KV oder HzV? Steuerung der Abrechnung von Leistungen in beiden Systemen

Verträge zur Hausarztzentrierten Versorgung (HzV) haben in einigen Regionen für die Arztpraxen eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. So versorgten 2019 im „Mutterland der HzV“ Baden-Württemberg 5.150 Hausärzte insgesamt 1.653.000 AOK-Patienten im Rahmen des Hausarztvertrages. Mit einer Honorarsumme von 419 Millionen Euro bilden die Einkünfte aus der HzV einen signifikanten Anteil des Gesamtumsatzes der Praxen. Die Frage, wie die Abrechnung von Leistungen im KV- und HzV-System strategisch gesteuert werden kann, treibt viele Kolleginnen und Kollegen um.

Der Abschluss von Selektivverträgen wie der HzV führt zu einer Bereinigung der Honorarumsatzanteile aus dem Kollektivvertrag und damit zu einem Absinken des Honorarumsatzes in der KV. Die Morbiditätsbedingte Gesamtvergütung (MGV) wurde im vierten Quartal 2019 aufgrund von Selektivverträgen insgesamt um 278,6 Millionen Euro bereinigt, dies entspricht einem Anstieg der Bereinigungssumme um 10,1 % (+25,6 Millionen Euro) gegenüber dem Vorjahresquartal. Die in der HzV erzielten Umsätze der Hausärzte dürften dabei den Löwenanteil ausmachen.

Dabei spielt die HzV längst nicht in allen Regionen eine versorgungsrelevante Rolle. Das Bereinigungsvolumen kann hier als ein indirekter Indikator für die Versorgungsrelevanz angesehen werden. So entfallen auf insgesamt sechs KV-Regionen 95,3 % der Bereinigungssumme (s. Tab. 1). In diesen Regionen ist die HzV fest etabliert – und hier resultiert auch der meiste Beratungsbedarf. Unsere praktischen Erfahrungen im Bereich HzV-Beratung stellen wir nachfolgend vor.

Tab. 1: Bereinigungsvolumen in Q4 2019 laut KBV-Honorarbericht Q4 2019

KV-Region

Bereinigungsvolumen in Q4 2019 (Mill. EUR)

Anteil an Bereinigungssumme (%), kumuliert

Baden-
Württemberg

123,8

44,4

Bayern

64,1

67,4

Westfalen-
Lippe

27,5

77,3

Nordrhein

21,6

85,1

Hessen

18,2

91,6

Sachsen

10,3

95,3

Gesamt

(alle KV-Regionen)

278,6

100

 

Praxen suchen Orientierung

Wir beobachten seit Jahren, dass viele Praxen mit der Komplexität der Steuerung der beiden Systeme schlicht überfordert sind. Das KV-System ist mit seinen ausgefeilten und sich häufig ändernden Honorarverteilungsmaßstäben (HVM) für die meisten schon ein juristisch-mathematisches „Buch mit sieben Siegeln“ – wie die Berechnung des Regelleistungsvolumens (RLV) aus dem HVM Berlin zeigt (s. Abb. 1).

Ein System von bis zu sieben unterschiedlichen Hausarztverträgen mit unterschiedlichen Abrechnungsregeln zu steuern – alternativ bzw. in den meisten Fällen zusätzlich zur KV-Abrechnung – ist jedoch auch alles andere als trivial. Die Verträge weisen heute gleichermaßen eine erhebliche Komplexität auf. Die Zeiten einer Abrechnung „auf einem Bierdeckel“ sind lange vorbei. Deshalb ist es mehr als nachvollziehbar, dass wir in der Beratung immer wieder Fragen hören wie:

  • „Ich habe einige Patienten in HzV-Verträgen. Soll ich mehr oder weniger machen?“
  • „Ich brauche Transparenz für meine HzV-Abrechnung: Ist meine Abrechnung vollständig und werden alle Leistungen von den Kassen auch korrekt honoriert?"
  • „Meine Kollegen nehmen an der HzV teil. Ich bin immer noch unschlüssig. Lohnt sich der zusätzliche Aufwand wirklich?“
  • „Welche Patienten sollten sinnvollerweise im HzV-, welche im KV-System versorgt werden? Eigentlich agiere ich hier ohne echten Plan.“

Gerade die letzte Frage treibt viele Kolleginnen und Kollegen um. 

 

KV oder HzV?

Die HzV polarisiert seit eh und je. Es gibt leidenschaftliche, zum Teil dogmatische Befürworter, natürlich gerade auf Seiten der Hausarztverbände, und genauso die Front der Antagonisten. Wir vertreten keine berufspolitischen Standpunkte, sondern versuchen die Frage aus der Sicht einer medizinisch-betriebswirtschaftlichen Perspektive zu beantworten. Die Antwort lautet in vielen Fällen nicht „entweder oder“, sondern „sowohl als auch“. 

Entscheidend – die Praxiskonstellation

Es gibt Konstellationen, die unabhängig von der aktuellen Honorarsituation die strategische Karte „HzV“ ins Spiel bringen.
Zum einen geht es um große Versorgerpraxen bzw. Praxen mit einem besonderen Schwerpunkt durch Leistungen mit einer hohen Prüfzeit wie z.B. der Akupunktur. Diese Praxen laufen Gefahr, in eine Plausibilitätsprüfung zu kommen. Hier empfiehlt es sich, einen Teil der Patienten, gezielt in die HzV einzuschreiben. Dies entschärft eine mögliche Prüfungssituation. Gleichzeitig sind bei reduzierten Fallzahlen im KV-System dann auch wieder Leistungssteigerungen und damit Mehrumsätze überhaupt möglich.

Ebenso sollten Praxen mit geplanter Anstellung eines Arztes im Jobsharing über einen HzV-Anteil in der Patientenversorgung nachdenken. Denn ein Jobsharing begrenzt nach der laufenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Abrechnung der gesamten Praxis mit einem „Deckel“.

Transparenz, Zeitersparnis und Steuerung

Für viele Praxen ist es relevant zu wissen, wo sie stehen. Eine Standortbestimmung durch den Vergleich von Umsätzen und Fallwerten für das aktuelle Quartal und der im Verlauf erwirtschafteten Honorare im HzV-System versus KV-System sind der erste Schritt, der wichtige Schlussfolgerungen ermöglicht (s. Abb. 2).

 

Übersichten zu Fallzahlen, Leistungen, Potenzial- und Hinweislisten für Schwerpunkte wie Chroniker, Geriatrie oder Psychosomatik geben einen Überblick über die abrechnungsfähigen Leistungen. Dazu arbeiten wir beispielsweise mit einer Patientenliste für alle HzV-Verträge und alle Patienten zur Leistungskontrolle am Quartalsende (s. Abb. 3). Die Listen können durch das Praxispersonal vor Abgabe der Abrechnung kontrolliert und ggf. korrigiert werden. So kann sichergestellt werden, dass eine vollständige Abrechnung abgegeben wird.

Zur Steuerung gehört auch, dass Sie Transparenz bekommen, welche Patienten mit welchen Leistungsprofilen betriebswirtschaftlich besser im HzV- bzw. KV-System versorgt werden können. Das hängt zum einen von Ihren Qualifikationen und Praxisschwerpunkten, zum anderen von den Abrechnungsbedingungen in den einzelnen HzV-Verträgen ab. 

Erfahrungen aus der Arztpraxis auf den Punkt gebracht

 
  • HzV lohnt sich – aber nicht für alle Patienten und für jede Praxis.
  • Umgekehrt: HzV per se auszuschließen ist selten klug.
  • Wenn HzV, dann richtig. 5 von 120 möglichen Patienten einzuschreiben, macht betriebswirtschaftlich wenig Sinn. Konzentration und Fokus sind wichtig.
    Heißt also – lieber wenige Verträge bedienen, die aber mit „Power“.
  • Bitte aber auch nicht „blind“ einschreiben. Patienten mit einem Honorarumsatz von 90 €/Quartal im KV-System in die HzV einzuschreiben, ist in der Regel nicht sinnvoll.
  • Wenn Sie aber im KV-System Patienten in der Dauerbetreuung haben, die
    einen Quartalsumsatz von 40 € oder weniger aufweisen (hat jede Praxis, und zwar nicht zu knapp), dann sind das genau die richtigen Kandidaten für die HzV.
    Hier fahren Sie in der Regel betriebswirtschaftlich deutlich besser.
  • Achten Sie auf Ihre Praxisschwerpunkte und Qualifikationen. Wenn Sie z. B. intensiv in der Heimbetreuung engagiert sind, sollte man schauen, ob im
    jeweiligen HzV-Vertrag diese Leistung in einer Pauschale versenkt wird.
    Hier kann die Abrechnung der Einzelleistung im KV-System interessanter sein.
  • Umgekehrt kann es sich lohnen, wenn Sie bestimmte Leistungen mit einer relevanten Vergütung nur selten erbringen, in der HzV aber einfach eine Pauschale unabhängig von der tatsächlichen Leistungserbringung pro Patient erhalten.
  • Auch in der HzV gelten Wirtschaftlichkeitsgebot und die Prinzipien der korrekten Abrechnung. Die Leistung muss immer korrekt und vollständig erbracht werden. Wenn nötig, müssen qualifizierende Diagnosen zur Absicherung der medizinischen Behandlungsnotwendigkeit dokumentiert werden. Deshalb sollte man
    vorsichtig sein, wenn Berater pauschal Honorarumsätze in der HzV von 180 €/Fall in Aussicht stellen. Das ist auf seriösem Weg nur im Einzelfall realistisch.
 

 

Fazit für die Praxis

Die HzV bietet Ihnen eine Alternative zur Versorgung der Patienten im KV-System. Die Verträge der einzelnen Kassen differieren dabei jedoch erheblich. Um die Komplexität der Abrechnungssysteme zu beherrschen und steuern zu können, sind Transparenz und zusätzliche Analysetools hilfreich, um zeitsparend ein optimales betriebswirtschaftliches Ergebnis zu erzielen. Wir unterstützen Sie dabei.

Dr. med. Georg Lübben

Vorstand AAC Praxisberatung AG

Am Treptower Park 75

12435 Berlin

030/22 44 523-0

www.aac-ag.de

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