Diabetes mellitus und Alzheimer-Demenz – Welche Rolle spielt ein Vitamin-B1-Mangel?

Diabetiker tragen ein deutlich erhöhtes Risiko, an einer Alzheimer-Demenz und an Nervenstörungen zu erkranken. In diesem Zusammenhang scheint neben anderen Ursachen auch ein Mangel an dem Biofaktor Vitamin B1 eine Rolle zu spielen, wie die Gesellschaft für Biofaktoren mit Verweis auf die momentane Studienlage betont.

Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes ist die Gefahr im Vergleich zu Nicht-Diabetikern wesentlich höher, an Alzheimer-Demenz zu erkranken. Es besteht mittlerweile eine hohe Evidenz, dass Typ-2-Diabetes über einen gestörten zentralen Glukosestoffwechsel in den Neuronen und eine verminderte Glucoseverwertung im Gehirn zur Alzheimer-Krankheit beitragen kann.1,2 Dabei ist der Zusammenhang zwischen Typ-2-Diabetes und Demenz umso stärker, je früher diabetesbedingte Veränderungen auftreten. Eine langjährige Therapie mit Antidiabetika kann die Pathologie einer Alzheimer-Demenz abschwächen.3,4

Gut dokumentiert: Vitamin-B1-Defizit erhöht Risiko für diabetische Neuropathie 

Etwa jeder dritte Diabetiker entwickelt eine diabetische Neuropathie mit Empfindungsstörungen wie Kribbeln, Brennen und Taubheitsgefühl, vor allem in den Füßen, sowie neuropathischen Schmerzen.5 Ein Mangel an Vitamin B1 (Thiamin), der bei Diabetikern aufgrund der Hyperglykämie und erhöhten renalen Ausscheidung vermehrt auftritt, kann eine Neuropathie fördern. Neben optimaler Blutzuckereinstellung, ausreichender Bewegung und Verzicht auf nervenschädigende Risikofaktoren bietet eine optimale Versorgung mit dem Biofaktor Vitamin B1 die Chance, in den Entstehungsprozess der diabetischen Neuropathie einzugreifen. Thiamindiphosphat, der biologisch wirksame Thiaminmetabolit, wird in den peripheren Nervenzellen gebildet und dient als Coenzym im Kohlenhydratstoffwechsel. Vor allem über die Beeinflussung der Transketolase wird die AGE-Produktion gehemmt und das Ausmaß von Nervenschäden vermindert.

Biofaktor Vitamin B1 und Demenz?

Neueren Erkenntnissen zufolge könnte ein Vitamin-B1-Mangel auch eine Rolle bei der Alzheimer-Demenz spielen: Denn in den Gehirnen von Patienten mit AD wurden erniedrigte Vitamin-B1-Konzentrationen nachgewiesen. Dass der Ausgleich eines Vitamin-B1-Mangels ein vielversprechender präventiver und therapeutischer Ansatz sein könnte, zeigen bereits Untersuchungen aus früheren Jahren: So wiesen chinesische Wissenschaftler in tierexperimentellen Untersuchungen nach, dass eine achtwöchige Behandlung mit der lipidlöslichen Vitamin-B1-Vorstufe Benfotiamin bei an Alzheimer erkrankten Mäusen nicht nur krankhafte Hirnveränderungen wie die Plaquebildung reduzieren, sondern auch Leistungsdefizite im Lernverhalten signifikant verbessern kann.

Die Wissenschaftler setzten in ihren Untersuchungen die Vorstufe Benfotiamin ein, weil frühere Untersuchungen mit wasserlöslichem Thiamin nur einen geringen positiven Effekt zeigten. Dies wurde dadurch begründet, dass der Körper den Biofaktor in oraler Form nur in begrenzten Mengen aufnehmen kann. Die fettlösliche Vorstufe Benfotiamin gelangt in wesentlich höheren Konzentrationen in den Körper und die Gewebe, was offensichtlich eine wichtige Voraussetzung für die Wirksamkeit in der Pathogenese der Alzheimer-Demenz ist.6 Dass sich Benfotiamin im Vergleich zu wasserlöslichem Thiamin durch eine wesentlich höhere Bioverfügbarkeit auszeichnet, konnte auch bereits in anderen Studien nachgewiesen werden.7,8 In der Behebung eines Vitamin-B1-Defizits nimmt die Vitamin-B1-Vorstufe Benfotiamin daher einen wichtigen Stellenwert ein.

Effekt von Benfotiamin auch klinisch bestätigt9

2020 wurde nun eine zwar kleine, aber randomisierte, placebokontrollierte klinische Studie zum potentiellen Nutzen von oralem Benfotiamin bei Alzheimer-Demenz publiziert. Laut der Autoren verbesserte Benfotiamin in präklinischen Untersuchungen bereits pathologische Faktoren, die eine Alzheimer-Demenz definieren, wie Amyloid-β-Plaques, neurofibrilläre Knäuel, Glukosestoffwechselstörungen, vermehrten oxidativen Stress, erhöhte Produktion von AGEs und Entzündungsprozesse. Aufgrund dieser Ergebnisse testeten die Wissenschaftler nun 12 Monate lang Benfotiamin im Vergleich zu Placebo bei Menschen mit leichter kognitiver Beeinträchtigung und leichter Alzheimer-Krankheit. Der primäre klinische Endpunkt war die „Alzheimer's Disease Assessment Scale-Cognitive Subscale“ – abgekürzt als ADAS-Cog. Als weitere Endpunkte wurden der Clinical-Demenz-Rating-(CDR)-Score und die Messung des Blut-AGE definiert. Die Ergebnisse waren durchaus vielversprechend:

  • Der Anstieg des ADAS-Cog war in der Benfotiamin-Gruppe um 43 % geringer (fast statistisch signifikant (p = 0,125)) im Vergleich zu Placebo, was auf einen geringeren kognitiven Rückgang hindeutet.
  • Die Verschlechterung der CDR ist in der Benfotiamin-Gruppe um 77% geringer ausgefallen im Vergleich zu Placebo.
  • Benfotiamin reduzierte signifikant den Anstieg des AGE

„Orales Benfotiamin ist sicher und potenziell wirksam bei der Verbesserung der kognitiven Ergebnisse bei Personen mit leichter kognitiver Beeinträchtigung und leichter Alzheimer-Demenz“, fassten die Autoren die Ergebnisse ihrer Untersuchungen zusammen.

Auch die Gesellschaft für Biofaktoren weist auf die positiven Effekte von Benfotiamin bei Alzheimer-Patienten hin, betont jedoch die Notwendigkeit weiterer gut designter klinischer Studien.

Literatur

1 Pugazhenthi S et al.: Common neurodegenerative pathways in obesity, diabetes, and Alzheimer's disease. Biochim Biophys Acta Mol Basis Dis 2017 May, 1863(5): 1037-1045
2 Kandimalla R et al.: Is Alzheimer's disease a Type 3 Diabetes? A critical appraisal. Biochim Biophys Acta Mol Basis Dis 2017 May, 1863(5): 1078-1089
3 Bendlin BB: Antidiabetic therapies and Alzheimer disease. Dialogues Clin Neurosci 2019, 21(1): 83-91
4 Boccardi V et al.: Diabetes drugs in the fight against Alzheimer's disease. Ageing Res Rev 2019 Sep, 54: 100936
5 Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2021, Redaktion Diabetes-Journal
6 Pan X et al.: Powerful beneficial effects of benfotiamine on cognitive impairment and β-amyloid deposition in amyloid precursor protein/presenilin-1 transgenic mice. Brain 2010, 133(5): 1342-1351
7 Schreeb KH et al.: Comparative bioavailability of two vitamin B1 preparations: benfotiamine and thiamine mononitrate. Eur J Clin Pharmacol 1997, 52(4): 319-320
8 Loew D: Pharmacokinetics of thiamine derivatives especially of benfotiamine. Int J Clin Pharm Ther 1996, 34(2): 47-50
9 Gibson GE et al.: Benfotiamine and cognitive decline in Alzheimer's disease: Results of a randomized placebo-controlled phase IIa clinical trial. J Alzheimers Dis 2020, 78(3): 989-1010

Dr. Daniela Birkelbach
Gesellschaft für Bio­faktoren e. V.
daniela.birkelbach(at)gf-biofaktoren(dot)de
www.gf-biofaktoren.de

Die Gesellschaft für Biofaktoren e. V. ist ein gemeinnütziger Verein, der das Ziel verfolgt, die wissenschaftlichen Grundlagen der Therapie und Prophylaxe mit Biofaktoren zu fördern. Zusätzliche Informationen, auch zur Labordiagnostik und weiteren Einsatzgebieten von Biofaktoren finden Sie unter www.gf-biofaktoren.de oder in dem Review:

J. Frank, K. Kisters, OA. Stirban, S. Lorkowski, M. Wallert, S. Egert, MC. Podszun, JA. Pettersen, S. Venturelli, HG. Classen, J. Golombek.: The role of biofactors in the prevention and treatment of age-related diseases. Biofactors 2021, 47: 522-550, IF 6.113