Interview: Vitamin D3 in der Hautarztpraxis – was gibt es zu beachten?

Auch in der Hautarztpraxis sollte im ein Vitamin-D3-Mangel erkannt und gezielt ausgeglichen werden.

Vitamin D3 kann längst nicht mehr auf seinen Nutzen für den Knochenstoffwechsel und damit auf eine Rachitis- und Osteoporose-Prophylaxe reduziert werden. In den letzten Jahren sind positive Effekte bei zahlreichen weiteren Krankheiten wie z. B. Hypertonie, Herzinsuffizienz, Krebserkrankungen oder Infektionen nachgewiesen worden. Auch in der Hautarztpraxis sollte im Hinblick auf den potenziellen Nutzen des Biofaktors bei Wundheilungsstörungen, Psoriasis oder Neurodermitis ein Vitamin-D3-Mangel erkannt und gezielt ausgeglichen werden.

Von einer Selbstmedikation durch den Patienten oder zu hohen Tagesdosen ohne labordiagnostische Kontrolle rät Prof. Dr. Klaus Kisters im Interview mit dem „Wirtschaftsmagazin für die hautärztliche Praxis“ jedoch ab.

Prof. Kisters, Sie sind seit Jahren stellvertretender Vorsitzender der GfB. Was gibt es Ihrer Meinung nach im Hinblick auf Vitamin D3 in der täglichen Patientenbetreuung zu beachten?

Prof. Kisters: Zunächst halte ich es generell für wichtig, der Biofaktorenversorgung in der Praxis gezielt Aufmerksamkeit zu schenken, aber gleichzeitig eine Selbstmedikation durch den Patienten möglichst zu vermeiden. Dies gilt meiner Ansicht nach ganz besonders für Vitamin D3 – und dies aus mehreren Gründen. Die positiven Effekte des Biofaktors sind, wie wir wissen, in der Tages- und Publikumspresse seit einigen Jahren sehr präsent. Gelegentlich wird man das Gefühl nicht los, Vitamin D3 würde gegen alles helfen und jeder Patient würde gleichermaßen von einer Supplementierung profitieren. Für die Praxis gilt allerdings, sich die Studienlage genau anzuschauen und den Biofaktor nur dort präventiv und therapeutisch einzusetzen, wo es zum Mangel kommt oder wo auch wirklich gesundheitliche Effekte dokumentiert sind. Hierzu finden Ihre Leser beispielsweise auf unserer Webseite ausführliche Informationen.

Außerdem darf im Hinblick auf eine Supplementierung nicht gelten: Viel hilft viel. Ich halte die Einnahme sehr hoher Vitamin-D3-Dosen, die sich nicht selten im Bereich von mehreren Zehntausend internationalen Einheiten bewegen, ohne Laborkontrolle für fahrlässig. Vitamin D3 ist ein lipidlösliches Vitamin, eine Hypervitaminose D daher nicht auszuschließen. Und noch ein wichtiger Punkt – gerade für Ihre Leser: Das Thema Hautkrebs. Die positiven Eigenschaften des sogenannten „Sonnenvitamins“ sollten keinesfalls dazu führen, dass sich die Patienten übermäßig der Sonne aussetzen.

Wie sollte der Arzt bei Verdacht auf einen Vitamin-D3-Mangel bzw. bei Risikopatienten verfahren?

Prof. Kisters: Ich halte eine gezielte Labordiagnostik für wichtig. Um Hinweise auf die Vitamin-D3-Versorgung zu erhalten, wird allerdings nicht der Vitamin-D3-Serumspiegel gemessen, da dieser lediglich die Aufnahme der letzten Tage wiedergibt. Um die längerfristige Versorgung mit dem Biofaktor zu bestimmen, wird die Speicherform Calcidiol mit der chemischen Formel 25(OH)D3 gemessen. In Übereinstimmung mit dem US-amerikanischen Institute of Medicine und der WHO sieht die DGE eine Calcidiol-Serumkonzentration von mindestens 50 nmol/l bzw. 20 ng/ml als die Konzentration an, die eine wünschenswerte Vitamin-D3-Versorgung widerspiegelt.

Allerdings gibt es hinsichtlich der Vitamin-D3-Diagnostik momentan einige Diskussionen. Zum einen wurden letztes Jahr in einem Experten-Konsens etwas höhere Referenzwerte empfohlen. Zum anderen gibt es Überlegungen, ob statt einem generellen Screening auf Vitamin-D3-Mangel ein Risikoprofil des Patienten nicht zielführender sei. Hier ist an Einflüsse wie Alter, Immobilität, Erkrankungen und Aufenthalt im Freien zu denken. Ebenfalls ein Thema ist das sogenannte freie Vitamin D3, das den tatsächlich biologisch aktiven Status des Biofaktors widerspiegelt. Allerdings wird diese Messung noch nicht routinemäßig von allen Laboren angeboten.

Sie sehen also, hier ist noch nicht das letzte Wort gesprochen. Calcidiolwerte über 125 nmol/l bzw. 50 ng/ml sollten
allerdings in jedem Fall vermieden werden, da sie das Risiko für eine Hypercalcämie erhöhen. Übrigens zahlen die Krankenkassen die Labordiagnostik, wenn der Verdacht auf einen Vitamin-D3-Mangel bzw. ein behandlungsbedürftiger Mangel vorliegt oder – anders ausgedrückt – eine medizinische Notwendigkeit besteht.

Können Sie unseren Lesern zum Abschluss noch Tipps zur Supple­mentierung von Vitamin D3 geben?

Prof. Kisters: Nicht zuletzt in Einklang mit wissenschaftlichen Studien sollte eine Supplementierung nur bei nachgewiesenem Vitamin-D3-Mangel erfolgen und dann in Tagesdosen zwischen 800 bis 2.000 IE Vitamin D3. Bei anhaltendem Mangel, Resorptionsstörungen oder bei adipösen Patienten können mitunter höhere Tagesdosen bis 4.000 IE notwendig sein.

Herzlichen Dank für das Interview,
Herr Prof. Kisters!

 

Die Gesellschaft für Biofaktoren e. V. ist ein gemeinnütziger Verein, der das Ziel verfolgt, die wissenschaftlichen Grundlagen der Therapie und Prophylaxe mit Biofaktoren zu fördern (www.gf-biofaktoren.de)

Dr. Daniela Birkelbach
Gesellschaft für Biofaktoren e. V.
daniela.birkelbach@gf-biofaktoren.de
www.gf-biofaktoren.de