Sechs Fragen und Antworten zur Impfpflicht im Gesundheitswesen – was gilt ab dem 16.03.2022?

Ab dem 16. März 2022 gilt in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen eine einrichtungsbezogene Impfpflicht. Dieser Beitrag gibt Antworten auf sechs häufig gestellte Fragen zur Corona-Impfpflicht für Praxisinhaberinnen und -inhaber sowie Beschäftigte in Arztpraxen.

Hintergrund

Am 12.12.2021 ist mit dem „Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen Covid 19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie“ § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Kraft getreten. Mit dieser neuen Vorschrift wird geregelt, dass Personen, die in bestimmten Einrichtungen oder Unternehmen der Gesundheitsbranche tätig sind, bis zum 15.03.2022 nachweisen müssen, dass sie geimpft oder genesen sind. Alternativ müssen solche Personen einen Nachweis vorlegen, aus dem sich eine medizinische Kontraindikation für eine Impfung ergibt.

Im Zuge der Diskussion über diese Neuregelung sind Zweifel aufgekommen, ob diese Vorschrift überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Dies ist nun vorerst vom Bundesverfassungsgericht bejaht worden (BVerfG, Beschluss vom 10.02.2022, 1 BvR 2649/21). Damit ist die Regelung ab dem 15.03.2022 verbindlich.

 

1. Was ist das Ziel dieser Regelung? 

In Anlehnung an die Regelungen zur Masern-Impfpflicht soll mit der Vorschrift der Schutz vulnerabler Patientengruppen erreicht und die Ausbreitung des Corona­virus verringert werden. Das Gesetz geht davon aus, dass geimpfte und genesene Personen seltener infiziert werden und somit auch seltener zu Überträgern des Coronavirus werden. Zudem seien diese Personen auch für einen kürzeren Zeitraum infektiös. Das Risiko, das von Geimpften oder Genesenen ausgehe, sei somit deutlich geringer als bei Personen, die über keine Immunisierung aufgrund eines vollständigen Impfschutzes oder einer durchgemachten Infektion verfügen.

Sind alle Gesundheitseinrichtungen betroffen?

Von der gesetzlichen Neuregelung sind insbesondere folgende Einrichtungen bzw. Unternehmen im Gesundheitswesen erfasst:

  • Krankenhäuser/Einrichtungen für ambulantes Operieren/Tageskliniken
  • Vorsorge- oder Rehabilitations­einrichtungen
  • Dialyseeinrichtungen
  • Entbindungszentren
  • Arztpraxen/Zahnarztpraxen
  • Praxen sonstiger human­medizinischer Berufe
  • Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, wenn dort Diagnostik und Therapie durch­geführt werden
  • Rettungsdienste
  • Sozialpädagogische Zentren
  • Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung/schweren Mehrfachbehinderungen
  • Berufliche Rehabilitations­einrichtungen
  • Begutachtungs- und Prüfdienste
  • Pflegeheime (Tagespflege bzw. Vollpflege, Kurzzeitpflege)
  • Ambulante Pflegedienste/ambulante Pflegeeinrichtungen
  • Krankenfahrdienst
  • Assistenzdienste des täglichen Lebens nach SGB IX

2. Wer wird geschützt und wer muss einen Impf- oder Genesenennachweis erbringen? 

Personen, die in den im Infokasten rechts aufgelisteten Gesundheitseinrichtungen tätig sind, müssen bis spätestens zum 15.03.2022 geimpft oder genesen sein. Zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und sogenannter vulnerabler Personengruppen (z. B. Person mit relevanten Vorerkrankungen, Prädispositionen, Immunsuppression, Organ-Transplantierte etc.) vor einer COVID-19-Erkrankung erfasst das Gesetz von dieser Nachweispflicht alle Personen, die in den genannten Einrichtungen bzw. Unternehmen tätig sind. In erster Linie erfasst wird das gesamte medizinische Personal (sowohl ärztlich als auch nichtärztlich). Aber auch andere in diesen Einrichtungen bzw. Unternehmen tätige Personen werden von der Neuregelung erfasst. Dazu zählen insbesondere auch Personen wie z. B. Hausmeister, Transport-, Küchen- oder Reinigungspersonal. Erfasst sind auch Auszubildende sowie Personen, die ihren Freiwilligendienst ableisten, ehrenamtlich Tätige, Praktikanten und Zeitarbeitskräfte. 

Auf die Art der Beschäftigung kommt es für die Nachweispflicht nicht an. Um einen möglichst weitgehenden Gesundheitsschutz zu erreichen, werden nicht nur die klassischen am Patienten tätigen Mitarbeitenden (ärztliches Personal, Pflege­dienst, Auszubildende, Ableistende des Freiwilligendienstes, Praktikanten, ehrenamtlich Tätige, Zeitarbeitskräfte etc.) erfasst. Auch alle weiteren – ohne Patientenbezug tätigen – Mitarbeitenden eines externen Dienstleisters (z. B. eines Reinigungsdienstes, Catering etc.) sind von der Nachweispflicht umfasst. 

Eine Ausnahme gilt nach dem Gesetz lediglich für solche Personen, die zeitlich nur vorübergehend (wenige Minuten) in der jeweiligen Gesundheitseinrichtung tätig werden. Das Gesetz selbst nennt für diese Personengruppen keine Beispiele. Zu denken ist hier etwa an Paketbotinnen und -boten, Briefträgerinnen und -träger, Kurierfahrerinnen und -fahrer für Labore (sofern sie nur kurzzeitig Schnellschnitte oder Proben abholen). 
 

3. Welche Nachweispflichten bestehen für Arbeitnehmer und welche Pflichten haben Arbeitgeber? 

Was die Pflichten der Arbeitgeberinnen und -geber anbelangt, so ist zwischen „Alt“-­Arbeitnehmern und „Neu“-Arbeitnehmern zu unterscheiden. Zu unterscheiden ist also nach solchen Arbeitnehmern, die bereits vor dem 16.03.2022 in einer der genannten Einrichtungen bzw. Unternehmen tätig waren und weiterhin tätig sind und solchen, die erstmals ab dem 16.03.2022 in einer solchen Einrichtung bzw. einem Unternehmen tätig werden. Für beide Personengruppen gilt zunächst die obige Nachweispflicht. Legen „Alt“-Arbeitnehmer diesen Nachweis nicht fristgerecht vor oder bestehen Zweifel an der Echtheit des Nachweises, so ist die leitende Person der jeweiligen Einrichtung (in der Regel die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber) dazu verpflichtet, dieses unmittelbar dem örtlich zuständigen Gesundheitsamt zu melden. Läuft ein Nachweis zeitlich ab dem 16.03.2022 ab und verliert dadurch seine Gültigkeit, so müssen Arbeitnehmer der Arbeitgeberin bzw. dem Arbeitgeber innerhalb eines Monats nach Ablauf der Gültigkeit einen neuen Nachweis vorlegen. Geschieht dies nicht, so gilt das Vorstehende. 
 

4. Welche Handlungsmöglichkeiten des Gesundheitsamts gibt es? 

Das Gesundheitsamt kann die betroffene Person bei fehlendem Nachweis selbst dazu auffordern, einen entsprechenden Nachweis vorzulegen. Es kann auch eine ärztliche Untersuchung dazu anordnen, ob eine medizinische Kontraindikation für eine Impfung besteht. Wird trotz einer Aufforderung des Gesundheitsamts kein Nachweis vorgelegt, so kann das Gesundheitsamt ein sogenanntes Betretungsverbot oder ein Tätigkeitsverbot aussprechen. Das Gesundheitsamt kann also den Arbeitnehmern gegenüber bestimmen, dass sie in der jeweiligen Einrichtung bzw. dem Unternehmen nicht mehr tätig werden dürfen und diese auch nicht mehr betreten dürfen. Etwas anderes gilt für die „neuen“ Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Für diese besteht ein originäres Beschäftigungs­verbot. Spätestens ab dem 16.03.2022 dürfen neue Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne Nachweis nicht mehr in einer vom Gesetz genannten Gesundheitseinrichtung beschäftigt werden. 

5. Besteht Anspruch auf Lohnfortzahlung bei verspätetem Betretungs-/Beschäftigungsverbot?

Arbeitsrechtlich durch den neu geschaffenen § 20a IfSG bisher nicht geklärt ist die Frage, was gilt, wenn ein Betretungsverbot durch das Gesundheitsamt erst verspätet, das heißt nach dem 16.03.2022, ausgesprochen wird. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 20a IfSG dürfen diese Personen jedenfalls ab dem 16.03.2022 – ohne Vorlage der Nachweise – nicht weiter tätig sein. Der Vergütungsanspruch besteht aber vermutlich nach aktuellem Sachstand zunächst bis zum Ausspruch eines Betretungsverbots bzw. eines Tätigkeitsverbots fort. Aufgrund dieser Unklarheiten in Bezug auf § 20a IfSG tendieren viele Krankenhäuser und Arztpraxen dazu, die jeweilige Arbeitnehmerin bzw. den Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Vergütung freizustellen bis tatsächlich ein solches Betretungsverbot vorliegt. 

Für die „Neu“-Arbeitnehmer gilt, dass ohne die Vorlage der Nachweise kein Anspruch auf Vergütung besteht. Hier bedarf es keiner weiteren Maßnahmen des Gesundheitsamts.


Praxistipp: Es ist daher ratsam, im Rahmen von Neueinstellungen ab dem 16.03.2022 eine arbeitsvertragliche Verpflichtung zur Vorlage der Nachweise im Sinne des § 20a IfSG zu regeln. Dies kann etwa in Form eines Vorbehalts (sog. „aufschiebende Bedingung“) oder durch Aufnahme eines „Vorlage-Verpflichtungstatbestandes“ in den Arbeitsvertrag erfolgen. Arbeitgeberinnen und -geber sind insoweit gut beraten, sich bei Gestaltung in beratende Hände zu begeben, zumal Unklarheiten bei der Arbeitsvertragsgestaltung zu Lasten der Arbeitgeberin bzw. des Arbeitgebers gehen, vgl. § 305c Abs. 2 BGB. 


6. Was passiert bei Verstößen gegen die Nachweispflicht?

Bei Verstößen gegen diese Verpflichtungen sieht das Gesetz in § 73 IfSG Bußgeldvorschriften vor. Als Sanktion für Verstöße gegen die Nachweispflicht (§ 73 Abs. 1 Nr. 7 lit. h IfSG) ist beispielsweise eine Geldbuße von bis zu 2.500 € vorgesehen. In anderen Fällen sind Geldbußen von bis zu 25.000 € vorgesehen. 
 

Benedikt Büchling
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Kanzlei am Ärztehaus, Feithstraße 137a
58097 Hagen
b.buechling@kanzlei-am-aerztehaus.de
www.kanzlei-am-aerztehaus.de

Frank Sarangi
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht, LLM, Köln
Kanzlei am Ärztehaus
Oberländer Ufer 174, 50968 Köln
f.sarangi@kanzlei-am-aerztehaus.de
www.kanzlei-am-aerztehaus.de

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