Was können Zink und Vitamin D3 bei Harnwegsinfektionen bewirken?

Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente – sie alle zählen zu den Biofaktoren, die aufgrund ihrer physiologischen und pharmakologischen Wirkungen bei zahlreichen Erkrankungen eine wichtige Rolle spielen. Bei Patienten* mit akuten und chronischen Harnwegsinfektionen (HWI) zeigten Zink und Vitamin D3 in wissenschaftlichen Studien einen potenziellen Nutzen. Der gezielte Ausgleich eines Mangels der beiden Biofaktoren könnte daher die klassisch-schulmedizinische Behandlung betroffener Patienten sinnvoll unterstützen.

In Beobachtungsstudien lagen die Serumzinkspiegel bei Patienten* mit rezidivierenden Harnwegsinfektionen im Vergleich zu den Serumwerten gesunder Kontrollprobanden deutlich niedriger.1 „Niedrige Zinkspiegel im Serum oder ein Zinkmangel können das Risiko für wiederkehrende Harnwegsinfektionen erhöhen“, so lautet daher auch das Fazit der Wissenschaftler.

Es gibt zudem Hinweise aus Interventionsstudien, dass eine Zinksupplementierung von präventivem und therapeutischem Nutzen bei Harnwegsinfektionen sein kann.2 Zinksupplemente wirkten sich positiv auf Dysurie und Harnfrequenz aus.

Ein möglicher Erklärungsansatz: Zink als essenzielles Spurenelement ist an zahlreichen physiologischen Prozessen beteiligt, einschließlich der Immunfunktion. Zink zählt zu den antioxidativ wirkenden Biofaktoren, moduliert die Aktivität von Leukozyten und Antikörpern und wirkt somit infektionsabwehrend und -präventiv. Zink schützt zudem die Urothelzellen vor Schäden und fördert die Regeneration von entzündetem Gewebe.

Diese Ursachen können zu Zinkmangel führen3,4

unzureichende Zufuhr

  • überwiegend pflanzliche Ernährung
  • parenterale Ernährung

verminderte Resorption

  • überwiegend pflanzliche Ernährung mit hohem Phytinsäuregehalt
  • altersbedingte Darmveränderungen
  • entzündliche Darmerkrankungen
  • Zustand nach Darmresektion
  • Leber-/Pankreaserkrankungen
  • genetisch bedingte Resorptionsstörungen

erhöhte Verluste

  • Diarrhoe
  • erhöhte renale Elimination
  • erhöhte Verluste durch starkes Schwitzen

erhöhter Bedarf

  • Schwangerschaft und Stillzeit
  • Wachstumsphasen
  • Ausdauersport
  • Krankheits- und Heilungsprozesse

Das gilt es zu beachten5

Zur Prävention und Therapie eines Zinkmangels ist laut allgemeiner Datenlage eine Supplementierung im Bereich von 10 bis 25 mg Zink pro Tag zu empfehlen. Die Höchstmenge, bei der nach internationaler Einschätzung auch bei langfristiger Einnahme keine Schäden zu erwarten sind – der sogenannte tolerable upper intake level oder UL – wird für Zink mit 25 mg/Tag angegeben.6 In wenigen Einzelfällen kann es auch bei dieser Tagesdosis zu Überempfindlichkeitsreaktionen oder gastrointestinalen Symptomen mit Übelkeit, Erbrechen oder Diarrhöe kommen. Abhilfe kann in diesen Fällen eine Einnahme mit den Mahlzeiten schaffen.

Höhere Dosierungen sind in der Mehrzahl der Fälle nicht erforderlich und können sogar bei längerer Anwendung zu Nebenwirkungen führen (s. unten).

Auch die Art der zur Supplementierung verwendeten Zinksalze spielt eine wichtige Rolle für Resorption und Verwertung. Zinksupplemente sollten gut verträglich sein und sich durch eine hohe Bioverfügbarkeit auszeichnen. Untersuchungen zeigten überwiegend, dass organisch gebundene Zinksalze wie beispielsweise Zinkorotat vom Körper besser aufgenommen werden im Vergleich zu anorganisch gebundenen Zinksalzen.

Kann es zu Zinkintoxikationen kommen?

Die umfangreiche physiologische Bedeutung von Zink bedingt, dass nicht nur auf ein Defizit des Biofaktors, sondern auch auf die Folgen einer übermäßigen Zinkzufuhr geachtet werden sollte. Die akute Form einer Zinkintoxikation mit Übelkeit, Erbrechen, gastrointestinalen Krämpfen, Durchfall, Kopfschmerzen und Appetitverlust tritt erst nach Zufuhr sehr hoher Tagesdosen oberhalb 200 bis 400 mg Zink auf. Bei längerfristiger, das heißt mehrmonatiger Zinkzufuhr in Tagesdosen über 50 mg kann es zu Störungen des Kupfer- und Eisenstatus mit erhöhtem Anämierisiko, Beeinträchtigung der Immunfunktion und Störungen des Fettstoffwechsels mit Senkung von HDL-Cholesterin kommen.7

Und noch ein Tipp für die Praxis5,8

Auch wenn in den Beobachtungsstudien der Serumzinkspiegel der Patienten als Parameter herangezogen wurde, gibt es hinsichtlich der Labordiagnostik bei Verdacht auf einen Zinkmangel einiges zu beachten:

  • Die Serumzinkkonzentration kann für das Risiko eines Zinkmangels einer Population oder das Ansprechen auf eine Supplementierung durchaus als nützlich erachtet werden.
  • Zur Beurteilung des individuellen Zinkstatus eines Patienten ist der alleinige Nachweis des Serumzinkspiegels allerdings kein zuverlässiger Indikator.
  • Auch laut Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) gilt als einfacher und zugleich zuverlässiger Nachweis für einen Zinkmangel die Verminderung der Symptome nach einer Zinksupplementierung.

Interview

Prof. Classen, wie sollte der Therapeut bei Verdacht auf einen Vitamin-D3 -Mangel verfahren?

Prof. Classen: Um Hinweise auf die Vitamin-D3-Versorgung zu erhalten, wird nicht der Vitamin-D3-Serumspiegel gemessen, da dieser lediglich die Aufnahme der letzten Tage wiedergibt. Um die längerfristige Versorgung mit dem Biofaktor zu bestimmen, wird die Speicherform Calcidiol mit der chemischen Formel 25(OH)D3 gemessen. In Übereinstimmung mit dem US-amerikanischen Institute of Medicine und der WHO entspricht auch laut der DGE eine Calcidiol-Serumkonzentration von mindestens 50nmol/l bzw. 20ng/ml einer wünschenswerten Vitamin-D3-Versorgung.

Allerdings gibt es zur Vitamin-D3-Diagnostik momentan einige Diskussionen. Zum einen wurden in 2022 in einem Expertenkonsens etwas höhere Referenzwerte empfohlen. Ebenfalls ein Thema ist das sogenannte freie Vitamin D3, das den tatsächlich biologisch aktiven Status des Biofaktors widerspiegelt. Allerdings wird diese Messung noch nicht routinemäßig von allen Laboren angeboten. Ausführliche Informationen hierzu finden Sie auf der Webseite: www.gf-biofaktoren.de

Und noch ein wichtiger Aspekt: Calcidiolwerte über 125nmol/l bzw. 50ng/ml sollten vermieden werden, da sie das Risiko einer Hypercalcämie erhöhen.

Können Sie Tipps zur Supplementierung von Vitamin D3 geben?

Prof. Classen: In Einklang mit wissenschaftlichen Studien sollte eine Supplementierung nur bei nachgewiesenem Vitamin-D3-Mangel und dann in Tagesdosen zwischen 1.000 bis 4.000IE Vitamin D3 erfolgen. Bei Resorptionsstörungen oder adipösen Patienten und um eine rasche Korrektur eines Vitamin-D3-Mangels zu erreichen, können in den ersten 4 bis 12 Behandlungswochen höhere Vitamin-D3-Dosen bis zu 6.000IE pro Tag eingesetzt werden. So lauten auch die Empfehlungen des zuvor zitierten Expertenkonsens, an dem Prof. Stefan Pilz, Vitamin-D3-Experte und Mitglied des wissenschaftlichen Beirates der GfB mitgearbeitet hat.

Und vielleicht noch einen Hinweis: Ein Vitamin-D3-Mangel tritt häufig gleichzeitig mit einem Magnesiummangel auf. Dann sollten auch beide Biofaktoren supplementiert werden. Bei Magnesium liegen die Tagesdosen bei 300mg, eventuell etwas höher.

Vielen Dank für das Interview, Prof. Classen.

 

 

Auf den Vitamin-D3-Status achten

Auch ein Mangel an dem lipidlöslichen Vitamin D3 gilt als Risikofaktor für die Entwicklung akuter und chronischer Harnwegsinfektionen – was verschiedene Metaanalysen bestätigen konnten.9,10 In zahlreichen Beobachtungsstudien konnte nachgewiesen werden, dass es bei Patienten mit HWI häufiger zu einem Vitamin-D3-Mangel kommt im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden.11,12

Ebenfalls zeigten die Ergebnisse von randomisierten, Placebo-kontrollierten Interventionsstudien positive Effekte: Vitamin-D3-Supplemente können Harnwegsinfektionen vorbeugen.13

Was bewirkt Vitamin D3?

Vitamin D3 spielt generell eine entscheidende Rolle bei der Immunantwort. Es verbessert die Barrierefunktion der Schleimhäute und hat spezifische Auswirkungen in der Blase. Wissenschaftler fanden heraus, dass Vitamin D3 die Genexpression antimikrobieller Peptide wie Cathelicidin induziert, das die Immunfunktion reguliert, die Immunität der Blasenwand verbessert und Harnwegsinfektionen vorbeugen kann. Darüber hinaus ist Vitamin D3 notwendig, um bestimmte Abwehrfaktoren im Urin zu erzeugen, die verhindern, dass sich Bakterien an die Blasenwand anheften können. Für die Praxis bedeutet dies, dass eine optimale Vitamin-D3-Versorgung wichtig für die Reaktion des Immunsystems auf Infektionen ist und dass ein Vitamin-D3-Mangel zu suboptimalen Reaktionen auf bakterielle und virale Infektionen führen kann.14

Fazit für die Praxis?

Auch wenn weitere gut designte Studien wünschenswert sind, könnten einzelne Biofaktoren wie Zink und Vitamin D3 in der Prävention und Behandlung von Harnwegsinfektionen nützlich sein. Es empfiehlt sich, anstelle einer pauschalen Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln einen eventuellen Mangel der genannten Biofaktoren nachzuweisen und durch eine gezielte Supplementierung auszugleichen.

Literatur

1 Mohsenpour B et al.: Relation between serum zinc levels and recurrent urinary tract infections in female patients: A case-control study. Med J Islam Repub Iran 2019 Apr 22; 33: 33
2 Yousefichaijan P et al.: Zinc Supplementation in Treatment of Children With Urinary Tract Infection. ran J Kidney Dis 2016 Jul; 10(4): 213-216
3 Classen HG et al.: Wie wirkt der Biofaktor Zink auf das Immunsystem? Zeitschrift für Komplementärmedizin 2023; 15(03): 34-38
4 Classen HG et al.: Zink-Mangel. Symptome, Ursachen, Diagnose und Therapie. MMP 2011; 3: 87-95
5 Classen HG et al.: Zink. Das unterschätzte Element. MMP 2020; 4/43: 149-157
6 European Commission: Opinion of the Scientific Committee on Food on the Tolerable Upper Intake Level of Zinc (expressed on 5 March 2003). SCF/CS/NUT/UPPLEV/62
7 Fosmire GJ: Zinc toxicity . Am J Clin Nutr 1990 Feb; 51(2): 225-227
8www.gf-biofaktoren.de/diagnose/uebersicht-zur-labordiagnostik/
9 Gan Y et al.: The Association between Serum Vitamin D Levels and Urinary Tract Infection Risk in Children: A Systematic Review and Meta-Analysis. Nutrients 2023 Jun 9; 15(12): 2690
10 Deng QF et al.: Vitamin D and Urinary Tract Infection: A Systematic Review and Meta-Analysis. Ann Clin Lab Sci 2019 Jan; 49(1) :134-142
11 Chidambaram S et al.: The Association Between Vitamin D and Urinary Tract Infection in Children: A CaseControl Study. Cureus 2022 May 24; 14(5): e25291
12 Burhan Ali S et al.: Vitamin D deficiency as a risk factor for urinary tract infection in women at reproductive age. Saudi J Biol Sci. 2020 Nov; 27(11): 2942-2947
13 Jorde R et al.: Prevention of urinary tract infections with vitamin D supplementation 20,000 IU per week for five years. Results from an RCT including 511 subjects. Infect Dis (Lond) 2016 Nov-Dec; 48(11-12): 823-828
14 Gombart AF: The vitamin D–antimicrobial peptide pathway and its role in protection against infection. Future Microbiol 2009 Nov; 4(9): 1151-1165

*Zur besseren Lesbarkeit kann in Texten das ­generische Maskulinum verwendet werden. ­Nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige aller Geschlechter.

Dr. Daniela Birkelbach
Gesellschaft für Bio­faktoren e. V.
daniela.birkelbach@gf-biofaktoren.de
www.gf-biofaktoren.de