Meine Mitarbeiterin ist krank (Teil 2: Urlaubsanspruch und Kündigungsrecht bei Krankheit)

In diesem Beitrag wollen wir weitere Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Erkrankung einer Mitarbeiterin klären, so z.B. was zu beachten ist, wenn die Mitarbeiterin im Urlaub krank wird oder ich als Arbeitgeber auch während der Erkrankung kündigen kann.

Urlaub und Krankheit

Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet. Es darf aber nicht nur eine Erkrankung vorliegen, vielmehr muss die Krankheit zur Arbeitsunfähigkeit führen. Eine krankheitsbedingte Arbeits­unfähigkeit führt auch nicht zu einer automatischen Verschiebung oder Verlängerung des Urlaubs. Der Urlaub endet vielmehr zu dem ursprünglich festgelegten Zeitpunkt. Der während des Urlaubs arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer muss nach dem ursprünglich vorgesehenen Urlaubsende die Arbeit antreten. Der wegen Krankheit nicht verbrauchte Urlaub bleibt dem Arbeitnehmer als Urlaubsanspruch erhalten. Er kann diesen Urlaub grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln später nehmen.


Langzeiterkrankung und Urlaub

Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) verfiel der Urlaubsanspruch einer Mitarbeiterin bei längerer Erkrankung zum 31.03. des Folgejahres. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat diese Rechtsprechung aber bereits 2009 gekippt, aber 2011 eine Grenze gezogen, so dass Arbeitnehmer, die über Jahre hinweg krank sind, in dieser Zeit nicht unbegrenzt Urlaub ansammeln können. Die Richter stellten fest, dass der Verfall von Mindesturlaubsansprüchen langzeiterkrankter Arbeitnehmer gesetzlich oder tariflich angeordnet werden kann, wenn der entsprechende Übertragungszeitraum hinreichend lang ist, um den Erholungszweck des Urlaubs für den Arbeitnehmer sicherzustellen. Der im Urteilsfall vorgesehene Übertragungszeitraum von 15 Monaten wurde dabei von Seiten der Richter als zulässig angesehen. Das Bundesarbeitsgericht hat dann 2012 in einem Grundsatzurteil zugunsten der Arbeitgeberseite entschieden, dass der in Krankheitsfällen ­„angesparte“ Urlaub allgemein, das heißt auch ohne eine tarifvertragliche Regelung, 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres verfällt, das heißt zum 31. März des übernächsten Jahres.


Auszahlung von Urlaub bei Krankheit

Grundsätzlich muss der Jahresurlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Nur wenn der Arbeitnehmer aus dringenden persönlichen oder betrieblichen Gründen seinen Urlaub nicht nehmen kann, darf der Urlaub in das nächste Jahr übernommen werden, also bis zum 31. März. Ist der Urlaub bis zu diesem Zeitpunkt nicht genommen, verfallen noch offene Urlaubsansprüche, außer bei Langzeiterkrankung. Auch darf eine Auszahlung des Urlaubes gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG grundsätzlich nicht erfolgen, wenn ein Arbeitsverhältnis besteht. Eine Auszahlung der nicht genommenen Tage ist also nur möglich, wenn das Arbeitsverhältnis beendet wird und der Urlaub nicht mehr genommen werden kann.


Krankheit im Ausland

Befindet sich ein Arbeitnehmer zu Beginn seiner Arbeitsunfähigkeit im Ausland, hat er besondere Benachrichtigungs- und Bescheinigungspflichten. Er muss den Arbeitgeber auf schnellst möglichem Weg über seine Arbeitsunfähigkeit informieren. Die Benachrichtigung kann telefonisch erfolgen, gegebenenfalls ist es auch nötig, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung per Fax zu übermitteln. Auch die Krankenkasse muss benachrichtigt werden. Die Bescheinigung einer Arbeitsunfähigkeit im Ausland muss erkennen lassen, dass nicht nur eine bloße Erkrankung vorliegt, sondern der Arbeitnehmer krankheitsbedingt seinen Urlaub nicht genießen konnte. Wird die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in einem EU-Mitgliedsland von einem Arzt des dortigen Krankenversicherungsträgers ausgestellt, gilt dies gegenüber dem Arbeitgeber grundsätzlich als Krankschreibung. Eintritt und Dauer der Erkrankung müssen gut leserlich sein. Wird der erkrankte Arbeitnehmer dagegen von einem anderen Arzt behandelt oder liegt der Urlaubsort außerhalb der EU, so ist unbedingt darauf zu achten, dass neben der Attestierung der Krankheit auch eine separate Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt wird.


Kündigung wegen Krankheit

Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass einem Arbeitnehmer während seiner Arbeitsunfähigkeit nicht gekündigt werden kann. Dabei kann ein Arbeitgeber nicht nur während der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers kündigen, sondern sogar wegen der Arbeitsunfähigkeit/Krankheit. Grund für diesen Irrtum, man könne während einer Krankheit nicht kündigen, liegt in § 8 Entgeltfortzahlungsgesetz. Nach dieser Regelung muss ein Arbeitgeber auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiter Entgeltfortzahlung leisten, wenn der Arbeitgeber anlässlich der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers kündigte. Es soll also verhindert werden, dass ein Arbeitgeber nur kündigt, um dieser Entgeltfortzahlungspflicht zu entgehen. Für krankheitsbedingte Kündigungen ist diese Vorschrift in der Regel nicht von Bedeutung, denn meistens ist ein Arbeitnehmer schon viel länger als sechs Wochen krank, bevor der Arbeitgeber wegen der Krankheit eine Kündigung aussprechen kann.

Bei einer krankheitsbedingten Kündigung handelt es sich um eine personenbedingte Kündigung. Nach der Rechtsprechung müssen die folgenden drei Voraussetzungen vorliegen, damit eine krankheitsbedingte Kündigung wirksam ist:

  1. Es müssen zum Zeitpunkt der Kündigung Tatsachen vorliegen, die die Prognose weiterer Erkrankungen des Arbeitnehmers in dem bisherigen Umfang rechtfertigen. Dies wird als „negative Gesundheitsprognose“ bezeichnet.
  2. Es muss feststehen, dass die zu erwartenden Fehlzeiten des Arbeitnehmers zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers führen. Eine solche Interessenbeeinträchtigung liegt vor allem dann vor, wenn es aufgrund der Fehlzeiten des Arbeitnehmers zu Störungen des Betriebsablaufs oder zu erheblichen Belastungen des Arbeitgebers mit Lohnfortzahlungskosten kommt.
  3. Schließlich muss eine Interessenabwägung vorgenommen werden. Sie muss zugunsten des Arbeitgebers ausgehen, das heißt sie muss ergeben, dass ihm bei einer umfassenden Abwägung der beidseitigen Interessen unter Berücksichtigung der Dauer des Arbeitsverhältnisses, der Krankheitsursachen, der Fehlzeiten vergleichbarer Arbeitnehmer und des Lebensalters die oben festgestellte Beeinträchtigung seiner Interessen nicht mehr weiter zugemutet werden kann.

Fehlt auch nur eine dieser Voraussetzungen, ist die Kündigung unwirksam.


Keine Abmahnung vor Kündigung

Bei einer personenbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber vor der Kündigung auch keine Abmahnung aussprechen. Denn anders als bei der Kündigung aus verhaltens­bedingten Gründen wird dem Arbeitnehmer bei einer krankheits­bedingten Kündigung keine Verletzung des Arbeitsvertrages zum Vorwurf gemacht. Für Krankheiten kann man nichts.


Zugang der Kündigung bei Krankheit

Problematisch ist die Arbeitsunfähigkeit ggf. aber für den Zugang der Kündigung. Ist der Arbeitnehmer im Krankenhaus und der Arbeitgeber weiß davon, so dürfte eine an die Wohnungsadresse zugestellte Kündigung nicht am Tag des Einwurfs der Kündigung zugehen, sondern erst nach Rückkehr des Arbeitnehmers aus dem Krankenhaus, es sei denn, der Arbeitnehmer hatte begründeten Anlass, mit einer Kündigung zu rechnen. Der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ist für die Berechnung der Frist für die Kündigungsschutzklage entscheidend. Wird gegen eine Kündigung nicht innerhalb von drei Wochen nach deren Zugang Kündigungsschutzklage erhoben, so wird die Kündigung rechtswirksam, unabhängig davon, ob sie rechtmäßig oder rechtswidrig war.

Zu der Thematik „Kündigung“ stellt der NAV-Virchow-Bund ein umfangreiches Merkblatt sowie Musterformulare zur ordentlichen und außerordentlichen Kündigung sowie einen Aufhebungsvertrag zur Verfügung, die in der Geschäftsstelle oder im Internet bestellt oder abgerufen werden können.

Sie sehen, auch die Krankheit einer Mitarbeiterin wirft vielerlei rechtliche Fragen auf, die Ihnen die Rechtsabteilung des NAV-­Virchow-Bundes gerne beantwortet. Voraussetzung ist nur, dass Sie Mitglied im Verband sind.

Andrea Schannath

Justiziarin des Virchowbundes