Welche Rolle spielen Biofaktoren bei Frailty?

Gebrechlichkeit – medizinisch als Frailty bezeichnet – ist keine isolierte Erkrankung des Alters, sondern ein multifaktorielles Syndrom, wobei bei betroffenen Senioren auch auf den Status der Nährstoffe Vitamin B12 und D3 geachtet werden sollte.

Das Frailty-Syndrom wird als altersbedingt verminderte Widerstandsfähigkeit gegen Stressoren bei reduzierten körpereigenen Reserven definiert.1–3 Aufgrund des physiologischen Alterungsprozesses, kombiniert mit organischen und funktionellen Störungen, kann Frailty das Risiko für Pflegeheimeinweisung, Behinderung und Mortalität erhöhen.4

Bisher gibt es keinen einheitlichen wissenschaftlichen Konsens, da in Studien unterschiedliche Definitionen und Erhebungsinstrumente benutzt werden. Einige Untersuchungen beschränken sich allein auf körperliche Funktionen, in anderen wiederum werden auch kognitive, psychische und soziale Einflüsse berücksichtigt. Beim Phänotyp nach Fried,5 der sehr häufig genutzt wird, spricht man von Prefrailty, wenn zwei der nachfolgenden Kriterien vorliegen und von Frailty bei drei oder mehr Kriterien:6–8

  • subjektiv empfundene Erschöpfung: mental, emotional, physisch
  • Abnahme von Körper- und Muskelkraft: Muskelhypotonie, Sarkopenie
  • reduzierte Gehgeschwindigkeit, Immobilität, Instabilität, Gang- und Stand­unsicherheit und erhöhte Sturzneigung
  • reduzierte allgemeine körperliche Aktivität
  • unfreiwilliger Gewichtsverlust > 5 %/
    6 Monate bzw. > 10 %/Jahr

Welche Nährstoffe beim Frailty-Syndrom?

„Unter den Biofaktoren sollten bei Frailty die Vitamine B12 und D3 im Fokus stehen“, fasst Prof. Hans Georg Classen, Vorsitzender der Gesellschaft für Biofaktoren (GfB), die aktuelle Studienlage zusammen. Rund ein Drittel der über 65-Jährigen leidet unter Vitamin-B12-Defizit, bei den über 85-Jährigen und/oder Pflegeheimbewohnern sind es sogar bis zu 40 %.9 In einer aktuellen Untersuchung erhöhte ein Vitamin-B12-Mangel die Häufigkeit von Gebrechlichkeit und reduzierte die körperliche Leistungsfähigkeit von Senioren, wobei allerdings nach Berücksichtigung aller Störfaktoren die Korrelation nicht mehr standhielt. „Gebrechlichkeit wird eher durch mehrere Faktoren als durch einen einzigen Faktor verursacht, und Vitamin B12 ist einer dieser Faktoren“, so die Aussage der Wissenschaftler. Auch andere Studien geben Hinweise, dass ein Vitamin-B12-Defizit zum Frailty-Syndrom älterer Menschen beitragen kann,11,12 wobei allerdings gut-designte klinische Studien noch ausstehen.

Frailty-Syndrom: Auf die Vitamin-D3-Versorgung achten

Knapp 62 % der Bevölkerung sind nicht ausreichend mit Vitamin D3 versorgt,14 und insbesondere Senioren leiden häufig unter Vitamin-D3-Mangel. Ein ­Vitamin-D3-Defizit kann mit verringerter Muskelmasse und reduzierter körperlicher Leistungsfähigkeit korrelieren.15,16 Vitamin D3 unterstützt die Muskelleistung sowie Schnellkraft und Koordinationsfähigkeit der Muskulatur. Untersuchungen konnten auch zeigen, dass Menschen mit niedrigen Vitamin-D3-Serumspiegeln häufiger stürzen als Menschen mit ausreichendem Serumspiegel.17 „Die Versorgung mit dem Biofaktor gilt als gesichert, wenn die 25-Hydroxy-Vitamin-D3-­­Serum­konzentration, das Calcidiol, über 50 nmol/l liegt“, so Prof. Classen.

Mangel an Vitamin D3 und Vitamin B12 ausgleichen

Beim Ernährungsscreening älterer Menschen ist nicht nur das Problem einer Mangel- und Fehlernährung insgesamt, sondern gezielt die optimale Versorgung mit den Vitaminen D3 und B12 zu berücksichtigen. Ein diagnostisch nachgewiesener Mangel sollte durch entsprechende Supplemente ausgeglichen werden. Ziel einer umfassenden Seniorenbetreuung ist, neben der Therapie von begleitenden Alterserkrankungen und physiotherapeutischen Maßnahmen zur Verbesserung von Koordination, Muskel- und Körperkraft sowie der mentalen Stabilisierung das Frailty-Syndrom multifaktoriell zu behandeln.
 

Vitamin-B12-Mangel?

Labordiagnostik stützt Diagnose

  • Gesamt-Vitamin-B12-Serumspiegel: Normbereich 200–1.000 ng/l
  • Serumspiegel < 200 ng/l: Vitamin-B12-Mangel bestätigt
  • Serumspiegel 200–400 ng/l: Holotranscobalamin (Holo-TC) messen
  • Holo-TC-Serumspiegel < 35 pmol/l: Vitamin-B12-Mangel bestätigt
  • Holo-TC-Serumspiegel 36–55 pmol/l: Methylmalonsäure (MMA)
    und/oder Homocystein messen
  • MMA-Serumspiegel > 300 nmol/l bzw. > 0,4 µmol/l und Homocystein-
    Serumspiegel > 10 µmol/l: Vitamin-B12-Mangel bestätigt
 

*MMA-Serumspiegel können auch bei eingeschränkter Nierenfunktion erhöht sein; zudem kann ein Mangel an Folsäure und Vitamin B6 zur Hyperhomocysteinämie führen. „Bleibt der Vitamin-B12-Status unklar, ist aufgrund der guten Verträglichkeit eine Supplementierung ratsam, deren Erfolg klinisch und anhand der Laborparameter verifiziert werden kann“, so Prof. Karlheinz Reiners, Neurologe und Mitglied des wissenschaftlichen Beirates der GfB.

Tipps zur Prävention und Therapie von Frailty

  • Kraft- und Ausdauertraining sowie Sturzprophylaxe
  • proteinreiche und vitaminreiche Ernährung
  • soziale Kontakte pflegen
  • Stress und körperliche Überlastungen vermeiden
  • Begleiterkrankungen wie Hypertonie und Herzprobleme behandeln
 
 

► Auf der Webseite der GfB finden Sie weitere Informationen zu den hier genannten und weiteren Biofaktoren: www.gf-biofaktoren.de 


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Literatur beim Verlag

Dr. Daniela Birkelbach

Gesellschaft für Biofaktoren e. V.