Wer nicht paukt, muss zahlen – Warum die vertragsärztliche Fortbildungspflicht nicht vernachlässigt werden sollte

Das Gesundheitswesen unterliegt einem ständigen Wandel. Prägend hierfür sind vor allem medizinische Fortschritte, technologische Innovationen sowie sich stetig verändernde Patientenbedürfnisse. Gerade deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, dass Ärzte* ihr Wissen sowie ihre Fähigkeiten kontinuierlich auf dem neuesten Stand halten, um somit eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung sicherzustellen.

Die Verpflichtung zur Fortbildung findet ihren Niederschlag an verschiedenen Stellen im Gesetz (z. B. im § 4 Musterberufsordnung-Ärzte (MBO-Ä), den jeweiligen Heilberufekammergesetzen der Länder oder § 95d SGB V)). Im Folgenden soll jedoch ausschließlich auf die Regelung des § 95d SGB V, welche die vertragsärztliche Fortbildungspflicht umfasst, eingegangen werden.

Was sind die Vorgaben zur Fortbildungspflicht?

Für alle angestellten, ermächtigten sowie niedergelassenen Ärzte in der vertragsärztlichen Versorgung gilt die Vorgabe, dass sie innerhalb von fünf Jahren mindestens 250 Fortbildungspunkte gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) nachweisen müssen, vgl. § 95d Abs. 3 S. 1 SGB V. Für Weiterbildungs­assistenten, Vertreter oder Sicherstellungsassistenten gilt diese Fortbildungspflicht hingegen nicht. Als Beleg für die gesammelten Fortbildungspunkte wird ein Zertifikat der zuständigen Ärztekammer benötigt, welches bei dieser selbstständig beantragt werden muss und nicht automatisch erstellt wird. 

Es gibt keine Vorgabe hinsichtlich der gleichmäßigen Verteilung der Fortbildungspunkte auf jedes der einzelnen fünf Nachweisjahre. Ausgeschlossen ist jedoch das Sammeln von Fortbildungspunkten ,,auf Vorrat‘‘. Zu viel gesammelte Fortbildungspunkte aus einem vorherigen Nachweiszeitraum können somit nicht für einen neuen Nachweiszeitraum genutzt werden.


Praxistipp: Zwar sind insgesamt 250 Punkte vorzuweisen, jedoch werden bereits zehn Punkte pro Jahr (also 50 Punkte für den gesamten Fünf-Jahres-Zeitraum) für das Selbststudium von Fachliteratur anerkannt, sodass lediglich 200 weitere Fortbildungspunkte durch den Besuch von Fortbildungsveranstaltungen oder ähnliches nachzuweisen sind.


Wie berechnet sich der Fünf-Jahres-Zeitraum?

Mit dem Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit als niedergelassener, ermächtigter oder angestellter Arzt in der vertragsärztlichen Versorgung beginnt der erste Fünf-Jahres-Zeitraum. Hierbei handelt es sich um eine Art Stichtag-Regelung. Das bedeutet: Ist die Zulassung zum Beispiel mit Wirkung zum 01.04.2022 erfolgt, beginnt ab diesem Zeitpunkt auch der Nachweiszeitraum. Der sich anschließende Fünf-Jahres-­Zeitraum beginnt somit automatisch am 01.04.2027. 
 

Was passiert, wenn ich der Fortbildungspflicht nicht nachkomme?

Erbringt ein Vertragsarzt, ermächtigter oder in der vertragsärztlichen Versorgung angestellter Arzt den Nachweis nicht oder nicht rechtzeitig, so wird das KV-Honorar sofort nach Ablauf der Nachweisfrist gekürzt, vgl. § 95d Abs. 3 S. 3 SGB V. In den ersten vier Quartalen nach Ablauf des Nachweiszeitraums, wird das Honorar um 10 % gekürzt. In den darauffolgenden Quartalen findet eine Kürzung um 25 % statt. Auch wenn die Fortbildungen nachgeholt werden, gibt es keine Rückzahlung des zuvor gekürzten Honorars. Hier gilt: Was weg ist, ist weg! Es ist insoweit auch unerheblich, ob das Fristversäumnis selbst durch den Arzt verschuldet wurde oder nicht. 


Wichtig: Wird der Nachweis zur Fortbildung nicht spätestens zwei Jahre nach Ablauf des Fünf-Jahres-Zeitraums erbracht, soll die KV die Entziehung der Zulassung beantragen, vgl. § 95d Abs. 3 S. 6 SGB V.


CAVE: Es wird das Honorar des Praxis­inhabers gekürzt, wenn dessen angestellter Arzt der Fortbildungspflicht nicht nachkommt. Insoweit sollte aus Sicht des Arbeitgebers dringend darauf geachtet werden, dass der angestellte Arzt an Fortbildungen teilnimmt und den Nachweis rechtzeitig erbringt. Es empfiehlt sich auch, in Arbeitsverträgen eine Klausel aufzunehmen, dass der angestellte Arzt sich im Falle des Versäumnisses der Fortbildungspflicht dazu verpflichtet, das gekürzte Honorar im Innenverhältnis an den Arbeitgeber in Form eines Schadensersatzes zurückzuzahlen.

Können Fortbildungspunkte nachgeholt werden? 

Grundsätzlich müssen die fehlenden Fortbildungspunkte nachgeholt werden. Da jedoch der neue Fünf-Jahres-Zeitraum unabhängig von der Erbringung der Fortbildungspunkte zu laufen beginnt, entsteht eine erhebliche Mehrbelastung. Es müssen sodann zunächst die alten noch fehlenden Punkte nachgeholt werden und anschließend die neuen 250 Fortbildungspunkte gesammelt werden. Dadurch verkürzt sich der Zeitraum für das Sammeln der neuen Fortbildungspunkte faktisch. Es gibt auch keinen Anspruch auf Verlängerung des neuen Nachweiszeitraums aufgrund des Nachholens versäumter Fortbildungspunkte.


Wichtig: Fortbildungspunkte können insoweit nicht ,,doppelt‘‘ geltend gemacht werden. Es ist nicht möglich, dass die Punkte, die für den alten Zeitraum nachgeholt wurden auch direkt für den neuen Zeitraum angerechnet werden.


Für welche Fortbildungsmaßnahme erhält man Fortbildungspunkte?

In den jeweiligen Fortbildungsordnungen der Kammern ist geregelt, wie eine Fortbildungsmaßnahme zu bewerten ist. Die Ärztekammer Westfalen-Lippe beispielsweise unterteilt in ihrer Fortbildungsordnung (§ 6 Abs. 3) die einzelnen Maßnahmen beispielsweise in unterschiedliche Kategorien. So erhält der Arzt in der Kategorie F z. B. für Autorentätigkeiten fünf Punkte pro wissenschaftlicher Veröffentlichung. In der Kategorie G werden Hospitationen z. B. mit einem Punkt pro Stunde und maximal acht Punkten pro Tag bewertet. Es werden also nicht ausschließlich ,,klassische‘‘ Fortbildungen in Form von Vortragsveranstaltungen als Fortbildungsmaßnahme anerkannt. Insoweit lohnt sich ein Blick in die Fortbildungsordnung der jeweiligen zuständigen Ärztekammer.

Kann der Nachweiszeitraum verlängert werden?

Bei einem Ruhen der Zulassung ist der Nachweiszeitraum ohne Antrag automatisch für die Dauer des Ruhens unterbrochen, vgl. § 95d Abs. 3 S. 1 SGB V. Bei anderen Unterbrechungen wie Krankheit oder Elternzeit kann eine Verlängerung beantragt werden, sofern die Tätigkeit länger als drei Monate nicht ausgeübt wurde, vgl. § 95d Abs. 5 S. 3 SGB V.

Hierzu sollte im betreffenden Fall frühzeitig Kontakt mit der jeweiligen KV aufgenommen werden, um etwaige Missverständnisse und vor allem eine Kürzung des Honorars zu vermeiden.


Wichtig: Eine Befreiung von der Fortbildungspflicht, gleich aus welchem Grund, ist nicht möglich.


Fazit
Die Fortbildungspflicht gemäß § 95d SGB V ist ein wichtiges Instrument zur Sicherstellung der Qualität in der vertragsärzt­lichen Versorgung. Sie trägt dazu bei, dass Ärzte die bestmögliche Behandlung für ihre Patienten gewährleisten können. Trotz der Herausforderungen in der Umsetzung ist die Fortbildungspflicht unerlässlich für eine hochwertige Gesundheitsversorgung und sollte auch mit Blick auf die drohenden Konsequenzen bei einem Verstoß gegen die Fortbildungspflicht nicht vernachlässigt werden.

 


*Zur besseren Lesbarkeit kann in Texten das ­generische Maskulinum verwendet werden. ­Nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige aller Geschlechter.

Victoria Hahn
Rechtsanwältin
Lehrbeauftragte der Hochschule Osnabrück
Kanzlei am Ärztehaus
Dorpatweg 10
Germania Campus
48159 Münster
0251 270 76 88-0
v.hahn@kanzlei-am-aerztehaus.de
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