Lasersysteme bei andro­genetischer Alopezie

Frank G. Neidel. Hochenergetische kohärente, invasive Lasersysteme in der Haartransplantation haben nach einem euphorischen Einstieg zu Beginn der 2000er Jahre nach kurzer Zeit wegen vieler Nachteile gegenüber herkömmlichen Techniken an Bedeutung verloren. So gilt heute die Laser-assistierte autologe Haartransplantation (LAAHT) als Außenseitermethode. Nach dem Aus für CO2- und Er:YAG-Laser auf diesem Gebiet offerieren kommerzielle Anbieter die Low-Level-Laser-Therapy (LLLT) als Therapieoption zur Behandlung der androgenetischen Alopezie (AGA) des Mannes und der Frau. Es gibt viele Studien, welche die Wirksamkeit des nichtkohärenten Diodenlichtes (LED) zur Stimulation des Haarwuchses belegen sollen. Es fehlen jedoch überzeugende wissenschaftliche Resultate und eindeutige Dokumentationen. Derzeit kann man am ehesten bei beginnender Krankheit von einer milden therapeutischen Wirkung sprechen, genau wie bei medikamentösen oder physikalischen Maßnahmen. Bei ausgeprägter AGA kann eine optische Rehabilitation derzeit nur mittels Eigenhaarwurzel-Transplantation erzielt werden.

Schlüsselwörter: Haartransplantation, hochenergetische invasive Lasersysteme, niedrig­energetische Lasersysteme (LED), Low-Level-Laser-Therapie (LLLT)

Zitierweise: HAUT 2021;32(4):166-172

Abstract

High-energy coherent, invasive laser systems in hair transplantation have quickly lost importance after a euphoric entry in the early 2000s due to many disadvantages compared to conventional techniques. Today, laser-assisted autologous hair transplantation (LAAHT) is considered a fringe method. After the end for CO2- and Er:YAG lasers in this field, commercial providers do offer low-level laser therapy (LLLT) as a therapy option for the treatment of androgenetic alopecia (AGA) in men and women. There are many studies to prove the effectiveness of the incoherent diode light (LED) for stimulating hair growth. There is, however, a lack of convincing scientific results, and of a clear documentation. At present, it is at best to speak of a mild therapeutic effect at the earliest stage of the disease, likewise with medication, or physical measures. At present, in AGA with a distinct clinical picture, an optical rehabilitation can only be achieved by hair transplant surgery. 
Key words: hair transplant surgery, high energy laser systems, low energy laser systems (LED), low level laser therapy (LLLT) 

Zur Therapie der androgenetischen Alopezie (AGA) des Mannes und der Frau gibt es konservative und operative Möglichkeiten mit unterschiedlichen Erfolgsaussichten. Diese spezielle Erkrankung trifft im Laufe des Lebens 50 Prozent aller Männer und in zunehmendem Maße auch Frauen. Ursache ist die Sensibilisierung von Haarwurzeln der Kopfbehaarung bei einer bestimmten genetischen Prädisposition für Dihydrotestosteron (DHT). Dieses Abbauprodukt des Testos­terons schädigt mit zunehmendem Alter Haarwurzeln am Haaransatz und am Oberkopf bis hin zur sogenannten Tonsur dergestalt, dass die Haarwurzeln die permanente Produktion von Haaren dauerhaft einstellen.  

Demzufolge ergibt sich derzeit als therapeutischer Ansatz entweder das partielle oder vollständige Blockieren der Testosteron­abbaukette, das Erhöhen der Resistenz betroffener Haarwurzeln gegenüber Dihy­drotestosteron oder der Ersatz geschädigter inaktiver Haarwurzelzellen durch Transplantation dauerhaft aktiver Haarwurzeln.

Seit Mitte der 1990er Jahre spielt dabei auch der Einsatz verschiedener Lasersysteme eine Rolle. Welchen Einfluss der Laser auf die Therapie der AGA hatte und hat, wird im folgenden Überblick dargestellt.

Invasive High-Dose-Laser

Seit den 1990er Jahren kennen wir den CO2-Laser in der operativen Medizin. Das hochenergetische Laserlicht kann in Bruchteilen von Sekunden durch Vaporisation unter anderem die Haut durchtrennen, Tumoren zerstören, dermabradieren oder Kanälchen für Haartransplantate erzeugen. Das Laserlicht ist kollimiert und kohärent, weshalb die Energie auf kleinster Fläche operativ und invasiv wirksam werden kann. Das berührungsfreie präzise Arbeiten der Laser war und ist eine technische Meisterleistung und Sensation6. Bei vielen Patienten sank die Hemmschwelle für Eingriffe, wenn sie mithilfe des Lasers stattfanden.  
Hinsichtlich Haartransplantation, speziell das Anbringen von „Laserholes“ oder „Laserslits“, hat der CO2-Laser Vor- und Nachteile:

Vorteile

  • Die Werbewirksamkeit des Lasers generiert Patienten und sorgt für starken Bekanntheitsgrad der Haartransplantation, die Hemmschwelle zum Eingriff selbst sinkt.
  • Die Empfangskanälchen für Haarwurzeltransplantate sind sehr fein und wegen der Vaporisation fast völlig „bluttrocken“ (Abb. 1).

Nachteile

  • Bei zu dichtem Arbeiten kann es zu Verbrennungen und Nekrosen kommen.
  • Bei zu hohem Energiefluss und langer Einwirkzeit kann es vermehrt zu thermischer Schädigung des Graft-Empfänger­areals kommen. Folgen sind vermindertes Einwachsen von Haarwurzeln, dünnes Aussehen, schlimmstenfalls Verbrennungen und Narben ohne Haarwuchs.
  • Es können dauerhafte Pigmentstörungen der Haut entstehen, meistens resultierend als helle, punktförmige Narben, die besonders am Haaransatz sichtbar werden (Abb. 2).

Die Kernfrage von Spezialisten und Laien war und ist: Können Haarwurzeltransplantate auf mehr oder weniger thermisch geschädigtem Gewebe ausreichend gut einwachsen – besonders im Vergleich zu sogenannten klassischen „Cold Steel“-Techniken? Diese Risikobewertung führte trotz aller technischen Verbesserungen und Adaptationen zum Aus der CO2-Laser für die Haartransplantation.

Die Alternative war der Er:YAG-Laser. Das System arbeitet vorwiegend ablativ, die basale und laterale Nekrosezone beim Anlegen eines Empfangskanals für Haarwurzeln ist um vieles kleiner als beim CO2-Laser (Abb. 3a, b). 

Am Ende ergeben sich im Vergleich mit herkömmlichen „Cold Steel“-Techniken auch hier mehr Nachteile gegenüber wenigen Vorteilen, sodass der Er:YAG-Laser sich nicht bei einer großen Zahl von Anwendern etablieren konnte (Abb. 4).

Warum setzten sich invasive Lasersysteme für die Haartransplantation nicht durch?

  • Lasersysteme benötigen besondere Schutzvorkehrungen für Behandelnde und Patienten (Raumausstattung, Brillen­, Absaugsysteme, allgemein gefühltes Unbehagen.
  • Finanzieller Aspekt: Anschaffung, Wartung, Entsorgung, Upgrades.
  • Die Vor- und Nachbereitung ist zeitintensiv, das Anpassen der Einstellungen oft umständlich.
  • Hinzu kommt eine akustische Belastung und 
  • eine partielle Kontamination der Luft trotz Absaugung, besonders beim Er:YAG-­Laser.

Die Bedeutung der invasiven Laser für die Haartransplantation hat wegen der generell überwiegenden Nachteile nach nur wenigen Jahren stark abgenommen. Heute gilt die Laser-assistierte Haartransplantation (LAAHT) als Außenseitermethode.

Nichtinvasive Low-Level-Laser-Therapy (LLLT)

Bereits in den 1960er Jahren experimentierte ein ungarischer Chirurg, Dr. Endre Mester, mit Laserlicht. Er entdeckte die bio­stimulierenden Wirkungen von schwachem Laserlicht auf Gewebe. Als er einen rubinroten Laserstrahl von 694 nm auf den Rücken rasierter Mäuse leitete, stellte er ein schnelleres Nachwachsen der Haare fest. Er gilt seitdem als Pionier der Low-Level-Laser-Therapy (LLLT)2. Seitdem wurde in über 100 randomisierten, kontrollierten Studien schwaches Laserlicht untersucht und bei vielen Erkrankungen und Modalitäten eine Wirkung nachgewiesen3.

Ironischerweise sind aber beim Nachweis der stimulierenden Wirkung auf den Haarwuchs bei an AGA erkrankten Patientinnen und Patienten noch viele Fragen zur tatsächlichen Wirksamkeit auf diesem Gebiet offen – besonders, weil es sich beim Diodenlicht um nichtkohärentes Licht handelt (LED). Wegen der zwar geringen Streuung, vor allem aber wegen des Auftrittswinkels, der nicht immer 90 Grad beträgt, und wegen des Abstandsgesetzes (Arndt-Schultz-Gesetz) ist unklar, ob die Biostimulation überhaupt bis an die Haarwurzelzellen vordringen kann und ob deshalb die LLLT im therapeutischen Level immer wirksam ist. 

Eine wirksame Biostimulation kann nur eintreten, wenn das Licht mit der richtigen Dosis sein Ziel erreicht. Allein durch Haarfarbe (stark absorbierendes Element Eu­melanin), Haarlänge und variablen Abstand der Lichtquellen zum Erfolgsorgan wird Energie reduziert2. Deshalb sind vielleicht Lichtquellen, die über die Fläche beweglich sind (Laserkamm) und eine fast kahl rasierte Kopfhaut ein besserer Therapieansatz. 

In den Jahren 2013 bis 2014 gab es mehrere Studien zur Wirksamkeit von LED-Licht bei AGA des Mannes und der Frau. Keine Studie konnte nach der kurzen Anwendungsdauer von 26 Wochen oder weniger eine Stagnation des Haarausfalls nachweisen. Die Messungen der Follikelgruppendichte bei der Nachkontrolle waren mit zu großer Fehlermöglichkeit behaftet, weil nur ein Tattoopunkt als Orientierung galt und bereits bei Nachmessen und Verschieben um 1 mm eine positive oder negative Differenz gezählt werden konnte. Auch ein Überlappen zu lang gelassener Haare kann zu Ungenauigkeiten beim Zählen der Follikelgruppen führen. Und keine der Studien befasste sich mit der Frage, ob ein therapeutisches Fenster zur Biostimulation der Haarzellen erreicht wurde1,3-5.

Demzufolge sind die Untersuchungen zur Wirksamkeit aktueller LLLT-Geräte mit Einschränkungen behaftet, besonders, was die Bewertungsmethode zur Förderung des Haarwuchses betrifft. Auch die dazu gehörende Fotodokumentation ist nicht eindeutig bzw. fehlt.

Die LLLT ist eine Alternative zu anderen konservativen Behandlungsansätzen. Sie kann bei regelmäßiger Anwendung sowie durch mögliche Aktivierung der Selbstheilungskräfte eine Verzögerung des Haarausfalls bewirken, solange sich dieser im Initialstadium befindet. Nicht mehr und nicht weniger. 

Die LLLT wird in Form von Baseball­kappen, flexiblen Haarbändern und Laserkämmen offeriert. Die Zahl der einzelnen Laser-/ Diodenlämpchen, die Dosis, die Arbeitsfrequenz und die Verarbeitung des Produktes bestimmen den Preis, der drei- bis vierstellige Eurobeträge erreicht (Abb. 5). 

Preiswerte medikamentöse oder technische Alternativen wie lokale Wärmeapplikation (Rotlicht) sind verfügbar. Neben diesen möglichen Alternativen wirkt der Laser auf Laien sicher am beeindruckendsten. 

LLLT: keine ausreichende Evidenz

Die LLLT ist bei Haarproblemen jederzeit möglich und bei zertifizierten Geräten unbedenklich bezüglich Nebenwirkungen und Komplikationen. Dass sie medikamentöse oder operative Therapien erfolgreich unterstützt, wird vermutet und vor allem argumentativ eingesetzt. Dies ist jedoch aus meiner Sicht nicht ausreichend wissenschaftlich erwiesen. Bei ausgeprägter AGA, auf Kahlstellen, ist die LLLT hinsichtlich eines permanenten Haarwachstums therapeutisch unwirksam. 

Therapeutische Ansätze

Entsprechend der Pathogenese der AGA des Mannes und der Frau gibt es drei verschiedene therapeutische Ansätze. 

1. Blockade von Testosteron

Medikamentöse partielle oder vollständige Blockade der Verstoffwechslung des Testosterons zu Dihydrotestosteron (DHT) durch Finasterid oder Dutasterid beim Mann; diese Therapie ist für Frauen nicht zugelassen (Off-Label-Use). 

Vorteil: 

  • Das Medikament ist ohne größeren Aufwand täglich anwendbar. 

Nachteile: 

  • lebenslange Einnahme erforderlich,
  • Nebenwirkungen sind zu beachten, 
  • nur bei beginnendem Haarausfall wirksam, 
  • keine Wirkung bei ausgeprägter Glatze. 

2. Resistenz gegen Dihydrotestosteron

Erhöhung der Resistenz von Haarwurzeln gegen DHT durch lokale Hyperämie und Hyperthermie, Vitamin- und Mineralzufuhr – minimalinvasiv, medikamentös, alimentär, thermisch, mechanisch, LLLT. Am wirksamsten scheinen hier Mesotherapie und PRP (Platelet-Rich-Plasma-Therapy) zu sein.

Vorteile: 

  • große Palette verfügbar, 
  • einfache Anwendungen, 
  • kaum Nebenwirkungen.

Nachteile: 

  • nur im Anfangsstadium der AGA hilfreich und nur über einen begrenzten Zeitraum, 
  • permanente lebenslange Applikation erforderlich.     

3. Eigenhaar-Follikeltransplantation 

Ein minimalinvasiver Eingriff mit sehr guten Resultaten.

Vorteil: 

  • auf Kahlstellen dauerhaft und lebenslang permanenter Haarwuchs.

Nachteile: 

  • Die ehemalige Haardichte kann oft nicht vollständig reproduziert werden, 
  • sehr große Kahlflächen sind bei schlechtem Donorpotenzial nicht zu schließen, 
  • Begleiterscheinungen und Nebenwirkungen müssen ausführlich mit Patienten besprochen werden.

Fazit

Aktuell gilt die Anwendung invasiver Laser bei der Haartransplantation zur Vorbereitung des Graft-Empfängerareals als Außenseitermethode. Der Laser wird nur noch im Rahmen der sogenannten Low-Level-Laser-Therapy (LLLT) bei androgenetischer Alopezie (AGA) von verschiedenen kommerziellen Anbietern offeriert. Die Wirksamkeit ist, wenn überhaupt, am ehesten bei beginnender AGA gegeben. Dabei kann durch Anwendung im therapeutischen Fenster eine Biostimulation der Haarfollikel erreicht und dadurch der Haarausfall hinausgezögert werden. Eine positive Wirkung durch Aktivierung der Selbstheilungskräfte soll in diesem Zusammenhang nicht unterschätzt werden.

Bei fortgeschrittener Alopezie mit deutlichen Kahlstellen ist keine Wirkung der LLLT bezüglich neuem und dauerhaft kräftigem Haarwuchs nachweisbar. Aussagekräftige wissenschaftliche Studien hierzu waren in meiner Recherche nicht eruierbar. 

Die Eigenhaarwurzel-Transplantation als minimalinvasiver Eingriff ist derzeit die einzige Möglichkeit, permanent neues Haar auf ehemaligen Kahlstellen optisch beeindruckend zu reproduzieren.

Literatur

1. Jiminez J et al. Efficacy and safety of a LLLT device in the treatment of male and female pattern hair loss: a multicenter, randomized, sham device-controlled, double-blind study. Am J Clin Derm 2014;15:115-127.
2. Keene SA. The Science of Light Biostimulation and Low Level Laser Therapy (LLLT). Hair Transplant Forum Interntl 2014;24(6):201-209;DOI: https://doi.org/10.33589/24.6.0201  Zugegriffen am 2.4.2021. 
3. Keene SA. Critically Assessing Recent Published LLLT Device Trials: Limitations, Recommendations, and Conclusions. Hair Transplant Forum Internatl 2015;25(3):102-105;DOI: https://doi.org/10.33589/25.3.0102 Zugegriffen am 2.4.2021.
4. Lanzafame R et al. The growth of human scalp hair mediated by visible red light laser and LED sources in males. Lasers in Surgery & Med 2013;45:487-495.
5. Lanzafame R et al. The growth of human scalp hair in females using visible red light laser and LED sources. Lasers in Surgery & Med 2014;46:601-607.
6. Nemeth AJ. Advances in Laser Technology. In: The Future in Hair Transplantation. Bernstein RM, edt Journal of Aesthetic Dermatology and Cosmetic Surgery 1999;1(1):55-89.

Der Autor gibt an: keine Interessenkonflikte.

Korrespondenzadresse

Dr. med. Frank G. Neidel
Spezialpraxis Haartransplantation 
HAIRDOC
Königsallee 30, 40212 Düsseldorf
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