte, die einen vertragsärztlichen Versorgungsauftrag wahrnehmen, sind verpflichtet, die EBM-Leistungen als Sachleistung zu erbringen und gegenüber der KV abzurechnen. Weder dürfen sie die Leistungs­erbringung davon abhängig machen, dass der Patient vorher eine Selbstzahler-Vereinbarung abschließt, noch ist es ihnen gestattet, Zuzahlungen zu verlangen. Das SG München hat erst kürzlich eine Disziplinarmaßnahme der zuständigen KV gegen einen Augenarzt bestätigt (Urteil v. 23.04.2021, S 28 KA 116/18). Er hatte die Untersuchung einer neuen Patientin, die zuvor schon in augenärztlicher Behandlung war, von dem Abschluss einer „Zweitmeinung“-Liquidationsvereinbarung abhängig gemacht, die diese auch unterschrieb. Nach Rechnungsstellung beschwerte sich die Patientin bei der KV. Weder ließ die KV die Erklärung des Augenarztes, die Patientin sei ja schon zuvor augenärztlich behandelt worden, gelten, noch folgte sie dem Argument des Augenarztes, er habe keine Behandlungskapazitäten im Rahmen der GKV mehr gehabt. Das SG München bestätigte die Auffassung der KV und die verhängte Geldbuße von 2.500 €. Nichts anderes gilt für Zuzahlungen für EBM-Leistungen.“

Sven Rothfuß
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht
Kanzlei am Ärztehaus
Oberländer Ufer 174, 50968 Köln
(0221) 34066960
www.kanzlei-am-aerztehaus.de

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