Praxiskauf und Zulassungskauf - das sollten Sie wissen

Wird eine Arztpraxis mit einem Vertragsarztsitz entgeltlich erworben, so ist es notwendig, den Gesamtkaufpreis in den sogenannten materiellen Wert (Geräte und Inventar) sowie den sogenannten Praxiswert (Patientenkartei, Zulassung usw.) aufzuteilen. Diese Trennung ist notwendig, da für beide Bereiche unterschiedliche Abschreibungssätze beziehungsweise Zeiträume zur Anwendung kommen. Die Abschreibung des materiellen Wertes orientiert sich an dem Zeitwert der gekauften Gegenstände. Der Abschreibungszeitraum des Praxiswertes ist nach dem jeweiligen Einzelfall zu beurteilen.

Verschärfte Problematik der Abschreibung

Die Finanzverwaltung geht üblicherweise davon aus, dass der Praxis­wert bei einer Einzelpraxis in drei bis fünf Jahren abzuschreiben ist. Bei Berufsausübungsgemeinschaften wird von einem Zeitraum von sechs bis zehn Jahren ausgegangen. Diese typisierenden Abschreibungszeiträume hängen unter anderem davon ab, ob eventuell der abgebende Arzt weiterhin in der Praxis mitarbeitet oder nicht.

Schwierigkeiten mit der Abschreibung des Praxiswertes

Aber die Finanzverwaltung tut sich sehr schwer mit der Abschreibung des sogenannten Praxiswertes. Immer wieder wird versucht, den auf den Praxiswert entfallenden Kaufpreisanteil noch mal in zwei Teilbereiche aufzuteilen, nämlich

  • den eigentlichen Praxiswert und
  • den Wert der miterworbenen Vertragsarztzulassung.

Diese Vorgehensweise ist für den Erwerber steuerlich außerordentlich ungünstig, da unstrittig ein möglicher Kaufpreisanteil für die Vertragsarztzulassung – als immaterielles Wirtschaftsgut – keiner laufenden jährlichen Abschreibung zugängig ist.

Einheitlicher Kaufpreis für den Praxiswert

Bereits in einem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 09.08.2011 wurde besonders betont, dass es nicht zulässig sei, aus einem einheitlichen Kaufpreis „Praxiswert" einen Kaufpreisanteil für den Erwerb der Vertragsarztzulassung herauszurechnen. Auch die Oberfinanzdirektion Münster (Kurzinfo ESt 35/2011 v. 14.12.2011) hat sich der Sichtweise des BFH angeschlossen.

Doch nicht alle Finanzamts­bereiche in Deutschland verfahren einheitlich mit dieser Thematik. Jetzt hat der BFH in seinem aktuellen Urteil vom 21. Februar 2017 (Urteil VIII R7/14) richtungsweisend und zugunsten der Steuerbürger klargestellt, in welchen Fällen und unter welchen Umständen von einem insgesamt abschreibungsfähigen Wirtschaftsgut „Praxiswert" auszugehen ist.

Wertbegründende Einzel­faktoren

Grundsätzlich erwirbt ein Käufer einer Vertragsarztpraxis neben dem materiellen Wert ein sogenanntes „Chancenpaket" (siehe Infokasten).

Die Gesamtheit dieser beispielhaft aufgezählten Bestandteile bilden das immaterielle Wirtschaftsgut „Praxiswert". Daraus resultiert, dass es nicht zulässig ist, aus diesem Chancenpaket einzelne nicht abschreibbare Teile (Vertragsarztsitz) herauszulösen. Dies gilt auch dann, wenn in einem gesperrten Planungsbereich ein Zuschlag über dem laut Schätzung vorliegenden Praxiswert gezahlt wird. Selbst dieser Mehrpreis ist Bestandteil des Praxiswertes und kann nicht als Kaufpreisanteil für die Vertragsarzt-Zulassung umqualifiziert werden.

Was beinhaltet der Praxiswert?

Hierunter fallen unter anderem die folgende wertbegründende Einzel­faktoren:

  • Patientenstamm, Patientenkartei
  • Praxisstandort, Lage der Arztpraxis, Infrastruktur, Gewinn und Rendite der Praxis
  • Facharztgruppe
  • Vertragsarztzulassung
  • Praxismitarbeiter, Team

 

Beispiel: Unzulässige Abschreibung

Diese für die Praxis bedeutende Entscheidung hat viel Sprengstoff aus der Praxis-Kaufpreis-Problematik genommen. Doch hat das Gericht gleichzeitig auch den Ausnahmefall einer unzulässigen Abschreibung in seinem Urteil (BFH-Urteil VIII R 56/14) klar umrissen und von dem im Text dargestellten Grundsatz ­abgegrenzt.

In dem in der Beratungspraxis immer wieder vorkommenden Einzelfall, hat ein Gesellschafter einer Berufsausübungsgemeinschaft (GbR) – bestehend aus zwei niedergelassenen Ärzten (A und B) – einen Vertrag zur Übernahme der Einzelpraxis eines Kollegen geschlossen. Der abgebende Arzt musste laut Vertrag seine vertragsärztliche Tätigkeit einstellen. Der Sitz wurde innerhalb kürzester Frist an den Ort der Tätigkeit der GbR verlagert.

Die Patientenkartei verblieb bei dem abgebenden Arzt (C) und die patientenbezogenen Daten sollten erst nach Zustimmung der Patienten der GbR übergeben werden.

Aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen erwarb der Gesellschafter der GbR (A) keine Praxis­einrichtung, keine Geräte oder sonstige Wirtschaftsgüter der bisherigen Einzelpraxis des abgebenden Kollegen (C). Es wurden außerdem keinerlei Verträge und insbesondere nicht das Praxispersonal der Einzelpraxis übernommen.

Keine Abschreibung bei reinem Zulassungskauf

Bei dieser Konstellation ist der Bundesfinanzhof (BFH) in dem UrteilVIII R 56/14 von einem reinen „Zulassungskauf“ ausgegangen.

Da der GbR-Gesellschafter (A) keine Praxis im klassischen Sinne erworben hat, war der wirtschaftliche Gegenstand der vertraglichen Kaufpreis-Vereinbarungen – entgegen dem äußeren Anschein – ausschließlich die Zulassung als Vertragsarzt. Der Gesamtkaufpreis entfällt insoweit auf das immaterielle Wirtschaftsgut: Zulassung. Daraus folgt, dass der GbR keine laufende jährliche Abschreibung auf den gezahlten Kaufpreis zusteht.

Dies begründet sich unter anderem aus der Tatsache, dass das immaterielle Wirtschaftsgut „Vertragsarzt-Zulassung“, weder nach rechtlichen noch nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zeitlich in seiner Nutzung beschränkt ist.

Die steuerliche Abschreibung eines Wirtschaftsgutes ist jedoch nur dann zulässig, wenn eine – wie auch immer geartete, wenn auch typisierte – zeitlich befristete Nutzbarkeit des Wirtschaftsgutes gegeben ist.

Zu beachten ist jedoch, dass die sogenannte Feststellungslast bezüglich der Umstände, wie der Kaufpreis im Einzelfall einzustufen ist, bei der Finanzverwaltung liegt. Das Finanzgericht Köln hat bereits in seinem Urteil (EFG 2012, 1128 Rz 20) klargestellt, dass die Beweislast, ob eine Praxis oder nur der Vorteil aus der Vertragsarzt-Zulassung erworben wurde, der Finanzverwaltung obliegt.

Dies kann jedoch auf Beraterseite – im Hinblick auf mögliche Rechtsbehelfsverfahren im Einzelfall – nur als kleiner Trost verstanden werden.

 

PraxistippDie von dem BFH entwickelten Abgrenzungskriterien orientieren sich insbesondere an wirtschaftlichen Kriterien bei den Übergabe­modalitäten.

Zwischen den Zeilen ist erkennbar, dass hier gedanklich unterstellt wird, dass Gegenstand der Kaufpreis- beziehungsweise Übergabeverhandlungen „ein organisatorisch lebender Praxisbetrieb“ sein soll.

Die Tatsache, dass im Einzelfall bestimmte Einzelfaktoren bei dem „Chancenpaket“ nicht mitveräußert werden, spielt bei der Gesamt­beurteilung nur eine untergeordnete Rolle.

Der Umstand, dass jedoch, wie im vorliegenden Urteilsfall, eine sofortige Sitzverlegung durchgeführt wurde, war vom BFH als weiteres Indiz für die ausschließliche Vertrags-Arztsitz-Veräußerung gewertet worden.

Es ist immer zu empfehlen vor einer geplanten Praxisveräußerung das Gespräch mit dem Steuerberater zu suchen. Nur so können mögliche negative steuerliche Folgen bei einer Praxisveräußerung im Vorfeld vermieden werden.

 

Ausnahme beim Zulassungskauf

In einem in der Beratungspraxis immer wieder vorkommenden Einzelfall, hat ein Gesellschafter einer Berufsausübungsgemeinschaft  (GbR) – bestehend aus zwei niedergelassenen Ärzten (A und B) – einen Vertrag zur Übernahme der Einzelpraxis eines Kollegen geschlossen. Der abgebende Arzt musste laut Vertrag seine vertragsärztliche Tätigkeit einstellen. Der Sitz wurde innerhalb kürzester Frist an den Ort der Tätigkeit der GbR verlagert.

Die Patientenkartei verblieb bei dem abgebenden Arzt (C) und die patientenbezogenen Daten sollten erst nach Zustimmung der Patienten der GbR übergeben werden.

Aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen erwarb der Gesellschafter der GbR (A)

  • keine Praxis­einrichtung,
  • keine Geräte oder
  • sonstige Wirtschaftsgüter der bisherigen Einzelpraxis des abgebenden Kollegen (C).
  • Es wurden außerdem keinerlei Verträge und insbesondere nicht das Praxispersonal der Einzelpraxis übernommen.

Keine Abschreibung bei reinem Zulassungskauf

Bei dieser Konstellation ist der Bundesfinanzhof (BFH) in dem Urteil VIII R 56/14 von einem reinen „Zulassungskauf“ ausgegangen. Da der GbR-Gesellschafter (A) keine Praxis im klassischen Sinne erworben hat, war der wirtschaftliche Gegenstand der vertraglichen Kaufpreis-Vereinbarungen – entgegen dem äußeren Anschein – ausschließlich die Zulassung als Vertragsarzt. Der Gesamtkaufpreis entfällt insoweit auf das immaterielle Wirtschaftsgut: Zulassung. Daraus folgt, dass der GbR keine laufende jährliche Abschreibung auf den gezahlten Kaufpreis zusteht.

Dies begründet sich unter anderem aus der Tatsache, dass das immaterielle Wirtschaftsgut „Vertragsarzt-Zulassung“, weder nach rechtlichen noch nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zeitlich in seiner Nutzung beschränkt ist.

Die steuerliche Abschreibung eines Wirtschaftsgutes ist jedoch nur dann zulässig, wenn eine – wie auch immer geartete, wenn auch typisierte – zeitlich befristete Nutzbarkeit des Wirtschaftsgutes gegeben ist.

Zu beachten ist jedoch, dass die sogenannte Feststellungslast bezüglich der Umstände, wie der Kaufpreis im Einzelfall einzustufen ist, bei der Finanzverwaltung liegt. Das Finanzgericht Köln hat bereits in seinem Urteil (EFG 2012, 1128 Rz 20) klargestellt, dass die Beweislast, ob eine Praxis oder nur der Vorteil aus der Vertragsarzt-Zulassung erworben wurde, der Finanzverwaltung obliegt.

Dies kann jedoch auf Beraterseite – im Hinblick auf mögliche Rechtsbehelfsverfahren im Einzelfall – nur als kleiner Trost verstanden werden.

Praxistipp

Die von dem BFH entwickelten Abgrenzungskriterien orientieren sich insbesondere an wirtschaftlichen Kriterien bei den Übergabe­modalitäten.

Zwischen den Zeilen ist erkennbar, dass hier gedanklich unterstellt wird, dass Gegenstand der Kaufpreis- beziehungsweise Übergabeverhandlungen „ein organisatorisch lebender Praxisbetrieb“ sein soll.

Die Tatsache, dass im Einzelfall bestimmte Einzelfaktoren bei dem „Chancenpaket“ nicht mitveräußert werden, spielt bei der Gesamt­beurteilung nur eine untergeordnete Rolle.

Der Umstand, dass jedoch, wie im vorliegenden Urteilsfall, eine sofortige Sitzverlegung durchgeführt wurde, war vom BFH als weiteres Indiz für die ausschließliche Vertrags-Arztsitz-Veräußerung gewertet worden.

Es ist immer zu empfehlen vor einer geplanten Praxisveräußerung das Gespräch mit dem Steuerberater zu suchen. Nur so können mögliche negative steuerliche Folgen bei einer Praxisveräußerung im Vorfeld vermieden werden.

► Stand: Januar 2018

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Günter Balharek
Diplom-Finanzwirt, Steuerberater
Steuerkanzlei
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