Basis-, Standard- und Notlagentarif in der Privaten Krankenversicherung

Immer wieder kommt es vor, dass ein Privatpatient in der Praxis erscheint, der über die gesetzlich verankerten Sozialtarife in der Privaten Krankenversicherung (PKV) versichert ist. Jede PKV muss solche Sozialtarife anbieten. Welche Sozialtarife gibt es? Was muss ich als Arzt beachten, wenn ich einen solchen Privatpatienten behandle? Und wie kann ich die erbrachten Leistungen abrechnen? Diese Fragen beantworten wir im Folgenden.

Die Besonderheiten des jeweiligen Versicherungstarifs liegen darin, dass der Versicherungsumfang begrenzt ist und der Arzt sich in der Abrechnung daran halten muss.

Basistarif

Beim Basistarif handelt es sich um einen brancheneinheitlichen Tarif, den alle privaten Krankenversicherungen per Gesetz seit dem 01.01.2009 anbieten müssen. Dieser Tarif wurde gleichzeitig mit der Einführung der Pflicht zur Versicherung geschaffen. Personen, die der PKV zuzuordnen sind, wie Selbstständige und Beamte, dürfen bis auf wenige Ausnahmen nicht abgelehnt werden. Es sind circa 31.400 Personen mit diesem Tarif versichert.

Leistungsumfang

Der Basistarif ist eng angelehnt an die GKV. Der Umfang der Leistungen entspricht in vielen Fällen dem GKV-Niveau, etwa beim Zahnersatz und beim Krankentagegeld. Zudem sind verschiedene Leistungen ausdrücklich an die Richtlinien und Empfehlungen des Gemeinsamen Bundesausschusses für die Versorgung in der GKV gebunden. Das SGB V stellt zwar keine Rechtsgrundlage für den Basistarif dar, in der Regel werden aber Veränderungen bei den GKV-Leistungen auch in den Basis­tarif übernommen. Die genaue Ausgestaltung des Versicherungsschutzes wird vom Verband der Privaten Krankenversicherung e. V. festgelegt. Anders als im Standardtarif und sonst in der PKV üblich, müssen die Leistungen des Basistarifs wie in der GKV ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Die Kostenerstattung kann also abgelehnt werden, wenn es günstigere Behandlungsmethoden als die gewählte gibt.

Honorierung

Ärztliche Leistungen im Basistarif werden nach festgelegten Faktoren vergütet:

  • 0,9-facher Faktor des Gebührensatzes GOÄ für Laborleistungen
  • 1,0-facher Faktor des Gebührensatzes GOÄ für medizinisch-technische Leistungen
  • 1,2-facher Faktor des Gebührensatzes GOÄ für die übrigen ärztlichen Leistungen

Standardtarif

Die Idee eines brancheneinheitlichen Tarifs wie des Basistarifs ist nicht neu. Ein solches Tarifmodell gibt es bereits seit 1994 als Standardtarif. Durch die Gesundheitsreform 2007 wurde dieses Angebot jedoch in den Basistarif für Versicherte, die ab 2009 in die PKV gewechselt sind, umgewandelt. Altmitglieder, die noch im Standardtarif versichert sind, dürfen weiterhin in diesem Tarif verbleiben. Auch ist ein Wechsel in den Standardtarifvertrag für PKV-Versicherte, die vor 2009 in die PKV gewechselt sind, zulässig. Neuabschlüsse im Standardtarif sind nicht mehr möglich. Es sind circa 50.200 Personen in diesem Tarif versichert.

Leistungsumfang

Der Leistungsumfang des Standardtarifs ist vergleichbar mit den Leistungen der GKV, aber nicht identisch. Welche Leistungen erstattungsfähig sind, werden für die gesamte Vertragsdauer im Tarif festgelegt. In einigen Bereichen bietet der Standardtarif geringere Leistungen als eine gesetzliche Krankenkasse beziehungsweise der Basis­tarif.

Honorierung

Ärztliche Leistungen im Standardtarif werden nach festgelegten Faktoren vergütet:

  • 1,16-facher Faktor des Gebührensatzes GOÄ für Laborleistungen
  • 1,38-facher Faktor des Gebührensatzes GOÄ für medizinisch-technische Leistungen
  • 1,8-facher Faktor des Gebührensatzes GOÄ für die übrigen ärztliche Leistungen

Notlagentarif

Seit dem 01.08.2013 existiert gemäß § 153 Versicherungsaufsichtsgesetz in der PKV der Notlagentarif für Versicherte, die ihre Beiträge nicht mehr zahlen können. Der Notlagentarif ist kein frei wählbarer Tarif in der PKV. Er ist streng reguliert und soll auf möglichst vorübergehende „Ausnahmesituationen“ beschränkt bleiben. Die Anwendung ist auf PKV-Versicherte begrenzt, die ihre Beitragsschulden nicht bezahlen können und aufgrund der bestehenden Versicherungspflicht weiter in der PKV versichert bleiben müssen. Es handelt sich de facto um einen „Nichtzahlertarif“.

Leistungsumfang

Der Leistungsumfang des Notlagentarifs ist deutlich reduziert. Erstattet werden nur folgende ambulante und stationäre Leistungen:
die Kosten der Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzen sowie Kosten der Behandlung im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft
bei Kindern: Kosten für Vorsorge­untersuchungen, Früherkennungsuntersuchungen und empfohlene Schutzimpfungen

Honorierung

Ärztliche Leistungen im Notlagentarif werden in der Regel wie folgt vergütet:

  • 1,16-facher Faktor des Gebührensatzes GOÄ für Laborleistungen
  • 1,38-facher Faktor des Gebührensatzes GOÄ für medizinisch-technische Leistungen
  • 1,8-facher Faktor des Gebührensatzes GOÄ für die übrigen ärztlichen Leistungen.

 

Arztwahl

Welchen Arzt der Versicherte in den Sozial­tarifen wählen kann, ist unterschiedlich:

Behandlungspflicht

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits am 05.05.2018 (Az.: 1 BvR 807/08) festgestellt, dass es ohne gesonderte zusätzliche Regelung keine Behandlungspflicht der Vertragsärzte für Standard-/Basistarif-­Versicherte gibt. Das SGB V sieht vor, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen im Rahmen ihres Sicherstellungsauftrages die Versorgung der in diesen Tarifen versicherten Personen sicherzustellen haben; dieser Sicherstellungsauftrag würde sich aber nicht direkt an die Vertragsärzte richten. In Notfällen ist aber ein Vertragsarzt und auch ein rein privatärztlich tätiger Arzt zur Behandlung verpflichtet.

serviceBei individuellen Fragen zu diesem, aber auch allen anderen beruflichen Themen, können sich Mitglieder des NAV-Virchow-Bundes an die
Justiziarin Frau Andrea Schannath wenden:
Chausseestraße 119 b, 10115 Berlin,
Fon: (030) 28 87 74-125,
Fax: (030) 28 87 74-115;
E-Mail: andrea.schannath@
nav-virchowbund.de

Bin ich als Arzt an die Sozialtarife gebunden?

Versicherte in Sozialtarifen sind verpflichtet, sich gegenüber dem Arzt mit einem von der Versicherung ausgehändigten Ausweis oder einer elektronischen Gesundheitskarte (eGK) auszuweisen. Hat der Patient sich so oder auch mündlich als Versicherter in einem Sozialtarif zu erkennen gegeben und Sie haben nicht ausdrücklich die Behandlung unter dem Sozialtarif abgelehnt, sind Sie zur Behandlung und Abrechnung nach dem Sozialtarif verpflichtet, also auch zur Abrechnung mit den oben genannten niedrigen Faktoren.
Hat der Patient sich vor der Behandlung nicht als Versicherter im Sozialtarif zu erkennen gegeben, sind Sie als Arzt berechtigt, eine Rechnung nach den normalen GOÄ-Kriterien zu erstellen. Sie sind auch nicht zur nachträglichen Rechnungskorrektur verpflichtet. Eine andere Frage ist natürlich, ob dies sinnvoll ist. Angesichts der in der Regel schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse des Patienten wird es nur selten gelingen, den geforderten Betrag auch wirklich einzuklagen.

Rechnungsstellung

Patienten der Sozialtarife sind Privatpatienten. Der Arzt stellt seine Rechnung nach der GOÄ in der Regel gegenüber dem Patienten und der Patient bekommt von der Versicherung die Rechnung erstattet. Auf der Rechnung sollten Sie als Vertragsarzt Ihre Vertragsarztnummer (LANR) angeben. Der Patient muss gemeinsam mit der Rechnung bei der Versicherung einen Nachweis einreichen, dass er die Rechnung bezahlt hat. Fehlt dieser, kann die Versicherung auch direkt an den Arzt erstatten, muss es aber nicht. Haben Sie es vorher mit dem Patienten vereinbart, kann die Rechnung auch direkt an die Versicherung geschickt werden.

Praxishinweis

Um möglichen Schwierigkeiten oder gar Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen, sollte Ihr Praxispersonal schon bei der Anmeldung aktiv nachfragen, ob der Patient „normal“ privatversichert ist oder einen eingeschränkten Versicherungsvertrag hat. Wünscht der Versicherte in einem Sozialtarif dann eine ärztliche Behandlung unabhängig von dessen Beschränkungen, müssen Sie mit ihm einen schriftlichen Behandlungsvertrag abschließen. Zuvor müssen Sie den Patienten über seine im Sozialtarif beschränkten Erstattungsansprüche sowie die sich aus dem Behandlungsvertrag ergebenden zusätzlichen finanziellen Belastungen aufklären. Diese Aufklärung sollten Sie ebenfalls schriftlich dokumentieren. Sie dürfen diese Erklärung nicht gemeinsam mit dem Behandlungsvertrag in einem Schriftstück treffen.

► Mitglieder des NAV-Virchow-Bundes können eine Mustererklärung und einen Behandlungsvertrag im Internet herunterladen unter: bit.ly/2Yk2tMA

 

 

Justiziarin des Virchowbundes
Andrea Schannath