Die wirtschaftliche Aufklärungspflicht

Grundsätzlich ist es Sache des Patienten, das Erstattungsverhalten seiner Versicherung/Beihilfe zu kennen. Sind Erstattungsprobleme aber abzusehen, muss der Arzt darüber aufklären.

Grundlage dafür ist der § 630c im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB):

„(3) Weiß der Behandelnde, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist oder ergeben sich nach den Umständen hierfür hinreichende Anhaltspunkte, muss er den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform informieren. (...).“
„(4) Der Information des Patienten bedarf es nicht, soweit diese ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände entbehrlich ist, insbesondere wenn die Behandlung unaufschiebbar ist oder der Patient auf die Information ausdrücklich verzichtet hat.“

Damit soll berücksichtigt werden, dass der Arzt hinsichtlich von Erstattungsproblemen einen „Informationsvorsprung“ gegenüber dem Patienten haben kann. Dann trifft ihn diese „wirtschaftliche Aufklärungspflicht“.

Wann weiß der Arzt von Erstattungsproblemen?

Sicher wissen kann man das, wenn beim Privatpatienten eine Behandlung ansteht, die offensichtlich nicht in die Leistungspflicht von Versicherung oder Beihilfe fällt, weil sie nicht der Behandlung oder Vorbeugung einer Krankheit dient. Ebenso geht die Rechtsprechung von einem Wissen des Arztes aus, wenn er schon mit der Nichtanerkennungspraxis, ggf. auch von bestimmten Kostenträgern, konfrontiert war und dies nicht nur Einzelfälle waren.

WichtigAuch Privatpatienten müssen ggf. über zu erwartende Erstattungs­lücken schriftlich aufgeklärt werden

Das betrifft nicht nur nicht medizinisch indizierte Wunschleistungen, sondern auch Leistungen mit bekannten Erstattungsproblemen und Leistungen, zu denen Versicherungen als „nicht schulmedizinisch anerkannt“ Erstattungsprobleme machen (können)

Dabei muss auch die Höhe des wirtschaftlichen Risikos für den Patienten erkennbar sein (Angabe von Beträgen)

Eine unterlassene wirtschaftliche Aufklärung kann zur Honorarfalle werden. Aufschlussreich dazu ist z. B. das im Internet auffindbare Urteil des LG Berlin vom 07.02.2019 (AZ 6 S 9/17)

Wann gibt es „hinreichende Anhaltspunkte“?

Das ist nicht scharf abzugrenzen. Kein Arzt muss alle Versicherungsbedingungen/Beihilfeverordnungen kennen und oft ist man ja erst im Nachhinein überrascht, dass ein Kostenträger nicht erstattet. Aus der Rechtsprechung hat sich herausgebildet, dass man dann „hinreichende Anhalts­punkte“ unterstellen darf, wenn sogenannte komplementärmedizinische oder „wissenschaftlich nicht anerkannte“ Diagnose- oder Behandlungsverfahren angewandt werden sollen. Zwar bestimmt nicht der Kostenträger, ob eine Behandlung indiziert („medizinisch notwendig“) war oder nicht und die „wissenschaftliche Anerkennung“ kann sich auch auf nicht-schulmedizinische Verfahren erstrecken, hier geht es aber um die vorbeugende Informationspflicht hinsichtlich zu erwartender Erstattungsprobleme.

Wie weit geht die Aufklärungspflicht?

Es reicht nicht, den Patienten in einem Behandlungsvertrag allgemein darüber zu informieren, dass Erstattungsprobleme auftreten werden oder auftreten können. Das Gesetz verlangt eine Aufklärung über die „voraussichtliche Höhe der Kosten für die Behandlung“. Also nicht über die Höhe der eventuellen Erstattungslücke, sondern des Honorars der in der Erstattung fraglichen Behandlung. Da wird es manchmal schwierig. Im Gegensatz zu IGeL-Patienten sind die Kosten vor der Behandlung oft gar nicht exakt bestimmbar. Selbst wenn man das mit Erstattungsproblemen behaftete Behandlungsverfahren abgrenzen kann, können z.B. die Anzahl der Behandlungen noch unbestimmt sein. Überwiegende Auffassung dazu ist, dass es ausreicht, einen Rahmen anzugeben oder die Kosten als „voraussichtlich“ zu benennen, verbunden mit einem Hinweis, dass sie sich je nach Behandlungsverlauf auch, ggf. deutlich, erhöhen können.

Schriftlich

Die Aufklärung muss „in Textform“, also schriftlich erfolgen. Darin sollen die „problematischen“ Leistungen mit den resultierenden Beträgen angeführt sein. Das Schriftstück ist dadurch einer IGeL-Vereinbarung bei GKV-Patienten ähnlich. Mit „in Textform“ ist nicht unbedingt verlangt, dass es sich um eine unterschriebene Vereinbarung handelt. Sicherer ist natürlich, wenn man nachweisen kann (z. B. durch eine unterschriebene Kopie), dass der Patient die Information auch wirklich erhalten hat. Bei Notfällen („Behandlung unaufschiebbar“) sollte die Dokumentation, aus welcher der Notfallcharakter der Behandlung hervorgeht, reichen. Beim Verzicht des Patienten auf die wirtschaftliche Aufklärung sollte man sich dies abzeichnen lassen.