Fragen und Antworten in Rechtsbelangen

Mit Privatpatienten vereinbare ich im Behandlungsvertrag, dass sie Forderungen aus meinen Rechnungen nicht an ihre Versicherung abtreten dürfen. Nun habe ich gehört, dass das unwirksam sein soll. Kann ich verhindern, dass ein Patient Rückforderungsansprüche an seine Versicherung abtritt, wenn diese meine Rechnung moniert? Diese und weitere Fragen aus der täglichen Praxis beantwortet Rechtsanwalt Sven Rothfuß.

Abtretungsverbot

Herr Dr. L. aus Göttingen

Mit Privatpatienten vereinbare ich im Behandlungsvertrag, dass sie Forderungen aus meinen Rechnungen nicht an ihre Versicherung abtreten dürfen. Nun habe ich gehört, dass das unwirksam sein soll. Kann ich verhindern, dass ein Patient Rückforderungsansprüche an seine Versicherung abtritt, wenn diese meine Rechnung moniert?

Herr Rothfuß:

„Gemäß den §§ 194 Abs. 2, 86 Abs. 1 VVG geht der Anspruch eines Patienten gegen seinen Arzt auf Rückzahlung von ohne rechtlichen Grund gezahlten Entgelten auf den Versicherer über, wenn dieser dem Versicherten den Betrag erstattet. Das OLG Karlsruhe hat mit Urteil vom 17.08.2022, Az. 7 U 143/21, entschieden, dass ein derart umfassendes Abtretungsverbot, wie Sie es wohl vereinbaren, dem gesetzlichen Forderungsübergang nicht entgegensteht. In diesem Fall hatte ein Arzt GOÄ-Ziffern falsch abgerechnet. Die Patientin hatte die Rechnung beglichen; ihre Versicherung erstattete ihr den Betrag und forderte den aus ihrer Sicht zu Unrecht berechneten Betrag direkt vom Arzt zurück. Der Arzt verwies auf das vereinbarte Abtretungsverbot. Aus Sicht des OLG war das Abtretungsverbot unwirksam, sodass der Rückforderungsanspruch auf die Versicherung übergegangen sei. Das Abtretungsverbot sei eine Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB); das Verbot einer Abtretung aller Forderungen aus der Behandlungsrechnung sei eine überraschende Klausel sowie eine unangemessene Benachteiligung. Durch ein solches Abtretungsverbot im Behandlungsvertrag kann ein Arzt damit wohl nicht verhindern, dass Rückforderungsansprüche des Patienten auf dessen Versicherer übergehen.“

Verordnung für zuvor Verstorbene

Frau Dr. A. aus Ludwigshafen

Ich bin als Fachärztin für Onkologie vertragsärztlich zugelassen. In meiner Praxis erhalten Patienten Chemotherapien, die ich jeweils am Vortag verordne, damit diese in der Apotheke individuell zubereitet werden können. Nun erreichte mich ein Regress über ca. 3000 € für eine solche Verordnung für einen Patienten, der fünf Tage vor der Verordnung verstorben war. Allerdings wurde ich über den Tod meines Patienten nicht informiert, obwohl ich meine Patienten bzw. die Angehörigen darauf hinweise, dass sie mich in diesem Fall kontaktieren sollen. Kann es sein, dass ich das Risiko, dass ein Patient verstirbt, tragen muss? Muss ich meine Patienten nun vor jeder Verordnung kontaktieren, um sicherzugehen, dass sie nicht bereits verstorben sind?

Herr Rothfuß:

„Grundsätzlich endet die Mitgliedschaft eines Versicherten in der gesetzlichen Krankenkasse mit dessen Tod, sodass danach kein Anspruch des Versicherten mehr gegen seine Versicherung besteht. Nach einem Urteil des Sozialgerichts (SG) Hannover vom 14.09.2022, Az. S 20 KA 85/20, kommt es nicht darauf an, ob der Arzt Kenntnis vom Tod des Patienten hat oder seine Unkenntnis zu verschulden hat. ,Die Verwurfsgefahr gehör[e] damit grundsätzlich zum unternehmerischen Risiko des Vertragsarztes.‘ Dieses Risiko könne durch entsprechende Planung der Abläufe in der Praxis verringert werden.“ 

Betrieb einer Zweigpraxis 

Herr Dr. L. aus Osnabrück

Wir sind ein MVZ aus Psychiatern und Psychotherapeuten. Wir möchten in einer Nachbarstadt, die einer anderen KV zugehörig ist, eine Zweigpraxis eröffnen, in der drei Kollegen je vier Sprechstunden abends oder samstags anbieten wollen. Der dort zuständige Zulassungsausschuss hat die Ermächtigung für die Zweigpraxis abgelehnt, weil diese zu keiner Verbesserung der Versorgung führe. Dabei sind die Wartezeiten für Therapieplätze doch lang und gerade abends und samstags schwer zu bekommen. Genügt dieses Angebot nicht für eine Versorgungsverbesserung und damit für die Ermächtigung?

Herr Rothfuß:

„Nach einem aktuellen Urteil des SG Hamburg vom 09.11.2022, Az. S 3 KA 166/20, tritt in wegen Überversorgung gesperrten Gebieten nicht automatisch eine Versorgungsverbesserung ein, wenn ein neuer Behandler hinzutritt. Das Versorgungsangebot müsse vielmehr in qualitativer, ggf. auch in quantitativer Hinsicht tatsächlich erweitert werden. Im hier dargestellten Fall komme bloß eine quantitative Verbesserung der Versorgung in Betracht, die allerdings ,von einigem Gewicht‘ sein müsse. Da auch andere Psychotherapeuten im Gebiet Abendsprechstunden anböten, stellten die ,hinzukommenden maximal 12 Abendsprechstunden (3 Behandler à 2 x 2 Sprechstunden) [...] vor diesem Hintergrund keine ins Gewicht fallende quantitative Ausweitung des Leistungsangebotes dar.‘ Der Umstand, dass durch eine Zweigpraxis mehr Sprechstunden angeboten werden könnten, rechtfertige damit keinen Anspruch auf eine Ermächtigung zum Betrieb einer Zweigpraxis.“

Sven Rothfuß
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht

Kanzlei am Ärztehaus
Oberländer Ufer 174, 50968 Köln

(0221) 34066960
www.kanzlei-am-aerztehaus.de

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