Keine Lohnfortzahlung bei Krankmeldung zusammen mit Kündigung

Wer krank ist, bekommt dennoch sein Gehalt gezahlt. Das regelt das Entgeltfortzahlungsgesetz. Den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit (AU) erbringt der Arbeitnehmer* in der Regel durch die Vorlage eines ärztlichen Attests. Dessen Beweiswert kann aber erschüttert sein.

Der Arbeitnehmer erhält seinen Lohn nur, wenn er arbeitet. „Hiervon gibt es aber zahlreiche Ausnahmen“, so Prof. Michael Fuhlrott, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Hamburg, der etwa auf den bezahlten Erholungsurlaub hinweist, der jedem Arbeitnehmer gesetzlich zusteht. Gleiches gelte auch für die Lohnzahlung an Arbeitstagen, die aufgrund von Feiertagen ausfallen.  Eine weitere wichtige Ausnahme ist zudem die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall: Nach § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) behält der Arbeitnehmer seinen Lohnanspruch für die Dauer von maximal sechs Wochen, wenn er aufgrund unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit infolge von Krankheit seiner Tätigkeit nicht nachgehen kann.

Nachweis der Arbeitsunfähigkeit

Den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit erbringt der Arbeitnehmer dabei regelmäßig durch Vorlage eines ärztlichen Attests. 
„Ein Arbeitgeber, der meint, die Erkrankung sei vorgetäuscht, muss sehr konkrete Anhaltspunkte vortragen, die den hohen Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern“, so der Arbeitsrechtler. Das könne etwa dann der Fall sein, wenn z. B. der Maurer bei der Renovierung des Hauses eines Freundes tatkräftig hilft.
Die Anforderungen der Rechtsprechung sind hier aber sehr hoch: Wie ist also auf eine Krankschreibung zu reagieren, die aufgrund der Gesamtumstände Zweifel an der Krankschreibung aufkommen lässt?

Gesamtumstände können Beweiswert erschüttern

Bereits 2021 hatte das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 08.09.2021, Az. 5 AZR 149/21) entschieden, dass sich „Zweifel am Vorliegen einer Erkrankung (…) daraus ergeben (…), dass eine am Tag der Eigenkündigung des Arbeitnehmers ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung passgenau die nach der Kündigung noch verbleibende Dauer des Arbeitsverhältnisses abdeckt“.

„Wer also zum Ende des Folgemonats kündigt und gleichzeitig ein Attest bis zu diesem Datum einreicht oder in der Folge verlängert, riskiert die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Er muss jedenfalls genau darlegen, dass er ,wirklich‘ krank war und hierzu ggf. den Arzt von der Schweigepflicht entbinden und zu den Ursachen der Krankheit vortragen,“ fasst Fuhlrott zusammen.

In diesem Sinne urteilte auch das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (Urteil vom 02.05.2023, Az. 2 Sa 203/22) und sprach einer Arbeitnehmerin nach deren Eigenkündigung mit gleichzeitiger Krankmeldung den Lohnanspruch ab. Ein solcher Zusammenhang erschüttere den Beweiswert des Attests. Ein Arbeitnehmer müsse dann zumindest laienhaft schildern, welche konkreten gesundheitlichen Beeinträchtigungen mit welchen Auswirkungen auf seine Arbeitsfähigkeit bestanden haben. Soweit er sich auf das Zeugnis der behandelnden Ärzte beruft, müsse dazu eine Schweigepflichtentbindung vorgelegt werden.
Erschütterung des Beweiswerts auch bei Krankmeldung nach Arbeitgeberkündigung

Noch strenger sah es das Landesarbeitsgericht Niedersachsen mit Urteil vom 08.03.2023 (Az. 8 Sa 859/22). Zwar gaben die Richter im konkreten Fall der Klage auf Lohnzahlung im Krankheitsfall statt. Gleichzeitig betonte die Kammer aber, dass der Beweiswert einer AU-Bescheinigung auch dann erschüttert sein kann, wenn der Arbeitnehmer sich nach Erhalt einer arbeitgeberseitigen Kündigung postwendend krankmeldet. Dies gelte insbesondere dann, wenn lückenlos der gesamte Zeitraum der Kündigungsfrist – auch durch mehrere Atteste – abgedeckt werde.

Lohnzahlung bei Krankmeldung nach Abmahnung

Diese Rechtsprechung könnte man nach Sichtweise von Prof. Fuhlrott auch auf andere Konstellationen übertragen: „Der Arbeitnehmer erhält eine Abmahnung und meldet sich direkt daraufhin krank. Dem Arbeitnehmer wird eine ihm unangenehme Arbeitsweisung erteilt, er meldet sich daraufhin krank. Auch hier sprechen gute Argumente dafür, dass der Arbeitgeber zunächst die Lohnzahlung einstellen kann.“

Der Arbeitnehmer sei dabei nicht schutzlos gestellt und könne auch seinen Lohnanspruch behalten: „Er muss aber darlegen, dass er ,wirklich‘ krank war. Dafür muss er vortragen, welche Krankheitssymptome er hatte; auch kann er seinen Arzt von der Schweigepflicht entbinden. Bei einem auffälligen Zusammenhang ist dies aber ein zumutbarer Aufwand.“


* Zur besseren Lesbarkeit kann in Texten das ­generische Maskulinum verwendet werden. ­Nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige aller Geschlechter.

Prof. Michael Fuhlrott, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

Quelle: Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V.

Interessiert an neuen Fortbildungen oder Abrechnungstipps?

Abonnieren Sie unseren Infoletter.
 

Zur Infoletter-Anmeldung

x
Newsletter-Anmeldung