Helfen B-Vitamine bei Long- und Post-COVID?

Während Studien bei der SARS-CoV-2-Infektion positive Effekte einiger Biofaktoren wie Zink und Vitamin D3 zeigen konnten, gibt es für Patienten* mit Long-COVID oder Post-COVID bisher kaum valide Daten. Der folgende Beitrag beleuchtet das Thema evidenzbasiert und gibt zusätzlich einige Therapieempfehlungen.

Laut Statistiken leiden zwischen 10 und 35 % der Betroffenen auch teils lange nach ihrer Corona-Infektion an Beschwerden. Wie hoch die Zahl tatsächlich ist, kann nur geschätzt werden, da in den Studien die Definition Long-COVID oder Post-COVID nicht einheitlich verwendet wird und/oder die Studien methodische Schwächen wie fehlende Kontrollgruppen aufweisen oder Unterschiede in Alter und vorherigem Gesundheitszustand der Patienten nicht berücksichtigen.

Obwohl das Risiko der Langzeitfolgen einer SARS-CoV-2-Infektion laut einer Analyse aus den USA „stark überschätzt“ wird,1 wird das Krankheitsbild von einem großen Teil der Wissenschaft und der Medizin ernst genommen. Bekanntermaßen handelt es sich nicht um ein einheitliches Krankheitsbild, sondern um verschiedene gesundheitliche Langzeitfolgen mit unterschiedlichen Symptomen:2

  • pulmonale Folgen: Kurzatmigkeit, Husten, Lungenerkrankungen
  • neuropsychiatrische Symptome: Chronisches Fatigue-Syndrom (CFS), Kopfschmerzen, Geruchs- und Geschmacksstörungen, Depressionen, Ängste, kognitive Störungen, Schlafstörungen und Leistungsschwäche
  • Muskelschwäche und -schmerzen
  • Polyneuropathie

Laut einer im Juli 2023 veröffentlichten Befragung von Patienten bis zu 24 Monate nach der Corona-Infektion waren die am häufigsten auftretenden Beschwerden3

  • Müdigkeit (34,8 %)
  • Amnesie (30,3 %)
  • Konzentrationsschwierigkeiten (24,2 %)
  • Schlaflosigkeit (20,5 %)
  • Depression (19,7 %)

Und obwohl sich die neuropsychiatrische Lebensqualität im Laufe der Zeit verbesserte, betraf sie weiterhin 32,7 % der Probanden.

Auch in anderen Untersuchungen wird das Chronische Fatigue-Syndrom als häufigste Symptomatik angeführt.4

 

Charité-Studie zu Post-COVID

„Viele Menschen haben Probleme mit der Atmung, Konzentrationsstörungen oder wenig bis gar keine Ausdauer. Ein großer Teil der Menschen mit Post-COVID-Syndrom (PCS) klagt über Müdigkeit, die sich mit normaler Ruhe und Erholung kaum verbessert. In vielen Fällen kämpfen diese Menschen darum, mit dem täglichen Leben fertig zu werden, und selbst leichte Anstrengung verschlimmert ihren Zustand, ein Phänomen, das als Belastungsintoleranz bekannt ist“, so ein Statement auf der Webseite der Charité – auf der auch eine Studie an mehr als 100 PCS-Patienten erwähnt wird, die sechs Monate nach der Ansteckung mit SARS-CoV-2 immer noch an schwerer Müdigkeit und Belastungsintoleranz litten. „Leider zeigen unsere Daten, dass Menschen mit Post-COVID-Syndrom, die an schwerer Müdigkeit leiden, mehr als anderthalb Jahre nach der Erstinfektion immer noch krank sind“, so Dr. Judith Bellmann-Strobl, leitende Ärztin am Experimental and Clinical Research Center, einer gemeinsamen Einrichtung der Charité und des Max Delbrück Centers. „Nur die Hälfte von ihnen – die Hälfte, die nicht das gesamte Spektrum der Symptome von ME/CFS (ME: Myalgische Enzephalomyelitis) aufweisen – erfährt eine allmähliche Verbesserung bei zumindest einigen Symptomen.“5,6

 

Biofaktoren und Long-bzw. Post-COVID?

Es wird viel geforscht, allerdings gibt es zurzeit keine Behandlung, die die Ursache von Long- bzw. Post-COVID selbst bekämpft. Das liegt teils auch daran, dass verschiedene Hypothesen diskutiert werden, welche Vorgänge im Körper ablaufen.7,8 Die Behandlung hat daher das Ziel, die Symptome zu lindern; und zwangsläufig kann sich eine solche symptomatische Therapie nicht auf den Ausgleich eines potenziellen Biofaktorenmangels beschränken. Und auch die versuchsweise, pauschale Supplementierung von Nahrungsergänzungsmitteln mit möglichst vielen Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen entspricht nicht der wissenschaftlichen Datenlage und kann daher nicht empfohlen werden. Im Vordergrund steht vielmehr eine an das Krankheitsbild und an die individuellen Bedürfnisse des Patienten angepasste Supplementierung, also um den gezielten Einsatz einzelner, auch wissenschaftlich geprüfter Biofaktoren, die als zugelassene Arzneimittel die Therapie ergänzen und unterstützen könnten. Da das Krankheitsbild von Long- bzw. Post-COVID noch vergleichsweise jung ist, gibt es zum jetzigen Zeitpunkt zu wenig Datenmaterial – vor allem aus Interventionsstudien, das heißt, aus Studien, in denen der Nutzen einer Supplementierung einzelner Biofaktoren untersucht wurde.9

 

Die PreVitaCOV-Studie11,12Unter der Annahme autoimmunologischer und chronischer Entzündungsprozesse wird eine medikamentöse Behandlung mit Prednisolon und neurotropen B-Vitaminen untersucht

PreVitaCOV ist eine der ersten medikamentösen Therapiestudien zum Thema Post-COVID-Syndrom in Deutschland. Die randomisierte Placebo-kontrollierte Pilotstudie startete im Februar 2022 und soll zwei Jahre lang die Wirksamkeit von Prednisolon und der Vitamine B1, B6 und B12 allein oder in Kombination untersuchen. Die Universitätskliniken von Würzburg, Tübingen und Schleswig-Holstein sowie die Medizinische Hochschule Brandenburg prüfen, ob sich Symptome wie Müdigkeit, Luftnot, Konzentrationsstörungen, Angst oder Depression durch die kombinierte Behandlung lindern lassen. Hintergrund ist die Hypothese, dass Nervenentzündungen die Ursache dieser Beschwerden sind.

„Die häufigen neurologischen Symptome bei Long- und Post-COVID legen eine Behandlung mit bestimmten B-Vitaminen nahe, die das Nervensystem unterstützen. Die Wirksamkeit solcher Behandlungsansätze ist bisher jedoch nicht wissenschaftlich belegt. Diese Lücke soll das Projekt PreVitaCOV schließen“, erklärt das Bundesministerium für Bildung und Forschung als Förderer der Studie.13

Was bedeuten diese Zusammenhänge für die Praxis? Auch wenn Studienergebnisse fehlen, könnte – bei guter Kenntnis der Vitamin-B-Mangelsymptomatik14 und Labordiagnostik15 – ein Therapieversuch mit den genannten B-Vitaminen bei betroffenen Patienten unternommen werden.

Was können B-Vitamine bewirken?

Viele Beschwerden von Long- und Post-COVID entsprechen Symptomen eines Vitamin-B-Mangels. Die mögliche Erklärung: Das Virus schädigt Nerven, wodurch verschiedene neurologische Beschwerden ausgelöst werden können. B-Vitamine haben eine enge Verbindung zum Nervensystem und ein entsprechender Mangel könnte sich negativ auswirken. „Diese … Vitamine sind in vielfältiger Weise für ein gesundes Nervenkostüm mitverantwortlich, denn sie werden sowohl für den Gehirn- und Nervenstoffwechsel als auch für den Aufbau von Nervenzellen benötigt. Dies macht B-Vitamine zu optimalen Weggefährten bei Post-COVID-Beschwerden neurologischer Natur“, so oder ähnlich lauten daher auch zahlreiche Empfehlungen auf Internetplattformen.10 Allerdings sind bisher keine entsprechenden Studien veröffentlicht worden – weder Beobachtungs- noch Interventionsstudien.

 

Welche Rolle spielt Vitamin D3?

Das Auftreten von Long-COVID ist mit einem Vitamin-D3-Mangel verknüpft – so die Ergebnisse einer Studie zum Vitamin-D3-Status von 100 Probanden, von denen die Hälfte Long-COVID-Symptome zeigte, die andere Hälfte nicht.16 Laut Autoren der Studie wiesen COVID-19-Überlebende mit Long-COVID signifikant niedrigere 25(OH)-Vitamin-D3-Serumspiegel im Vergleich zu Patienten ohne Long-COVID auf.14 Es fanden sich besonders niedrige Werte bei Vorliegen von neurokognitiven Beschwerden. Zudem erwiesen sich niedrigere 25(OH)-Vitamin-D3-Spiegel als einzige Variable, die signifikant mit Long-COVID assoziiert war. Die Wissenschaftler empfahlen, den Vitamin-D3-Status bei COVID-Patienten nach der Entlassung aus dem Krankenhaus regelhaft zu überprüfen und den potenziellen Nutzen einer Vitamin-D3-Supplementierung als Prävention vor Long-COVID zu testen.

Interventionsstudien stehen allerdings nach wie vor aus.

 

Fazit für die Praxis

Auch wenn nicht wenige Patienten unter Long- bzw. Post-COVID leiden: Die Studienlage insgesamt ist nach wie vor dünn und speziell zum Thema Biofaktoren gibt es wenig fundiertes Datenmaterial. Eine Korrelation zwischen Vitamin-D3-Mangel und Long- bzw. Post-COVID konnte nachgewiesen werden. Im Hinblick auf einen potenziellen Nutzen der Vitamine B1, B6 und B12 sprechen die physiologischen Zusammenhänge im Bereich des Nervensystems dafür, einen Therapieversuch zu starten. Die Ergebnisse der PreVitaCOV-Studie stehen noch aus.

 

Literatur

1 Høeg et al.: How methodological pitfalls have created widespread misunderstanding about long COVID. BMJ Evid Based Med 2023 Sep 25: doi: 10.1136/bmjebm-2023-112338
2 Laub C: Neuropsychiatrische Post-COVID-19-Symptome. NeuroTransmitter 2023; 34(3): 40-49
3 Kim Y et al.: Long COVID prevalence and impact on quality of life 2 years after acute COVID-19. Sci Rep 2023 Jul 11; 13(1): 11207
4 Rogers JP et al.: Psychiatric and neuropsychiatric presentations associated with severe coronavirus infections: a systematic review and meta-analysis with comparison to the COVID-19 pandemic. Lancet Psychiatry 2020 Jul; 7(7): 611-627
5 www.charite.de/en/service/press_reports/artikel/detail/the_long_term_course_of_severe_long_covid/
6 Legler F et al.: Long-term symptom severity and clinical biomarkers in post-COVID-19/chronic fatigue syndrome: results from a prospective observational cohort. E Clinical Medicine 2023 Aug 18; 63: 102146
7 www.vfa.de/de/arzneimittel-forschung/coronavirus/entwicklung-von-arzneimitteltherapien-gegen-long-covid
8 www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Liste_Gesundheitliche_Langzeitfolgen.html
9 Bradbury J et al.: Nutritional Support During Long COVID: A Systematic Scoping Review. J integr Complement Med 2023 Nov; 29(11): 695-704
10 www.mikronaehrstoffcoach.com/de/at/indikationen/indication.long-covid.html
11 www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/previtacov-prednisolon-und-vitamin-b1-6-und-12-bei-patienten-mit-post-covid-19-syndrom-14514.php
12 www.allgemeinmedizin.uni-wuerzburg.de/forschung/randomisierte-kontrollierte-studien/arzneimittelstudien/previtacov/
13 www.bmbf.de/SharedDocs/Downloads/de/2021/long-covid-faktenblatt.pdf?__blob=publicationFile&v=3
14 www.gf-biofaktoren.de/wissenswertes-ueber-biofaktoren/mangelsymptome/
15 www.gf-biofaktoren.de/wissenswertes-ueber-biofaktoren/diagnose/
16 Filippo L et al.: Low vitamin D levels are associated with Long COVID syndrome in COVID-19 survivors. J Clin Endocrinol Metab 2023 Sep 18; 108(10): e1106-e1116 

 

* Zur besseren Lesbarkeit kann in Texten das ­generische Maskulinum verwendet werden. ­Nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige aller Geschlechter.

 

Dr. Daniela Birkelbach

Gesellschaft für Bio­faktoren e. V.

daniela.birkelbach@gf-biofaktoren.de

www.gf-biofaktoren.de