Fallstricke bei der Veräußerung einer Arztpraxis vermeiden

Das Alter des Praxisinhabers, ein Umzug aus privaten oder beruflichen Gründen, eine Ehescheidung: Es gibt mannigfaltige Gründe, warum ein Arzt seine Praxis aufgibt oder veräußert. Da ärztliches Berufs- beziehungsweise Vertragsarzt- und Steuerrecht an vielen Stellen nicht aufeinander abgestimmt sind, ist es wichtig, potenziellen rechtlichen Risiken durch eine vorausschauende Nachfolgeplanung rechtzeitig vorzubeugen.

Bewertung von Arztpraxen

Im Rahmen der Nachfolgeplanung und Sicherstellung der finanziellen Existenz des Praxisveräußerers spielt der Verkauf der Arztpraxis oftmals eine bedeutende Rolle zur Sicherstellung der finanziellen Mittel (neben dem Versorgungswerk), sodass sich regelmäßig die Frage nach dem Kaufpreis stellt. Dies setzt eine betriebswirtschaftliche Bewertung der Arztpraxis sowohl für den Veräußerer als auch den Erwerber voraus.

Der Veräußerer möchte im Vorfeld einer Verhandlung erfahren, welche Konzessionsgrenze er beachten muss, welchen Mindestpreis er folglich aus ökonomischer Sichtweise heraus fordern könnte bzw. müsste. Der potenzielle Praxiserwerber möchte demgegenüber Gewissheit darüber erfahren, welchen Preis er maximal für die Eigentumsübertragung der Praxis zahlen darf, ohne sich ökonomisch zu verschlechtern. Im Fokus der anstehenden Bewertung einer Arztpraxis steht somit die Ermittlung von verschiedenen Entscheidungswerten, die den Parteien in einer vertraglichen Verhandlung bezüglich der Übereignung der Praxis als betriebswirtschaftliche Eingrenzungen dienen.

Da der Ansatz des Discounted Cash Flow (DCF)-Verfahrens zur Ermittlung des Wertes von Arztpraxen noch nicht möglich ist, erscheint die modifizierte Ertragswertmethode als geeignete Methode für die Bewertung von Arztpraxen. Sie ist unseres Erachtens deutlich der Ärztekammer-Methode vorzuziehen. Die mit der Ertragswertmethode erzielbaren Ergebnisse sind stärker als die Ergebnisse der Ärztekammer-Methode auf die individuelle Rendite der einzelnen Arztpraxis abgestellt. Die Ertragswertmethode ist im Gegensatz zur DCF-Methode außerdem ohne Weiteres in die tägliche Beratungspraxis umsetzbar.

Umsatzsteuerliche Fallstricke bei der Veräußerung- und dem Erwerb von Arztpraxen

Nach § 1 Abs. 1a UStG unterliegen die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen (GiG) nicht der Umsatzsteuer. Diese liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb1 (Teilbetrieb) im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird.2 Danach ist es für die Annahme einer GiG grundsätzlich erforderlich, dass der Veräußerer dem Erwerber alle wesentlichen Grundlagen seines Unternehmens oder seines gesondert geführten Betriebs übereignet. Ob eine GiG vorliegt, ist durch das Finanzamt des Veräußerers zu beurteilen. Das Zurückbehalten einzelner wesentlicher Grundlagen ist unschädlich, wenn diese an den Erwerber vermietet oder verpachtet werden3, sodass der Erwerber das Unternehmen oder den gesondert geführten Betrieb ohne großen finanziellen Aufwand fortsetzen kann.

Fallstrick Mietvertrag:

Ist für eine wirtschaftliche Tätigkeit kein besonderes Geschäftslokal oder kein Lokal mit einer für die Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit notwendigen festen Ladeneinrichtung erforderlich (hier ist dies die Arztpraxis), bzw. verfügt der Erwerber selbst über eine geeignete Immobilie, in die er sämtliche übertragenen Sachen verbringen und in der er die betreffende wirtschaftliche Tätigkeit weiterhin ausüben kann, kann eine GiG auch ohne Übereignung des Grundstücks vorliegen.

Muss der Erwerber zur Fortführung der betreffenden wirtschaftlichen Tätigkeit über dasselbe Geschäftslokal verfügen, das dem Veräußerer zur Verfügung stand, muss dieses zu den übertragenen Bestandteilen gehören. Es reicht aber auch aus, wenn das Geschäftslokal dem Erwerber mittels eines Mietvertrags zur Verfügung gestellt wird. Da der Arzt bzw. durch die Zulassung die Arztpraxis für den Versorgungsbereich bestimmt ist, stellt diese unseres Erachtens immer eine wesentliche Betriebsgrundlage dar.

Allein aus dem Umstand, dass der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wurde und jederzeit kurzfristig gekündigt werden kann, kann nicht geschlossen werden, dass der Erwerber den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil nicht fortführen, sondern sofort abwickeln will.

In der Praxis ist häufig zu beobachten, dass sich die Praxisinhaber – aus verschiedenen persönlichen Gründen - zunächst nicht von der Praxis als Gesamtheit trennen, sondern nur von einem Teil, zum Beispiel der hälftigen Kassenarztzulassung. Dies geschieht in der Regel gegen ein Veräußerungsentgelt. In der Beratungspraxis werden in Umsatzsteuersonderprüfungen diese Fälle immer häufiger aufgegriffen und zu steuerlichen Fallstricken für die betroffenen Ärzte.

Aus des Sicht des Umsatzsteuergesetzes war die Veräußerung der Kassenarztzulassung bis zum Jahre 2009 auch für den veräußernden- bzw. erwerbenden Arzt kein problematischer Sachverhalt, da die Überlassung eines sogenannten Praxiswerts eine nach § 4 Nr. 28 Buchst. a UStG steuerfreie Lieferung eines Gegenstandes sein konnte.4 Eine EuGH-Rechtsprechung aus dem Jahre 2009 änderte diese Grundlage zum § 4 Nr. 28 UStG in Bezug auf die Kassenarztzulassung jedoch erheblich. Denn in seinem Urteil C-242/08 (Swiss Re Germany Holding) vom 22.10.2009 hatte der EuGH ausgeführt, dass die Übertragung von (in diesem Fall) Lebensrückversicherungsverträgen eine sonstige Leistung und keine Lieferung darstellt, was den Ausschluss des § 4 Nr. 28 Buchst. A UStG zur Folge hat.

Problem:

Da in aller Regel der Erwerber der Kassenarztzulassung ein Unternehmer im Sinne des UStG ist, der in seiner Person selbst umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen durchführt, dürfte dieser nicht vorsteuerabzugsberechtigt sein. Dies hat zur Folge, dass eine echte finanzielle Mehrbelastung von 19% USt eintritt.

Gewerbesteuerlicher Fallstrick im Rahmen der Nachbesetzung

Jobsharing kann Ärzten einige Vorteile ermöglichen, gerade in Bezug auf die Überleitung der Kassenarztzulassung. Grundsätzlich bietet es Ärzten die Möglichkeit in Teilzeit zu arbeiten, die Praxisöffnungszeiten zu erweitern sowie umfassendere Leistungen anzubieten.

Allerdings kann es sein, dass der Arzt Gewerbesteuer auf sämtliche Einnahmen zahlen muss. Ärzte erzielen in der Regel freiberufliche Einkünfte nach § 18 EStG. Da insbesondere bei Freiberuflern die persönliche Arbeitsleistung unverzichtbares (steuerrechtliches) Tatbestandsmerkmal ist, vertritt der BFH die sogenannte Vervielfältigungstheorie. Nach dieser Theorie ist ein Gewerbebetrieb anzunehmen, wenn die berufstypische Tätigkeit durch eine Beschäftigung fachlich vorgebildeter Hilfskräfte ersetzt und / oder vervielfältigt wird. Allerdings steht die Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte der Annahme einer selbstständigen Tätigkeit nur dann nicht entgegen, wenn der Tätige weiterhin leitend und eigenverantwortlich handelt.

Hauptabgrenzung zwischen gewerblichen und freiberuflichen Einkünften ist nach der Auffassung des BFH die persönliche, eigenverantwortliche und weisungsfreie Behandlung von Patienten. Letztendlich bedeutet dies die persönliche Leistungserbringung des Praxisinhabers gegenüber den Patienten mit Einschränkung der erlaubten Delegation der Leistungserbringung auf (andere) Mitarbeiter.

Dem selbstständig tätigen Arzt ist es damit möglich, Mitarbeiter einzusetzen, die zwar nicht dieselbe fachliche Vorbildung vorweisen müssen, jedoch seine Arbeit in Teilbereichen ersetzen. In der Regel kommt es auf die Anzahl der qualifiziert beschäftigten Arbeitskräfte nicht an. Diese kann aber indizierend für die Abgrenzung zwischen freiberuflichen gegenüber gewerblichen Einnahmen wirken. Von einer leitenden Tätigkeit bei der Beschäftigung von Angestellten kann nur dann ausgegangen werden, wenn der selbstständig Tätige, also der Arzt, die Grundsätze für die Organisation des Tätigkeitsbereichs und für die Durchführung der Tätigkeiten festlegt, die Durchführung der Tätigkeiten unter Beachtung der aufgestellten Grundsätze überwacht und grundsätzlich selbst entscheidet.

 


1 Das FG München hat sich in einem äußerst interessanten Fall mit der Tarifermäßigung für den Verkauf eines Praxisteils einer Ärztin befasst (Urteil vom 29.11.2017 - 1 K 311/16, Rev. BFH VIII R 36/18).

2 Näheres regelt Abschn. 1.5 UStAE.

3 Vgl. Abschn. 1.5 Abs. 3 S. 2 und 3 und 24.1 Abs. 5 UStAE.

4 Vgl. BFH, Urteil vom 21.12.1988 - V R 24/87.

Steuerberater Dennis Janz, LL.M.,

zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht (FernUniversität Hagen) und Fachberater im ambulanten Gesundheitswesen (IHK) ist Partner der Radloff | Ploch & Partner mbB, Dortmund.

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Steuerberater Dr. Thilo Schnelle LL.M.,

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Die Autoren veröffentlichen über den Erich-Schmidt Verlag ein Buch zu diesem Themenkomplex: "Gründung, Veräußerung und Erwerb von Arzt- und Zahnarztpraxen – Steuerrechtliche Grundlagen und Fallstricke"

ISBN: 978-3-503-18804-8. Erscheinungstermin: Voraussichtlich August 2019.

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