Betriebswirtschaft in der Arztpraxis: Controlling

Der Begriff des Controllings wird sehr häufig auf die Kontrolle von Zahlen reduziert. Natürlich stehen die Zahlen eines Unternehmens, und Ihre Arztpraxis ist ein Unternehmen, wie beispielsweise Umsatz, Kosten und Ertrag im Mittelpunkt vieler unternehmerischer Entscheidungen. Allerdings bedeutet Controlling viel mehr. Es ist eines, wenn nicht das entscheidende Thema, um eine systematische Praxisführung gewährleisten zu können. Um zu verstehen, worum es grundsätzlich geht, dient die nachfolgende Definition: „Das Controlling soll allen am Zielprozess beteiligten Instanzen Instrumente und Informationen zur Verfügung stellen, damit sie ihre Rolle im Zielerreichungsprozess wahrnehmen können.“

Ab der Größe eines mittelständischen Unternehmens, wird die Unternehmensstruktur durch Abteilungen bestimmt, wie

  • Innendienst
  • Außendienst
  • Produktion
  • Marketing
  • Personal
  • Finanzen

Jede Abteilung steht ein Abteilungsleiter vor, der in der Verantwortung steht. Das Controlling fungiert als kontrollierende Instanz und berichtet an den Geschäftsführer. Es herrscht eine klare Aufgabenverteilung. In Ihrer Praxis dagegen haben Sie als Praxisinhaber all diese Funktionen in Personalunion. Für viele ein stark belastender Faktor, der immer wieder zu Unzufriedenheit und Frustration führt. Dies gilt es zu vermeiden.

Wo und wann beginnt das Controlling in der Arztpraxis?

In einem früheren Beitrag haben wir über die Formulierung von Lebensrollen berichtet. Hier geht es darum für sich selbst konkret zu formulieren welche Themen für jeden einzelnen wichtig sind, um ganzheitlich zufrieden zu sein, also auch solche zu formulieren, die den privaten Bereich betreffen. Daraus leiten sich dann konkrete Ziele und Praxisziele ab. Dahinter steht der Gedanke, dass es die Aufgabe des Controllings ist die Prozesse zu steuern, die zum Erreichen der Ziele verantwortlich sind. Ein wichtiges Instrument ist hierbei die Balanced Scorecard. Sie bildet die nachfolgenden Fragestellungen ab:

Finanzen: „Welche Ziele müssen in der Finanzperspektive erreicht werden, um erfolgreich zu sein?“

Prozesse: „Wie müssen die Prozesse gestaltet sein, um die Finanz- und Praxisziele zu erreichen?“

Mitarbeiter: „Wie bleibt das Team lern- und wandlungsfähig, um die Zielerreichung zu unterstützen?“

Patienten: „Welche Ziele müssen in der Patientenentwicklung erreicht werden, um die Vision zu erreichen?“

►Die Balanced Scorecard ist ein Verbindungsglied zwischen Strategiefindung und -umsetzung. Sie fragt zunächst nach der gewünschten Wirkung, um davon ausgehend rückwärts bis zum notwendigen Input zu gelangen.

Welche betriebswirtschaftlichen Instrumente werden in der Praxis genutzt?

Wenn wir uns in den weiteren Ausführungen auf die Steuerung der Finanzen beschränken, werden in der Regel die nachfolgenden Instrumente genutzt, die laut einer Studie der Fachhochschule Wiesbaden mit den folgenden Werten eingesetzt werden:

  • Die Betriebswirtschaftliche Auswertung (80 %)
  • die Einnahmen-Überschuss­rechnung (73 %)
  • die laufende Buchhaltung (65 %)
  • ein SOLL-IST-Vergleich (42 %)

Bei Betrachtung der Aussagekraft dieser Instrumente ergibt sich jedoch ein Bild, das nur bedingt die aktuelle Situation widerspiegelt.

Aussagekraft der klassischen Instrumente

Das Problem liegt darin, dass in allen vier Instrumenten der Geldfluss dargestellt wird, aber eine Darstellung der aktuellen Situation kaum möglich ist.

Warum ist das so?

Praxis-Einnahmen

Bei Betrachtung der Einnahmen wird nicht ersichtlich in welchem Zeitraum die Leistung erbracht worden ist. Forderungen, also Leistungen, die erbracht aber noch nicht bezahlt wurden, werden nicht dargestellt und es ist auch nicht ersichtlich, wer die Leistungserbringer sind.

Praxis-Ausgaben

Bei den Ausgaben gibt es ein ähnliches Bild. Wann sind die Leistungen angefallen, die gezahlt worden sind. Für welchen Leistungserbringer sind welche Kosten entstanden? Bestehen Verbindlichkeiten, die noch nicht gezahlt wurden aber demnächst anfallen?

Daraus ergeben sich Risiken in der Entscheidungsfindung, denn die BWA ist vergangenheitsbezogen, die Einnahmen und Ausgaben werden in unterschiedlichen Zeiträumen verursacht und es gibt häufig keine Aussage darüber, wessen Leistungen zu den Einnahmen geführt haben.

 

Was liefern also BWA und Einkommensüberschussrechnung nicht?

1.    Sie geben keine Information über den Liquiditätsstand (Darlehen, Kontokorrent, Eigenkapitalentwicklung)
2.    Sie bieten keine Prognosedaten zum Gewinn oder zur Zahlungsfähigkeit.
3.    Sie bieten in der Regel nicht die Möglichkeit Bereichsergebnisse zu beurteilen (Profitcenter / unrentable Geschäftsfelder)

Sie sind somit Instrumente der Finanzbuchhaltung aber keine wirklichen Instrumente der betriebswirtschaftlichen Praxisführung.

Ergänzende Möglichkeiten und deren Vorteile für die Praxis

Die entscheidende Informationsquelle ist daher die Leistungsstatistik der Praxis, die ein tägliches Bild darüber vermittelt, welche Leistungen erbracht worden sind, die zur Abrechnung kommen werden. Sie liefert wichtige Informationen über die Leistungsbereiche wie Umsätze des/der Behandler(s) oder von Labor und Technik. Weiterhin werden transparent dargestellt

  • die Leistungen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV)
  • der privat Versicherten
  • der individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL)

und schließlich liefert die Leistungsstatistik ein Bild über die Leistungsart, wie zum Beispiel Vorsorge, Atteste usw.

Mit dieser Transparenz ist es möglich steuernd einzugreifen, um gewünschte Veränderungen bewusst zu veranlassen. Im Sinne einer unternehmerischen Ausrichtung ist zu empfehlen am Jahrsende die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen für das Folgejahr zu planen, um einen laufenden SOLL-IST-Abgleich durchführen zu können. Inwieweit weichen die oben dargestellten Leistungen von den SOLL-Zahlen ab, um daraus Entscheidungen treffen zu können. Entscheidungen, die darauf basieren, dass die Probleme erkannt, Stark- und Schwachstellen analysiert werden, um diese entsprechend zu korrigieren.

 

Ermittlung des aktuellen Stundensatzes in der Praxis

Last but not least ermöglicht es ausschließlich die Leistungsstatistik einen aktuellen und individuellen Stundensatz zu ermitteln, der Aufschluss darüber gibt ob es gelingt die formulierte SOLL-Zahl zu erreichen. Hieraus können sich wiederum Maßnahmen ableiten, wie beispielsweise eine Optimierung des Terminbuchs, um am Ende des Tages den notwendigen Umsatz erzielen zu können.

Weitere Controllingkennziffern

Wie beschrieben, ist es zu empfehlen das Controlling ganzheitlich zu betrachten und auch die gesamten Einflussfaktoren innerhalb der Praxis zu berücksichtigen.

Hierzu gehören:

1.    Die Patienten: Wie hoch ist die Anzahl Ihrer Patienten? Machen Sie sich ein Bild über Zu- und Abwanderungen. Wo kommen Ihre Patienten her? Sind Ihre Patienten vorsorgeorientiert und halten Sie ihre Intervalle ein?

2.    Ihr Terminbuch: Wie gefüllt ist Ihr Terminbuch? Es gilt ein Bild darüber zu erhalten, ob die Patienten ihre Termine einhalten oder eine größere Zahl immer wieder ausfällt.

3.    Die Zeiten: Wie ist das Verhältnis der Praxiszeiten zu den Arbeits- und Behandlungszeiten?

4.    Die Dokumentation: Werden alle erbrachten Leistungen dokumentiert und optimiert abgerechnet?

5.    Die Einnahmen: Ist gewährleistet, dass alle erbrachten Leistungen auch zu Einnahmen werden? Funktionieren die zeitnahe Rechnungsstellung und das Mahnwesen?

6.    Die Kosten: Haben Sie einen genauen Überblick über die Kostensituation und ein Gefühl für die Höhe der möglichen Privat­entnahmen?

7.    Das Praxisergebnis: Entwickelt sich das Praxisergebnis positiv? Liegt es in einer Größenordnung, die es Ihnen ermöglicht zu investieren und ihren gewünschten Lebensstandard zu finanzieren?

8.    Die Liquidität: Sind Sie in der Lage Ihren Zahlungsverpflichtungen problemlos nachzukommen oder müssen Sie durch Darlehen oder Kontokorrent fremdfinanzieren?

9.    Komplette Transparenz Ihrer Praxiskennzahlen wie beispielsweise

- Leistungen je Tag/Stunde/je Leistungserbringer

- Leistungen je Patient/je Leistungserbringer

- Leistungen je Termin/ je Leistungserbringer

- Kosten je Tag/Stunde

- Materialkosten je Termin etc.

Fazit

Controlling ist ein Steuerungs­instrument, ohne dass der niedergelassene Arzt kaum in der Lage ist die Arztpraxis zielgerichtet auf dem von dem Arzt bestimmten Weg zu halten. Es ermöglicht Ärzten zeitnah Schwachstellen zu erkennen, Abweichungen festzustellen und Korrekturen vorzunehmen. Es gilt ausgehend von Ihrer Praxiszielsetzung die Controllinginstrumente auszuwählen, die Ihnen diese Transparenz liefern. Ist ein Controllingsystem erst einmal installiert, ist dies ohne großen Aufwand zu pflegen.

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Uwe Zoske
Med3 
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