Magnesium bei Migräne
Der Biofaktor Magnesium ist an mehr als 600 Enzymreaktionen beteiligt und übernimmt zahlreiche Aufgaben im Organismus. Auch in Prävention und Behandlung einer Migräne sollte auf eine optimale Magnesiumversorgung geachtet werden.

Laut eines Gesundheitsmonitorings des Robert Koch-Instituts (RKI) aus dem Jahre 2020 zum Thema Migräne und Spannungskopfschmerz in Deutschland erfüllen 14,8 % der Frauen und 6 % der Männer die Kriterien für Migräne.1 Nach wie vor wurde keine überzeugende Theorie entwickelt, um die Pathogenese der Migräne zu erklären, sondern verschiedene Hypothesen wie die vaskuläre Hypothese, die Übererregbarkeitshypothese und die Hypothese der neurogenen Entzündung aufgestellt. Es wird ein Zusammenhang mit einer kortikalen Depression, oxidativem Stress, Gefäßveränderungen, nervöser Erregung, Neurotransmitterfreisetzung und Elektrolytstörungen diskutiert.2
Magnesium als Alternative?
Triptane, die momentan am besten untersuchten Arzneimittel in der Akuttherapie der Migräne, finden im Rahmen einer Migräneprophylaxe keine Anwendung. Über eine solche Prophylaxe sollten Betroffene laut S1-Leitlinie „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“ nachdenken, wenn die Anfälle länger als 72 Stunden anhalten, pro Monat mindestens drei schwere Anfälle auftreten, die Häufigkeit der Anfälle zunimmt, von Auren begleitet sind und/oder eine Akuttherapie mit Triptanen oder Analgetika nicht wirksam bzw. verträglich ist.3
Neben den zur Migräneprophylaxe eingesetzten Arzneimitteln wie Betablocker, Calcium-Kanalblocker, Antiepileptika und Antidepressiva könnte Magnesium eine nebenwirkungsarme Alternative sein. Auch in der Migräne-Leitlinie wird Magnesium in einer Tagesdosis von 600 mg als mögliche Migräneprophylaxe eingestuft, aber die nach wie vor zu geringe Evidenzlage betont.
Magnesium und Migräne: Wie ist die Studienlage?
„Der Beitrag eines Magnesiummangels zur Induktion einer kortikalen Depression oder einer abnormalen glutamatergen Neurotransmission ist ein wahrscheinlicher Mechanismus der Magnesium-Migräne-Beziehung“, so die Autoren der zuvor genannten Publikation.2 Der Biofaktor Magnesium ist durch Aufrechterhaltung des elektrischen Potenzials der Neuronen wichtig für die Funktionsfähigkeit des Nervensystems. Als Antagonist der glutamatergen NMDA-Rezeptoren wurde die schmerzlindernde Wirkung von Magnesium bei verschiedenen Schmerzformen und so auch bei akuten Migräneschmerzen untersucht und positiv dokumentiert.4 „Umgekehrt spielt ein Magnesiumdefizit eine wichtige Rolle in der Pathogenese von Migräne und Magnesiummangel bei Migränepatienten ist häufig“, betont Prof. Hans Georg Classen, Vorsitzender der Gesellschaft für Biofaktoren.5,6
In Interventionsstudien konnte zudem nachgewiesen werden, dass beispielsweise eine i. v.-Magnesiumgabe bei Migräneanfällen zu einer signifikanten Verminderung der Schmerzsymptomatik führen kann.7 54 % der Patientinnen und Patienten zeigten eine signifikante Schmerzreduktion (≥ 30 %) und 44 % benötigten keine zusätzlichen Schmerzmedikamente.
Auch die orale Magnesiumsupplementierung zur Prophylaxe und Behandlung einer Migräne erwies sich in teils randomisierten, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studien als vielversprechend. In einer Studie konnte beispielsweise eine zwölfwöchige Gabe von 600 mg Magnesium – in Kombination mit Riboflavin und Coenzym Q10 – zu einer Reduktion der Migränetage, zu einer signifikanten Reduktion der Kopfschmerzintensität und zu einer signifikanten Verbesserung der
Lebensqualität führen.8
Im Rahmen einer systematischen Übersichtsarbeit zeigte sich in einer randomisierten und Placebo-kontrollierten Klasse-1-Evidenz-Studie ebenfalls eine signifikante Reduktion der Migränetage und -attacken durch eine Supplementation mit 600 mg Magnesium täglich und auch in zwei weiteren, Klasse-3-Evidenzstudien ging die Zahl der Migräneattacken und -tage signifikant zurück. Dies entspricht laut der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einem Evidenzgrad C und lässt den Schluss zu, dass eine Migräneprophylaxe mit Magnesium einen Effekt hat und als sichere und kosteneffiziente Strategie definiert werden kann.9
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Fazit für die neurologische Praxis
Bei Patientinnen und Patienten mit Migräne empfiehlt es sich, auf den Magnesiumstatus zu achten und einen eventuellen Magnesiummangel gezielt auszugleichen.10 Organische Verbindungen des Biofaktors in oraler Form wie Aspartat, Orotat oder Citrat sind aufgrund der besseren Bioverfügbarkeit zu bevorzugen. Insbesondere Magnesiumorotat zeichnete sich in In-vitro-Studien durch eine sehr hohe Absorptionsrate von bis zu 90 % und eine schnelle Wirkstoff-Freisetzung innerhalb von 10 Minuten aus.11
Literatur
1 Robert Koch Institut. Migräne und Spannungskopfschmerz in Deutschland. Prävalenz und Erkrankungsschwere im Rahmen der Krankheitslast-Studie BURDEN 2020 - Journal of Health Monitoring S6/2020
2 Domitzr I et al.: Magnesium as an Important Factor in the Pathogenesis and Treatment of Migraine-From Theory to Practice. Nutrients 2022 Mar 5; 14(5): 1089
3 Diener HC et al.: Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne. S1- Leitlinie, 2018, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie
4 Shin H-J et al.: Magnesium and Pain. Nutrients 2020 Jul 23; 12(8): 2184
5 Micke O, Vormann J, Classen HG, Kisters K: Magnesium: Bedeutung für die hausärztliche Praxis – Positionspapier der Gesellschaft für Magnesium-Forschung e. V. Dtsch Med Wochenschr. 2020 Nov; 145(22): 1628-1634
6 Dolati S et al.: The Role of Magnesium in Pathophysiology and Migraine Treatment. Biol Trace Elem Res 2020 Aug; 196(2): 375-383
7 Xu F et al: Experiences of an outpatient infusion center with intravenous magnesium therapy for status migrainosus. Clin Neurol Neurosurg 2019 Mar; 178: 31-35
8 Gaul C et al.: Improvement of migraine symptoms with a proprietary supplement containing riboflavin, magnesium and Q10: a randomized, placebo-controlled, double-blind, multicenter trial. J Headache Pain 2015; 16: 516
9 Luckner A von et al.: Magnesium in Migraine Prophylaxis-Is There an Evidence-Based Rationale? A Systematic Review. Headache 2018 Feb; 58(2): 199-209
10 Weitere Informationen zu Magnesium, z. B. zur Laboranalytik: www.gf-biofaktoren.de
11 Blancquaert L et al.: Predicting and Testing Bioavailability of Magnesium Supplements. Nutrients 2019 Jul 20; 11(7): 1663