Immer wieder Ärger mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen

Wer kennt die Situation nicht, da sitzt ein Patient im Sprechzimmer und will unbedingt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU). Aber auch den Fall, dass von einem eigenen Mitarbeiter eine AU vorliegt und man Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit hat, haben Sie bestimmt auch schon erlebt. Was man in solchen Fällen tun kann und was man als Arzt alles zum Thema AU wissen sollte, stellen wir im Folgenden dar.

 

Wird ein Arbeitnehmer krank, muss er dem Arbeitgeber unverzüglich mitteilen, dass er erkrankt ist (§ 5 Entgeltfortzahlungsgesetz). Bei Erkrankungen, die länger als drei Tage dauern, muss die AU spätestens am darauffolgenden Tag übermittelt werden. 

Je nach Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag können Sie oder die Arbeitgeber Ihrer Patienten die AU auch früher verlangen. Der Manteltarifvertrag für Medizinische Fachangestellte regelt beispielsweise in § 9, dass bei einer Erkrankung von mehr als drei Kalendertagen eine AU vorgelegt werden muss. Sie sind aber auch nach diesem Tarifvertrag berechtigt, die AU schon früher zu verlangen. Das kann durchaus sinnvoll sein, wenn sich Krankmeldungen in der Praxis häufen.

Die AU, oft auch „gelber Schein“, Attest oder schlicht Krankschreibung genannt, erstellen Sie als Hausarzt oder Facharzt (s. Infokasten).
Die AU für gesetzlich versicherte Patienten besteht aus vier Seiten, drei werden dem Erkrankten ausgehändigt, die Vierte bleibt bei Ihnen. Die oberste Ausfertigung ist für die Krankenkasse. Sie enthält neben der voraussichtlichen Krankheitsdauer die Diagnose. Der mittlere Schein trägt den Hinweis „Ausfertigung zur Vorlage beim Arbeitgeber“. Diese Bescheinigung erhält der Arbeitgeber und hierauf ist keine Dia-
gnose vermerkt. Der dritte Schein verbleibt beim Arbeitnehmer.

Eine AU können Sie ausstellen als

  • Erstbescheinigung (der Arbeit­nehmer ist erstmals an dieser Krankheit innerhalb der letzten sechs Monate erkrankt)

oder

  • Folgebescheinigung (die Krankheit des Arbeitnehmers dauert über den ursprünglich angegebenen Zeitraum hinaus an).

Elektronische AU ab 2021

Ab 2021 ist geplant, dass der behandelnde Arzt der Krankenkasse die Arbeits­unfähigkeit eines Versicherten unmittelbar meldet. Diese wird dann den Arbeitgeber auf digitalem Wege über die Arbeitsunfähigkeit einer seiner Mitarbeiter informieren. Auch darf eine AU in der Video-
sprechstunde ausgestellt werden, wenn der Patient in der Praxis bekannt ist. 

Fehlende AU

Legt Ihnen ein Arbeitnehmer die AU nicht vor, sind Sie für die Zeit der Erkrankung nicht zur Lohnfortzahlung verpflichtet. Auch eine Mahnung oder sogar eine Kündigung ist möglich, wenn Sie den Arbeitnehmer dazu aufgefordert haben, die AU einzureichen und er diese dennoch nicht vorlegt.

AU im Urlaub 

Auch wenn Ihr Arbeitnehmer Urlaub hat, muss er Sie über die Erkrankung informieren und eine AU vorlegen, so wie wenn er keinen Urlaub hätte. Denn im Krankheitsfall verfallen die Urlaubsansprüche nicht, wenn sich der Arbeitnehmer ordnungs­gemäß arbeitsunfähig gemeldet hat.

Ist er im Ausland, muss er Sie bereits am ersten Tag über seine Krankheit und die voraussichtliche Dauer informieren. Er muss auch seine Adresse hinterlassen, unter der er am Urlaubsort erreichbar ist. Auch muss er Ihnen und seiner Krankenkasse die Rückkehr nach Deutschland mitteilen.

Der Arbeitnehmer kann ohne Ihr Einverständnis die verpassten Urlaubstage nicht einfach zur Erholung am Ende des Urlaubs anhängen. Urlaub muss vom Arbeitgeber genehmigt werden. Eine Selbstbeurlaubung ist unzulässig und stellt einen Kündigungsgrund dar.

Rückwirkende AU

Um Missbrauch zu verhindern, dürfen Sie grundsätzlich erst nach der sogenannten Inaugenscheinnahme des Patienten eine AU ausstellen. Der gesundheitliche Zustand des Arbeitnehmers muss von Ihnen persönlich geprüft worden sein. Ausnahmen dazu gab es bei der Pandemie mit dem Corona-Virus. 

In der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie ist aber geregelt, dass eine Ausnahme bei gewissenhafter Prüfung von bis zu drei 
Tagen möglich ist. Das heißt, Sie können Patienten auch rückwirkend bis zu drei Tage arbeitsunfähig schreiben. 

Hinweis: Bitte prüfen Sie bei Ausstellung einer rückwirkenden AU besonders sorgfältig, ob eine Erkrankung schon vor dem Arztbesuch vorgelegen hat.

Gefälligkeits-AU

Das Ausstellen einer AU aus Gefälligkeit ist strafbar und kann berufsrechtliche Folgen bis hin zum Entzug der Zulassung haben. Daher kann ich Ihnen nur dringend davon abraten, eine Gefälligkeits-AU auszustellen. Wenn Sie „Blaumachern“ einen solchen Dienst erweisen, begehen Sie Beihilfe zum Betrug zulasten des Arbeitgebers, der zur Lohnfortzahlung verpflichtet wird, ohne dafür eine Gegenleistung, nämlich die Arbeitskraft des krank geschriebenen Arbeitnehmers, zu erhalten. 

Sie erfüllen auch noch einen weiteren Straftatbestand, den der Ausstellung unrichtiger Gesundheitszeugnisse und können mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden. Ein Gesundheitszeugnis ist eine „Erklärung über die jetzige, frühere oder voraussichtliche künftige Gesundheit eines Menschen“. Darunter fällt auch eine AU.

Unrichtig ist ein Gesundheitszeugnis, wenn wesentliche Feststellungen nicht im Einklang mit den Tatsachen oder dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft stehen. Unrichtig ist das Gesundheitszeugnis zudem, wenn Sie es ausstellen, ohne den Patienten untersucht zu haben. Das gilt aber nicht für Folgebescheinigungen. Das ärztliche Zeugnis ist erst „ausgestellt“, wenn Sie es an den Patienten herausgegeben haben. 

Tatbestandsirrtum

Die Strafbarkeit entfällt, wenn Sie die falsche AU-Bescheinigung nicht „wider besseren Wissens“ ausgestellt haben. Sie müssen also wissen, dass Ihre Bescheinigung inhaltlich unrichtig ist. Gehen Sie dagegen davon aus, dass die AU korrekt ist, liegt ein „Tatbestandsirrtum“ vor, Sie handeln nicht vorsätzlich und begehen keine Straftat. Erzählt Ihnen der Arbeitnehmer aber, er benötige die Krankschreibung, weil er beispielsweise den Urlaub nicht genehmigt bekommen habe und ist nicht krank, dann machen Sie sich strafbar.

Zweifel bezüglich der AU

Liegen ausreichende Gründe für die Annahme vor, dass Ihr Arbeitnehmer in Wirklichkeit nicht arbeitsunfähig ist, sondern einfach nur „blaumachen“ will, können Sie als Arbeitgeber die folgenden Maßnahmen ergreifen: 

► Schalten Sie den Medizinischen Dienst ein 

Eine legale Form der Krankenkontrolle ist die Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse (MDK) Ihres gesetzlich versicherten Arbeitnehmers. Unter gewissen Voraussetzungen können Sie nämlich von der Krankenkasse Ihres Mitarbeiters verlangen, dass diese eine gutachterliche Stellungnahme des MDK zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt, so z. B. wenn der Arbeitnehmer sehr oft oder auffällig häufig nur für kurze Dauer eine AU vorlegt oder häufig am Montag oder Freitag krank ist. 

►Stellen Sie auch eigene Ermittlungen an 

Hierbei müssen Sie aber vor dem Hintergrund des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers vorsichtig sein. Das Bundesarbeitsgericht hält es jedoch für zulässig, wenn Sie aufgrund eines konkreten Verdachts einen Detektiv beauftragen, den Arbeitnehmer zu überwachen, um diesem das „Blaumachen“ nachzuweisen. Unter diesen Voraussetzungen können Sie später sogar die Kosten des Detektivs von dem Mitarbeiter zurückverlangen. 

► Kündigen Sie ggf. fristlos 

Können Sie beweisen, dass der Arbeitnehmer seine AU vorgetäuscht hat, können Sie sogar fristlos kündigen. Denn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung vor, wenn der Arbeitnehmer unter Vorlage einer AU der Arbeit fernbleibt und sich Entgeltfortzahlung gewähren lässt, obwohl es sich in Wahrheit nur um eine vorgetäuschte Krankheit handelt. 
Verlangen Sie Ihre Entgeltfortzahlung zurück
Können Sie beweisen, dass der Mitarbeiter die Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht hat, können Sie bereits geleisteten Lohn wieder zurückverlangen.

Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beweislast für die vorgetäuschte Erkrankung bei Ihnen liegt.
 

Andrea Schannath Justiziarin des Virchowbundes 

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